„Willkommen Europa“: Wie ein Hilfsprojekt unseriöse Geschäftemacher bei den Bürgerdiensten stört

Christina Runge im Gespräch mit Klienten am Schalter der Bürgerdienste im Stadthaus.
Christina Runge im Gespräch mit Klienten am Schalter der Bürgerdienste im Stadthaus. Fotos: Alex Völkel

Um die engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Anlaufstelle „Willkommen Europa“ zu treffen, muss man nicht unbedingt in deren Beratungsstelle in der Bornstraße gehen. Dazu reicht ein Besuch bei den Bürgerdiensten im Stadthaus. Drei Tage pro Woche sind die Beraterinnen auch dort anzutreffen.

Beraterinnen sprechen direkt Hilfesuchende aus Bulgarien und Rumänien an

Werbung für das Projekt Willkommen Europa vor dem Schalter der Bürgerdienste des Team EU im Stadthaus bei den Bürgerdiensten 

Werbung für das Projekt Willkommen Europa vor dem Schalter der Bürgerdienste des Team EU.

„Wir sind da, um den Kontakt zum Amt zu erleichtern und unser Projekt vorzustellen“, sagt Christina Runge. Aufsuchende Arbeit ist integraler Bestandteil des Projekts. Sie spricht die Menschen aus Bulgarien und Rumänien an, die an den Schaltern „Gruppe EU“ warten.

Seit dem EU-Beitritt von Rumänien und Bulgarien im Jahr 2007 gibt es viele Zuwanderer aus diesen Ländern, die ihre prekären Lebensverhältnisse verlassen haben und sich in Deutschland ein besseres Leben erhoffen.

Sie kommen in Dortmund an – ohne Arbeit, Wohnung und Sprachkenntnisse. Sie sind daher leichte Opfer für professionelle „Vermittler“, die ihnen die Wege ebnen wollen. Natürlich gegen Bares.

Angebot kommt den unseriösen Geschäftemachern in die Quere

„Uns ist aufgefallen, dass es viele ,Dolmetscher’ gibt, die die Leute vorher abfangen und wohl für Leistungen abkassieren, die es bei uns kostenlos gibt“, ärgert sich Monika Dziennus. Sie gehört zum Kernteam der Bürgerdienste, die sich ausschließlich um europäische Neuzuwanderer kümmert.

Das war nicht immer so: Früher verteilten sich die Neuzuwanderer über alle Schalter. Weil sie das System nicht kannten, die Geschäftsmacher mitmischten und es häufig durch sprachliche Missverständnisse auch zu Kontroversen kam, ging es in der großen Halle relativ chaotisch und laut zu.

Team für Neuanmeldungen der EU-Bürgerinnen und -Bürger hat sich bewährt

Monika Dziennus (Städt. Bürgerdienste und Christina Runge (Willkommen Europa) im Stadthaus bei den Bürgerdiensten
Monika Dziennus (Städt. Bürgerdienste) und Christina Runge (Willkommen Europa).

Daher schlugen die Mitarbeiter vor, die Neuanmeldungen für EU-Bürger in einem Team zu bündeln. Der Vorschlag wurde im Frühjahr umgesetzt und Monika Dziennus hat sich freiwillig gemeldet. Sie ist froh, dass ihr zumindest zeitweise Menschen wie Christina Runge zur Seite stehen.

„Das ist eine hervorragende Unterstützung. Davon profitieren alle Seiten“, verdeutlicht die Mitarbeiterin der Bürgerdienste. „Die Bürger fragen mittlerweile gezielt nach, wann die Beraterinnen da sind.“

Sie selbst hat schon einige Worte aufgeschnappt, die ihr die Arbeit erleichtern. Und sie kennt ihre Pappenheimer – dazu gehört auch die griffbereite  „Bestechungsschokolade“ für Kinder, wenn es länger dauern könnte.

Durchschnittlich 210 EU-Neuanmeldungen pro Woche in Dortmund

Jürgen Groß ist stv. Bereichsleiter der Bürgerdienste.
Jürgen Groß ist stv. Bereichsleiter der Bürgerdienste.

Durchschnittlich 210 Neuanmeldungen – überwiegend aus Rumänien und Bulgarien – verzeichnet die Stadt Dortmund pro Woche. Durch die Kooperation mit der Beratungsstelle geht das reibungsloser und einfacher, trotz der großen Herausforderungen.

„Man kann dem Team gar nicht genug Danke sagen, dass sie so gut die Stellung halten“, lobt der Chef der Bürgerdienste, Peter Spaenhoff.

„Die Arbeit hat sich positiv entwickelt“, bestätigt auch Jürgen Groß, stellvertretender Bereichsleiter bei den Bürgerdiensten. „Die Unterstützung durch die Übersetzer hat auch den positiven Effekt, dass uns die Bürger jetzt viel eher glauben, dass wir ihnen nichts Böses wollen.“

Denn häufig wurde den städtischen Mitarbeitern Schikane unterstellt, wenn sie den Neuankömmlingen nicht geholfen konnten, wenn beispielsweise Unterlagen fehlen.

Gegenseitiges Verständnis bei den Bürgerdiensten ist deutlich gewachsen

Das Verständnis ist gewachsen – nicht zuletzt, weil Menschen wie Christina Runge ihnen erklären, warum welche Urkunden und Papiere benötigt werden, warum sie bitte beschriftete Briefkästen und Klingeln bräuchten und wo es welche Hilfen gibt. Für eine ausführliche Beratung lädt sie sie dann in Bornstraße ein.

Ein Gewinn für alle Seiten? Fast. Nur eine Gruppe ist unzufrieden – die Geschäftemacher. Ihnen gehen immer mehr „Kunden“ durch die Lappen, weil sich das Hilfsangebot immer mehr rumspricht.

Mehr zum Thema auf nordstadtblogger.de:

„Willkommen Europa“ : Wohlfahrtsverbände eröffnen Anlaufstelle für Zuwanderer aus Europa in der Nordstadt

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Reaktionen

  1. SPD OV Nord

    SPD Ortsverein Nord besucht Willkommen in Europa

    „Das Thema Einwanderung aus Rumänien und Bulgarien beschäftigt uns im Ortsverein und im Stadtbezirk permanent. Erst kürzlich ist der Bericht über die Dortmunder Situation bezüglich der Migration aus Rumänien und Bulgarien erschienen, der uns alle in Teilen besorgt hat. Deshalb wollen wir mit Ihnen ins Gespräch kommen“, bedankte sich der Ortsvereinsvorsitzende Elvedin Goljica bei den Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle Willkommen in Europa für ihre Gesprächsbereitschaft.

    Der SPD Ortsverein informierte sich über die praktische Arbeit der Beratungsstelle in den Bereichen soziale Arbeit, Arbeitsmarktlosen, Sprachkurse, Kompetenzfeststellung und niedrigschwellige Begegnungsmöglichkeit. So erfuhr der SPD Ortsverein Nord, dass bulgarische Roma alleine oder in sehr kleinen Gruppen und rumänische Roma als Großfamilie anreisen.

    Langfristiges Ziel muss es sein, die Neuzuwandernden dauerhaft in sozialversicherungspflichtige Jobs zu vermitteln. Aber ungelernte Kräfte, wovon es unter den Neuzuwandernden zu viele gibt, haben es auf dem Dortmunder Arbeitsmarkt schwer, da es bereits vor Ort viele Langzeitarbeitslose gibt. Auf dem Wohnungsmarkt haben Roma aufgrund von Ressentiments praktisch keine Chancen und sind somit gezwungen, in sogenannten Problemhäusern wohnen zu müssen. Zudem werden sie häufig ausgenutzt und ausgebeutet, da viele Roma das Wort „kostenlos“ nicht kennen. Aber auch die Stadt Dortmund ist ordnungspolitisch gefordert, nachzuprüfen, ob Häuser überhaupt noch bewohnbar seien und wie viele in einem Haus leben, um Missbräuche jeglicher Art zu vermeiden. Deshalb sei es wichtig, dass alle Verantwortliche sämtliche Verstöße gegen deutsche Gesetze und ambivalente Vorkommnisse an die zuständigen Stellen weiterleiten.

    „Es ist wichtig und richtig, dass es diese Beratungsstelle hier gibt. Sie leisten eine gute Arbeit. Aber hier müssen alle Instanzen an einem Strang ziehen“, so Elvedin Goljica.

    Eines sind sich alle Teilnehmenden einig: Die kommunale Ebene kann die mit der Zuwanderung verbundenen Probleme nicht allein bewältigen können. Der Bund und Europa müssen endlich handeln. „Es kann nicht sein, dass Kommunen wie die Stadt Dortmund mit diesen Problemen alleine gelassen werden“, so Elvedin Goljica abschließend.

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