Geschichte aus einer anderen Perspektive erzählen

Bürger:innen-Initiative will Frauen ein Denkmal setzen: Henriette Davidis macht den Auftakt

Vier Frauen für ein Denkmal: Susanne Liell-Özverim, Heike Wulf und Bettina Gau vom Verein Kunst und Kultur im Kaiserviertel mit der Künstlerin Almut Rybarsch-Tarry. Im Vordergrund eine Miniaturausgabe des zukünftigen Denkmals für Henriette Davidis. Daniela Berglehn | Nordstadtblogger

Nach über einem Jahr Arbeit – von der Idee über die Recherche, Finanzierung bis hin zur Umsetzung – ist es nun geschafft. Zumindest fast. Die Bürger:innen-Initiative Frauendenkmale präsentiert den Entwurf für ein Denkmal zu Ehren von Henriette Davidis.

„Davidis war eine Pionierin. Und es gibt viele Frauen, die richtig etwas bewegt haben.“

Im Jahre 1801, also vor 222 Jahren, wurde Henriette Davidis geboren. Nun soll ihr und ihrem Wirken ein Denkmal gesetzt werden. Hinter der Idee steckt eine Initiative rund um die Dortmunder Schriftstellerin und Literaturpädagogin Heike Wulf.

Henriette Davidis (ca. 1860)
Henriette Davidis (ca. 1860) Nordstadtblogger-Redaktion | Nordstadtblogger

Sie wollte nicht länger hinnehmen, dass es in Dortmund – und nicht nur hier – hauptsächlich Denkmäler gibt, die die Leistungen von Männern würdigen.

„Dabei gibt es so viele tolle Frauen, die richtig etwas bewegt haben“, so Wulf. Henriette Davidis war eine von ihnen. „Sie war eine Pionierin, eine erfolgreiche Autorin, deren Kochbücher schon zu ihren Lebzeiten in mehreren europäischen Ländern und auch in den USA herausgegeben wurden“, berichtet Wulf.___STEADY_PAYWALL___

Und nicht nur das: Davidis konzipierte ein komplettes Erziehungs- und Bildungsprogramm für Mädchen und Frauen, arbeitete selbst als Hauswirtschaftslehrerin und Erzieherin und wollte ihr Leben selbstbewusst und weitgehend eigenständig gestalten.

Wulf: „Am Ende konnte sie sich mit dem eigenen Einkommen eine kleine Wohnung, ganz für sich allein, in der Kaiserstraße 30 finanzieren. Das war für eine alleinstehenden Frau damals sehr ungewöhnlich.“

Dortmunder Bildhauerin lässt gleich drei Generationen Davidis aufleben

Blick in die Werkstatt: Entwurf Denkmal Henriette Davidis Rybarsch-Tarry

Mitstreiter:innen für ihre Idee fand Heike Wulf im Verein „Kunst und Kultur im Kaiserviertel“ und gemeinsam mit Susanne Meyer, Susanne Liell-Özverim, Bettina Gau und Gabriel Faber ging es an Organisation und Finanzierung. Und es galt eine Dortmunder Bildhauerin zu finden, die sich der Aufgabe stellt: Almut Rybarsch-Tarry war bereit.

„Ich kannte zunächst nur das berühmte Portraitbild der Dame mit der Spitzenhaube und auch das Kochbuch habe ich nie genutzt“, erklärt die Künstlerin, „aber dann habe ich mich mit dem Leben und Wirken von Davidis vertraut gemacht und war begeistert. Sie war vielschichtig und schon früh sehr umtriebig – das versuche ich in der Skulptur zum Ausdruck zu bringen.“ Klassisch sollte das Denkmal schon werden – aber keine „altmodische Bronze“, ergänzt sie mit einem Augenzwinkern.

Blick fürs Detail: Buchrücken im Entwurf Rybarsch-Tarry

An Ende wird die Skulptur aus silbernem Aluminium sein, circa 70 cm hoch und auf einem Sockel platziert. Drei Generationen Davidis sitzen dann auf dem berühmtesten ihrer Kochbücher – das Kind, das aufbricht, die junge Frau als Erzieherin, die spätere Autorin.

Die Basis der Figuren ist – wie des Lebens der Henriette Davidis – das „Praktische Kochbuch“, das zu einem der bedeutendsten Kochbücher des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts wurde und zur Grundausstattung vieler deutscher Haushalte gehörte.

Es gilt Frauen-Geschichte zu erzählen und aus der Unsichtbarkeit zu holen

Wäre es nach der Initiative und der Künstlerin gegangen, würde das Denkmal am Wunschstandort Kaiserstraße vor dem Landgericht bereits stehen. Aber die Gießerei hat aktuell keine Kapazitäten, die Bürokratie fordert ihren Tribut und zuletzt musste auch der Kampfmittelräumdienst noch einbezogen werden.

Wunschstandort für das Denkmal der Henriette Davidis ist die Kaiserstraße, beim Landgericht, denn in der Kaiserstraße 30 hat sie zuletzt gelebt. Bürger:innen Initiative Frauendenkmale

„Das ist der Wahnsinn“, schüttelt Wulf den Kopf, aber vielleicht klappt es doch noch vor dem Winter. Sie wird nicht locker lassen, denn – das hat sie mit Davidis gemeinsam – ihr Engagement ist ungebrochen und trotz aller Hürden sind weitere Gedenkorte bereits in Planung.

In Kooperation mit dem Gleichstellungsbüro wird sich die Dortmunder Bürger:innen Initiative um Mittel bei der Landesinitiative „FrauenOrte NRW“ bewerben. Auch hier hat man sich zum Ziel gesetzt, Frauen-Geschichte zu erzählen und zu würdigen. Ideen gibt es genug: Die Dortmunder Fotografin Annelise Kretschmer (1903-1987) hätte es zum Beispiel verdient, denn sie war eine der ersten Frauen, die in der Weimarer Republik ein eigenes Atelier eröffneten. Oder wie wäre es mit Marie Reinders (1867-1911), Gründerin der ersten Dortmunder Mädchen-Mittelschule?

Vielleicht wird es nicht jedes Mal gleich ein Denkmal geben, aber auch eine Plakette oder eine Gedenktafel wären ein schöner Anfang, um noch mehr dieser Geschichten von Frauen für Frauen – und natürlich auch für Männer – bekannt zu machen. Wulf: „Wir wollen alle diese Frauen und ihre Leistungen aus der Unsichtbarkeit holen.“

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Reaktionen

  1. Einladung zur offiziellen Einweihung des Henriette-Davidis-Denkmals (PM)

    Liebe Mitbürger:innen,

    von der Idee Heike Wulfs, bis zur Gründung der Bürger:innen – Initiative Frauendenkmale, über die Suche einer geeigneten Künstler:in, Einbindung von Kooperationspartner, die Umsetzung und Recherche sind über zwei Jahre vergangen und es gab viele Hürden zu überwinden. Deswegen freuen wir uns nun umso mehr, Ihnen mit dem Denkmal für Henriette Davidis ein neues Kunstwerk im Kaiserviertel vorstellen zu können.

    Das Kaiserviertel gilt wieder als Kulturmeile im Osten. Viele Cafés und Restaurants bieten Kleinkunst an, die Gedichte und Bilder der Kulturstopper des Vereins „Kunst und Kultur im Kaiserviertel e.V.“ erfreuen sich besonderer Beliebtheit, die Nachbarschaftsinitiative Kaisern ist seit bald 10 Jahren ein fester kultureller und innovativer Bestandteil in unserem Viertel und eine große Bereicherung. Es lässt sich hier gut leben und die Kultur und das Miteinander werden großgeschrieben.

    Warum Henriette Davidis:

    Eine Autorin, deren Kochbücher im deutschen und internationalen Buchhandel in mehreren Auflagen erhältlich sind, bezeichnen wir als erfolgreich. Auf Henriette Davidis trifft genau das zu: Schon zu ihren Lebzeiten vor über 150 Jahren wurden ihre Werke, allen voran ihr „Praktisches Kochbuch“, in mehreren europäischen Ländern und auch in den USA herausgegeben. Bis heute sind sie in aktualisierten und überarbeiteten Ausgaben erhältlich. Henriette Davidis war, trotz des in ihren Werken dargestellten Idealbilds der hingebungsvollen Hausfrau, eine eigenständige Frau, die nach anfänglichen Rückschlägen kompetent mit ihren Verlegern verhandelte und selbstbewusst ihr Leben gestaltete. Ihr letzter Wohnsitz war in der Kaiserstraße 34, da wo heute das Landgericht steht.

    Wir, die Bürger:innen-Initiative Frauendenkmale Dortmund, die Künstlerin Almut Rybarsch-Tarry und das Deutsche Kochbuchmuseum, freuen uns gemeinsam mit Ihnen das fertige Denkmal einzuweihen.

    Die Bürger:Innen:

    sind herzlich eingeladen
    am 07. Mai 2024
    um 16 Uhr
    Kaiser Straße Ecke Hans-Litten-Straße, 44135 Dortmund.

    Wir freuen uns auf Ihren Besuch.

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