Relikte einer längst vergessenen Zeit freigelegt und konserviert

Denkmal des Monats Juli 2023: Mauerstück als Relikt des ehemaligen Hauptbahnhofes

Der 1910 eingeweihte Bahnhof löste das noch ältere Vorgängergebäude aus der Mitte des 19. Jahrhunderts ab.
Der 1910 eingeweihte Bahnhof löste das noch ältere Vorgängergebäude aus der Mitte des 19. Jahrhunderts ab. Quelle: Untere Denkmalbehörde, Stadt Dortmund

In der täglichen Eile fällt ein Relikt des alten Hauptbahnhofes kaum jemandem auf. Die Menschen im Bahnhof suchen nach Informationen zu ihren Zügen auf den Anzeigetafeln und eilen zu ihrem Gleis. Ablenkungen gibt es für sie mitten im alltäglichen Bahnhofstreiben viele. Derzeit wird die Wahrnehmung zusätzlich durch die Bauarbeiten bestimmt, mit denen der Dortmunder Hauptbahnhof barrierefrei und freundlicher werden soll. Für einen Blick zur Seite auf ein außergewöhnliches Stück Mauer, ein Relikt des Vorkriegs-Hauptbahnhofs, bleibt da wenig Zeit und Muße. Grund genug für die Untere Denkmalbehörde Dortmund dieses spannende Zeugnis einer längst vergangenen Zeit als Denkmal des Monats Juli 2023 vorzustellen.

Nachgedunkelte große Natursteinblöcke – was ist das für eine Wand?

 Nachgedunkelte große Natursteinblöcke bilden durch leichte Vor- und Rücksprünge eine plastisch gegliederte Wand, wie sie bei neuen Gebäuden eher selten zu sehen ist, vor allem nicht bei der eher glatten Architektur des heutigen Bahnhofsgebäudes aus der Nachkriegszeit.
Nachgedunkelte große Natursteinblöcke bilden durch leichte Vor- und Rücksprünge eine plastisch gegliederte Wand. Quelle: Untere Denkmalbehörde, Stadt Dortmund

Nur wenn man es weiß oder bewusst danach Ausschau hält, fällt dieses Mauerstück direkt neben dem Aufzug zum S-Bahn-Gleis als etwas Besonderes ins Auge.

Nachgedunkelte große Natursteinblöcke bilden durch leichte Vor- und Rücksprünge eine plastisch gegliederte Wand, wie sie bei neuen Gebäuden eher selten zu sehen ist, vor allem nicht bei der eher glatten Architektur des heutigen Bahnhofsgebäudes aus der Nachkriegszeit.

Die dunkle Mauer ist ein letztes Überbleibsel des Vorgängerbaus, der am 6. Oktober 1944 im Bombenhagel unterging. Erbaut hatte ihn die Königlich Preußische Eisenbahndirektion zwischen 1907 und 1910 nach Plänen ihres Regierungsbaurats Karl Hüter.

Das große Gebäude mit der repräsentativen Eingangshalle und den langgestreckten Seitenflügeln zeigte den pompösen Stil, den man im damaligen Kaiserreich bevorzugte: geschossübergreifende Säulen und Pfeiler, hohe Walmdächer und als Abschluss einen Uhrturm.

Dortmund „kauft“ sich einen Bahnhof

Das 1910 dem Betrieb übergebene prachtvolle Bahnhofsgebäude löste das Vorgängergebäude aus der Mitte des 19. Jahrhunderts ab. 1847, also bereits zwölf Jahre nach der ersten Jungfernfahrt einer Eisenbahn in Deutschland zwischen Nürnberg und Fürth, eröffnete die Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft ihren Betrieb mit Halt in Dortmund.

Der 1910 eingeweihte Bahnhof löste das noch ältere Vorgängergebäude aus der Mitte des 19. Jahrhunderts ab.
Der 1910 eingeweihte Bahnhof löste das noch ältere Vorgängergebäude aus der Mitte des 19. Jahrhunderts ab. Quelle: Untere Denkmalbehörde, Stadt Dortmund

1849 kam die Bergisch-Märkische Eisenbahn mit der Strecke Dortmund-Elberfeld dazu. Beiden Eisenbahngesellschaften nutzten ein gemeinsames Empfangsgebäude, damals anspruchsvoll in Formen der italienischen Renaissance errichtet und von der Stadt Dortmund finanziert.

Dies und ein städtischer Zuschuss zum Gleisbau hatte die Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft dazu bewogen, einen Halt in Dortmund einzurichten. Denn ursprünglich war vorgesehen, die Strecke von Mengede direkt über Lünen nach Minden zu führen.

Majestäten auf Besuch in Dortmund

Bereits kurz nach Aufnahme des Betriebs war das erste Bahnhofsgebäude Schauplatz eines glanzvollen Ereignisses: Am 26. September 1847, einem Sonntag, jubelten die Menschen ihrem damaligen Landesherrn zu.

Aus südöstlicher Richtung auf den Bahnhof. Im Hintergrund rechts die Paulus-Kirche (Sammlung Klaus Winter)
Aus südöstlicher Richtung auf den Bahnhof. Im Hintergrund rechts die Paulus-Kirche. Sammlung Klaus Winter

Der preußische König Friedrich Wilhelm IV., der „mit einem Extrazuge in den, durch Flaggen und Laubgewinden festlich geschmückten Bahnhof unter dem Läuten mit allen Glocken und anhaltendem Schießen“ war zu Gast – so schildert es der „Dortmunder Anzeiger“.

War in der Mitte des 19. Jahrhunderts das alte Empfangsgebäude noch beeindruckende Kulisse für einen Königsempfang, so genügte es um die Wende zum 20. Jahrhundert längst nicht mehr den alltäglichen Anforderungen, auch die ebenerdigen Gleise waren „einschneidend“ geworden.

„Taumaken!“ – Zumachen!

Die industrielle Entwicklung Dortmunds und die stark angestiegene Bevölkerungszahl sorgten für einen immer größeren Bahnbetrieb. Probleme bereitete außerdem die ebenerdige Gleisführung, die zu Hauptverkehrszeiten zu langen Wartezeiten an den Übergängen zur Nordstadt führte.

Wenn die Schrankenwärter beim Schließen der Schranken ihren Ruf „Taumaken“ erschallen ließen, wussten alle, dass nun Zeit blieb für das eine oder andere Bier in einer der naheliegenden Gastwirtschaften.

Deshalb forderten bereits 1872 erste Stimmen, das Bahnhofsgelände neu zu ordnen und das mitten in den Gleisen liegende und viel zu klein gewordene Empfangsgebäude zu ersetzen. Die Höherlegung der Gleise auf Dämme für einen kreuzungsfreien Verkehr war dann mit dem Neubau des Hauptbahnhofs erst 1910 abgeschlossen.

„Schlichte Eleganz“ oder „Pommesbude mit Gleisanschluss“?

 Nachgedunkelte große Natursteinblöcke bilden durch leichte Vor- und Rücksprünge eine plastisch gegliederte Wand, wie sie bei neuen Gebäuden eher selten zu sehen ist, vor allem nicht bei der eher glatten Architektur des heutigen Bahnhofsgebäudes aus der Nachkriegszeit.
Nachgedunkelte große Natursteinblöcke bilden durch leichte Vor- und Rücksprünge eine plastisch gegliederte Wand, wie sie bei neuen Gebäuden eher selten zu sehen ist. Quelle: Untere Denkmalbehörde, Stadt Dortmund

Seit 1952 empfängt nun das jetzige Bahnhofsgebäude die Reisenden. Nicht bei allen Dortmunder:innen war dieser „Zweckbau“, wie es häufig heißt, beliebt. So soll ihn Oberbürgermeister Günter Samtlebe während seiner Amtszeit 1973 bis 1999 als „Pommesbude mit Gleisanschluss“ bezeichnet haben.

„Aber auch hier lohnt sich ein Innehalten und ein näherer Blick. Denn mit seiner lichten Halle, dem weit vorkragenden Dach und der gläsernen Front mit fünf großen, künstlerisch gestalteten Glasbildern steht der Dortmunder Hauptbahnhof für eine Architekturrichtung der 1950er Jahre, die es verstand, Funktionalität mit schlichter Eleganz zu verbinden“, würdigen die Denkmalschützer:innen den Dortmunder Hauptbahnhof..

Nach Abschluss der jetzigen Sanierungen wird der Dortmunder Hauptbahnhof fit für die verkehrlichen Anforderungen der nächsten Jahre sein – gleichzeitig bewahrt er seine eigene Geschichte. Es ist also ein Tipp für Reisende oder Besucher:innen: Nehmen Sie sich einfach die Zeit und schauen Sie sich das altehrwürdige Stück Mauer, das sich heute galant in das Gebäude einfügt, einmal genauer an.

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