Anstieg der Wohnungslosigkeit: bodo e.V. sieht Alarmsignal – 44.434 Wohnungslose in NRW, 1.411 allein in Dortmund

Obdachlosigkeit ist in Dortmund allgegenwärtig - so wie hier auf dem Steinplatz. Foto: Alex Völkel

44.434 wohnungslose Menschen zählt die aktuelle Wohnungsnotfallberichterstattung für NRW, die das NRW-Sozialministerium unter Karl Josef Laumann Anfang Juli bekannt gegeben hat. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Anstieg um fast 38 Prozent. Für den gemeinnützigen bodo e.V. ist das Ausmaß der Wohnungslosigkeitskrise besorgniserregend. Umso wichtiger den Menschen vor Augen zu führen, was es eigentlich bedeutet, auf der Straße zu leben, keine Privatsphäre zu haben und von der Hand in Mund zu leben. Zu diesem Zweck organisiert „bodo“ regelmäßig soziale Stadtführungen aus Sicht von Menschen am Rande der Gesellschaft. Die n, nächste Tour findet am Samstag, den 13. Juli statt.

Landeszahlen dienen dazu, Trends abzulesen; viele Fälle werden gar nicht mitgezählt

Armut in Dortmund
Armut, Wohnungsloser macht Quartier auf einer Bank vor dem DOC, Katharinenstraße Foto: Klaus Hartmann

Am 30. Juni jedes Jahres erfasst das Land NRW sogenannte Wohnungsnotfälle, also Menschen, die als Wohnungslose in kommunalen Unterkünften oder über freie Träger untergebracht sind. Diese Statistik hat Lücken ‑ sie erfasst zum Beispiel nicht Menschen, die solche Einrichtungen nicht nutzen und draußen schlafen. Trotzdem: Als Möglichkeit, Trends abzulesen, ist sie hilfreich und bundesweit einmalig. Im vergangenen Jahr hatte das Land noch 32.286 Wohnungslose gezählt ‑ fast 40 Prozent weniger.

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„Wir gehen davon aus, dass der massive Anstieg auch darauf zurückzuführen ist, dass nun mehr Menschen in die Statistik einfließen“, sagt „bodo“-Vertriebsleiter Oliver Philipp. Denn jetzt zählen auch mehrere Tausend Geflüchtete in NRW dazu, die nach ihrer Anerkennung noch in Unterkünften leben.

Zudem hatte zum Beispiel Dortmund für den letztjährigen Bericht aufgrund eines Datenübertragungsfehlers nur einen Teil der in der Stadt untergebrachten Personen gemeldet. Bochum hatte vor einigen Jahren eine zu niedrige Zahl ans Land gemeldet. Aktuell sind in Dortmund 1.411 Wohnungslose untergebracht, in Bochum sind es 875.

Zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit stehen dem Land 2019 4,85 Millionen Euro zur Verfügung

Notschlafstelle für Männer in der Unionstraße. Viele Initiativen und Institutionen versuchen dem Problem in Dortmund entgegenzuwirken. Foto: Alex Völkel

„Wir denken, dass die Zahlen nun eher die Realität widerspiegeln“, so Philipp. „Und die bleibt besorgniserregend, weil die staatlichen und zivilgesellschaftlichen Angebote dafür bei Weitem nicht ausreichen.“

Die Ursachen sieht Philipp nicht nur in wachsender Armut: „Die massiv steigenden Mieten und der immer knapper werdende bezahlbare Wohnraum verhindern, dass Menschen, die unsere Hilfe suchen, eine Wohnung finden. Es besteht die Gefahr, dass, wer heute wohnungslos wird, es lange bleibt.“

Das Land NRW hat Anfang Juli auch einen  Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit in NRW vorgestellt. 4,85 Millionen Euro sollen allein 2019 in mobile medizinische Dienste, psychiatrische Gesundheitsversorgung und Kooperationen mit der Wohnungswirtschaft fließen.

„Dass Herr Laumann erkannt hat, wie kritisch die Lage ist, ist sehr positiv. Trotzdem: Es braucht langfristig bezahlbaren Wohnraum für alle Teile der Bevölkerung, nicht nur für die, die sich Wohnen leisten können. Und es braucht einen Staat, der MieterInnen schützt und der nicht allein den Markt regeln lässt, sondern in Sachen Mieten ein Wort mitredet, wenn es der Markt eben nicht regelt. Der beste Schutz vor Wohnungslosigkeit ist, nicht die eigene Wohnung zu verlieren.“

Dortmund „von unten“ – bodo e.V. lädt ein zur sozialen Stadtführung 

Am Samstag, den 13. Juli, findet die nächste soziale Stadtführung statt. Foto: Sebastian Sellhorst

Wie verbringen Menschen ohne Wohnung ihren Tag? Wo finden sie Anlaufstellen und Unterstützung? Das macht der gemeinnützige bodo e.V. sichtbar: mit den sozialen Stadtführungen. Einmal im Monat zeigen VerkäuferInnen des sozialen Straßenmagazins ihre Stadt „von unten“.

Die sozialen Stadtführungen mit „bodo“ zeigen Dortmund aus der Sicht von Menschen „am Rand“. Auf einer rund 2,5 Stunden langen Tour durch die Innenstadt erläutern die Stadtführer den Alltag wohnungsloser Menschen, schildern eigene Erfahrungen und besuchen Orte und Einrichtungen, die für Menschen ohne eigene Wohnung aber essenziell sind: Suppenküchen, Übernachtungsstellen, Tageseinrichtungen. „bodo“ will damit die Möglichkeit bieten, die eigene Stadt aus einer neuen Perspektive kennenzulernen, (Vor-)Urteile abzubauen – und auch, das große Engagement von Initiativen zu entdecken. 

Von Juli an ändert sich der Preis: Die monatlichen Stadtführungen – immer am zweiten Samstag des Monats – sind kostenfrei, allerdings mit dem Kauf einer aktuellen Ausgabe des Straßenmagazins „bodo“ verbunden. Interessierte können sich vorab telefonisch anmelden: 0231-950978 0. „bodo“ bietet auch Stadtführungen für Gruppen (Schulklassen, Vereine u.a.) an. Individuelle Termine können per Mail unter vertrieb@bodoev.de vereinbart werden. 

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Weitere Informationen:

Die Wohnungsnotfallberichterstattung des MAGS: LINK

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