
Eine Studie der Universität Siegen belegt, dass Bewerber:innen mit ausländisch klingenden Vor- und Nachnamen bei der Suche um einen Ausbildungsplatz strukturell benachteiligt sind. Während deutsche Namen wie „Lukas Becker“ bei einer Bewerbung im Durchschnitt zu fast 70 Prozent eine Antwort erhalten, bleibt bei vielen Bewerber:innen mit Migrationshintergrund eine Rückmeldung aus.
Es gibt Unterschiede nach Herkunft und Sektor
Die Universität Siegen untersuchte in einer Studie die Wahrscheinlichkeit auf eine Rückmeldung bei Bewerbungen um Ausbildungsplätze. Dafür verschickten die Wissenschaftler 50.000 fiktive Bewerbungen per E-Mail an Unternehmen in ganz Deutschland. Bei Bewerbungen mit einem deutsch klingenden Namen war die Wahrscheinlichkeit auf eine Antwort am höchsten. Im Durchschnitt bekam eine Person mit deutschem Namen auf 100 Bewerbungen 67 Rückmeldungen.

Anders sah es bei ausländisch klingenden Namen aus: Russisch klingende Namen wie „Ivan Smirnov“ erhielten im Schnitt auf 100 Bewerbungen 56 Antworten, hebräisch klingende Namen wie „Ariel Rubinstein“ kamen auf 54 Antworten und türkisch klingende Namen wie „Yusuf Kaya“ auf 52 Antworten.
Am schlechtesten schnitten arabisch klingende Namen ab – Namen wie „Habiba Mahmoud“ erhielten nur 36 Antworten auf 100 Bewerbungen.
Jedoch gab es auch Unterschiede zwischen den Branchen, die Bewerbungen erhielten. Die höchste Wahrscheinlichkeit auf eine Rückmeldung haben Menschen mit ausländischem Namen in der öffentlichen Verwaltung. Da bekamen ausländische Namen zu 70,6 Prozent eine Antwort, während deutsche Namen auf 76,1 Prozent kamen.
Im Handels- und Dienstleistungssektor, in dem deutsche Namen eine Antwortrate von 69,4 Prozent hatten, kamen ausländische Namen nur auf knapp 50 Prozent. Am schlechtesten schnitt die Industrie und das Handwerk ab: Während Bewerber:innen mit deutschem Namen hier eine Wahrscheinlichkeit von 58,2 Prozent hatten, eine Antwort zu erhalten, lag die Chance für ausländisch klingende Namen nur bei 35,6 Prozent.
Strukturelle Diskriminierung von Migrant:innen
Die Studie zeigt auch: Praktika oder ehrenamtliches Engagement haben keinen signifikanten Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit für eine Antwort. Das gilt sowohl für deutsche als auch für ausländisch klingende Namen. „Die Leistung zählt nicht, wenn der Name nicht passt“, lautet das Fazit der Forschenden.

Besonders ist die Benachteiligung in kleinen Betrieben und im Handwerk sichtbar. Nach den Feldexperimenten befragten die Ökonomen rund 700 Unternehmen zu ihren Erfahrungen und Sorgen mit Auszubildenden mit Migrationshintergrund: Am häufigsten nannten die Unternehmen ihre Angst vor Sprachbarrieren und dem damit verbundenen zusätzlichen Kostenaufwand für beispielsweise Sprachkurse oder Nachhilfe in Unterrichtsfächern.
Darüber hinaus schreckt die Zusammenarbeit mit Behörden viele Unternehmen ab: Insbesondere bei geflüchteten Auszubildenden fürchten viele Betriebe Aufwand bei der Integration der Auszubildenden oder Verwaltungsaufwand wegen fehlender Aufenthaltserlaubnisse oder Visa. Dies würde für die Betriebe mehr Aufwand wegen kompliziertem Ausländerrecht und Zusammenarbeit mit der Ausländerbehörde bedeuten.
Die Kreishandwerkerschaft stellt sich der Studie entgegen
Die Kreishandwerkerschaft Dortmund-Hagen-Lünen widerspricht den Erkenntnissen der Studie für ihre Region. „Das örtliche Handwerk steht seit vielen Jahren für eine aufgeschlossene und vielfältige Ausbildungslandschaft, die junge Menschen unabhängig von Herkunft, Religion oder kulturellem Hintergrund fördert und integriert“, heißt es in einer Stellungnahme der Kreishandwerkerschaft.

„Die Ergebnisse der Studie könne man für den Bereich Dortmund, Hagen und Lünen so nicht nachvollziehen“ verdeutlicht Sebastian Baranowski, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Dortmund-Hagen-Lünen.
Zugleich stellt die Handwerkerschaft klar, dass sie Studie zur Kenntnis genommen hat und der Diskriminierung entgegentreten wolle. „Wir nehmen die Ergebnisse der Studie und diese Debatte sehr ernst, denn Chancengerechtigkeit und Vielfalt sind wesentliche Grundlagen für das Handwerk und eine zukunftsfähige Gesellschaft“, erklärt Kreishandwerksmeister Christian Sprenger.
Zudem betont die Handwerkerschaft den großen Anteil an Auszubildenden mit Migrationshintergrund. Nach eigenen Angaben haben derzeit 16 Prozent der Auszubildenden einen Migrationshintergrund. Das Zeige, dass Vielfalt im Handwerk Realität, Bereicherung und ein wichtiger Erfolgsfaktor sei.
Zusätzlich verweist die Kreishandwerkerschaft darauf, dass sie bereits seit vielen Jahren mit der Handwerkskammer Dortmund, der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter zusammenarbeite, um die Integration junger Menschen mit Migrationshintergrund zu fördern. Insbesondere durch Sprachkurse werde das Problem der Sprachbarrieren und somit die Integration durch Sprachförderungen angetrieben.
Die Sicht der Universität Siegen
Die Universität Siegen betont, dass sich aus den regionalen Daten der Kreishandwerkerschaft keine direkten Rückschlüsse ziehen lassen, da die Studie nur zusammengefasste Ergebnisse liefert. Zwar sei es erfreulich, dass viele Jugendliche mit Migrationshintergrund Ausbildungsplätze im Handwerk finden, doch könne ein Anteil von 16 Prozent allein Diskriminierung nicht ausschließen.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass im Durchschnitt bundesweit Jugendliche mit ausländisch klingenden Namen weniger Antworten erhalten als Bewerber mit deutschen Namen. Entscheidend ist, dass jedes nicht genutzte Talent am Ende auch ein Verlust für die Betriebe und die gesamte Volkswirtschaft ist“, erklärt die Universität Siegen auf Nachfrage von Nordstadtblogger.
Zudem weist das Forschungsteam auf deutliche regionale Unterschiede hin, etwa ein Stadt-Land-Gefälle, kann aber keine Aussagen für einzelne Kreise wie Dortmund, Hagen oder Lünen machen. Handlungsempfehlungen geben die Wissenschaftler:innen nicht direkt, sie verweisen jedoch darauf, dass Diskriminierung oft unbewusst geschieht.
Anstatt Qualifikationen in den Blick zu nehmen, sortieren manche Entscheider Bewerbungen mit ausländischen Namen vorschnell aus. Schon ein kurzes Innehalten könne helfen, solche Denkmuster zu durchbrechen. Aus Sicht der Forscher:innen geht es dabei nicht nur um faire Chancen für Einzelne, sondern auch um den wirtschaftlichen Erfolg insgesamt: Jede Initiative, die Potenziale sichtbar macht und Vorurteile abbaut, sei letztlich ein Gewinn.
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