Eine empirische Studie der Hans-Böckler-Stiftung liegt vor

Die Mitte schrumpft in westlichen Demokratien: Ungleichheit nährt den Rechtspopulismus

Die soziale und die politische Spaltung gehen in westlichen Demokratien Hand in Hand.
Die soziale und die politische Spaltung gehen in westlichen Demokratien Hand in Hand. Grafik: Hans-Böckler-Stiftung

Die Mitte schrumpft: In westlichen Demokratien habe sich der Stimmanteil radikaler Parteien bei Wahlen seit 1990 mehr als verdoppelt. Wenn die ärmeren Schichten wirtschaftlich zurückfallen, bekommen rechtsradikale Parteien bei Wahlen Aufwind. Das zeigt eine empirische Studie von Christian Proaño, Juan Carlos Peña und Thomas Saalfeld, über die „Infodienst Böckler Impuls“ berichtet.

Stimmen radikaler Parteien haben sich seit 1990 mehr als verdoppelt

Die beiden Ökonomen, die am Böckler-Promotionskolleg „Makroökonomik bei beschränkter Rationalität: Dynamik, Stabilisierung und Verteilung“ tätig waren, und der Politikwissenschaftler von der Universität Bamberg haben die Ursachen dieser Entwicklung statistisch untersucht. Ihren Ergebnissen zufolge spielt die zunehmende soziale Ungleichheit eine wichtige Rolle: Sie schwächt gemäßigte Parteien und spielt bei Wahlen den Rechtsradikalen in die Hände.

Für ihre Analyse haben die Forscher Daten aus den Jahren 1970 bis 2016 ausgewertet, die sich auf insgesamt 291 Parlamentswahlen in 20 Industriestaaten beziehen. Als „linksradikal“ stuften sie dabei Parteien ein, die im politischen Spektrum links von traditionellen Mitte-Links-Parteien wie den Sozialdemokraten rangieren und typischerweise egalitäre bis marxistische, kapitalismusskeptische Positionen vertreten.

„Rechtsradikale“ Parteien sind in dieser Systematik rechts von Konservativen oder Christdemokraten positioniert und zeichnen sich durch eine nationalistische, autoritäre und immigrationsfeindliche Programmatik aus. Als Einflussfaktoren wurden neben der Einkommensungleichheit unter anderem die Arbeitslosenquote, das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, Immobilienpreise, Inflation, Staatsausgaben und ein Index für den Grad der Globalisierung berücksichtigt.

Früher profitierten die Linken, heute die rechten Parteien

Den Berechnungen zufolge wirkt sich eine schlechte ökonomische Bilanz in Form hoher Arbeitslosigkeit und geringen Wirtschaftswachstums positiv auf den Stimmanteil der radikalen Linken aus, auf Kosten der politischen Mitte.

Auch von zunehmender Globalisierung profitieren tendenziell die radikal linken Parteien, höhere Staatsausgaben wiederum stärken die Mitte. Bei der Einkommensungleichheit machen die Wissenschaftler eine Änderung des Effekts im Zeitverlauf aus: Der Gini-Koeffizient der Nettoeinkommen, eine gebräuchliche Kennzahl für Ungleichheit, hat keinen messbaren Einfluss, wenn man den gesamten Zeitraum von 1970 bis 2016 betrachtet.

Für die Jahre ab 2000 ergibt sich dagegen ein deutlich positiver Effekt auf die Wahlergebnisse der Rechtsradikalen. Vor allem, wenn man den Anteil des ärmsten Zehntels der Bevölkerung am Gesamteinkommen als Maßstab für die Ungleichheit verwendet, ist das Ergebnis besonders deutlich: Von 1970 bis 2016 erstarkt im Schnitt die radikale Linke, wenn der Einkommensanteil der Ärmsten sinkt. Ab 2000 sind es dagegen die radikalen Rechten, die bei Wahlen punkten.

Da die zunehmende Ungleichheit kein natürliches Phänomen, sondern das Ergebnis politischer Entscheidungen sei, müsse der Aufstieg von Rechtspopulisten in den vergangenen Jahren bis zu einem gewissen Grad als hausgemachtes Problem betrachtet werden, erklären die Autoren. Umverteilung und eine inklusive Politik könnten dazu beitragen, die politische Polarisierung einzudämmen.

Mehr Informationen dazu gibt es HIER.

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