Dr. Karl-Peter Ellerbrock im Ruhestand - Dr. Kathrin Baas ist Nachfolgerin

Wechsel im Westfälischen Wirtschaftsarchiv – „Man muss einen langen Atem haben“

Dr. Karl-Peter Ellerbrock geht nach 27 Jahren als Direktor in den Ruhestand.
Dr. Karl-Peter Ellerbrock geht nach 27 Jahren als Direktor in den Ruhestand.

Zeitenwende in den Räumlichkeiten des Westfälischen Wirtschaftsarchivs (WWA) an der Märkischen Straße in Dortmund: Nach 27 Jahren als Direktor des Archivs geht
Dr. Karl-Peter Ellerbrock in den Ruhestand und übergibt seiner Nachfolgerin Dr. Kathrin Baas eine gut aufgestellte Institution, die von Wissenschaftlern aus der ganzen Welt, Studierenden, Heimatforschern und Journalisten besucht wird.

Strukturwandel und Entstehungsgeschichte westfälischer Mittelständler im Blick

Ellerbrock selbst gilt als einer der profiliertesten Kenner der westfälischen Wirtschaftsgeschichte. Als Autor zahlreicher Publikationen hat er die strukturellen Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte – von der Montanindustrie hin zur modernen Dienstleistungsgesellschaft – begleitet, analysiert und kommentiert. In seinen Veröffentlichungen hat er zudem die Entstehungsgeschichte zahlreicher westfälischer Mittelständler seit dem 18. und 19. Jahrhundert dargestellt und die regionale Verkehrsgeschichte um wertvolle Kapitel bereichert.

Anlässlich seiner Verabschiedung beim Jahresvortrag der Gesellschaft für Westfälischen Wirtschaftsgeschichte (GWWG) im Großen Saal der IHK zu Dortmund (Vortrag von Prof. Karl Schlögel) würdigten IHK-Präsident Heinz-Herbert Dustmann, Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal und der GWWG-Vorsitzende Dr. Ansgar Fendel die zahlreichen Verdienste von Ellerbrock. „Sie haben maßgeblich dazu beigetragen, das Ansehen und die Bekanntheit des WWA noch weiter zu steigern. Ihnen gilt unser großer Dank“, betonte Heinz-Herbert Dustmann unter dem langanhaltenden Beifall der gut 250 Gäste.

In Ellerbrocks Zeit als WWA-Direktor fallen bewegte und aufregende Jahre, die als Hochzeit eines beschleunigten Strukturwandels in die Annalen der westfälischen Wirtschaftsgeschichte eingehen werden. Innerhalb weniger Jahre veränderte sich die westfälische Unternehmenslandschaft stark, angetrieben auch durch die zunehmende Globalisierung.

Wichtigste Aufgabe: Den kollektiven Gedächtnisverlust verhindern

In den Dortmunder Archiven - hier ein Exponat aus dem Westfälischen Wirtschaftsarchiv - lagern unzählige schützenswerte Archivalien.
In den Dortmunder Archiven – hier ein Exponat aus dem Westfälischen Wirtschaftsarchiv – lagern unzählige schützenswerte Archivalien.

„Unsere Arbeit war vor allem dadurch geprägt, einen kollektiven Gedächtnisverlust zu verhindern, zu dem es bei einer drohenden Vernichtung wichtiger historischer Dokumente gekommen wäre“, bilanziert Karl-Peter Ellerbrock.

Die im Westfälischen Wirtschaftsarchiv verwahrten Überlieferungen verdreifachten sich in den knapp drei Jahrzehnten auf knapp 1.000 einzelne Bestände im Umfang von weit mehr als zwölf Regalkilometern. Besonders dramatisch, erinnert sich Ellerbrock, sei die Entwicklung bei den früheren Schlüsselindustrien Kohle, Stahl und Bier gewesen.

„Allein im Dortmunder Wirtschaftsraum waren in den 1960er Jahren noch über 130.000 Menschen beschäftigt. Innerhalb weniger Jahre wurden fünf Verwaltungsgebäude der Dortmunder Brauwirtschaft aufgebeben. Viele Unterlagen wurden buchstäblich in letzter Sekunde von uns gerettet.“ Aus diesen Dokumenten entstand so nach und nach das Dortmunder Brauerei-Archiv, die wichtigste Überlieferung zur Biergeschichte in Europa, vielleicht sogar weltweit.

Dr. Kathrin Baas arbeitet seit sechs Jahren als wissenschaftliche Archivarin im WWA

Dramatische Rettungsaktionen von historischen Unterlagen der Unternehmen gab es immer wieder: Bisweilen wurden die Papiere erst kurz vor dem Abtransport zum Recyclinghof aus den Papiercontainern gesammelt. „Manchmal haben wir um den Erhalt eines Archivs regelrecht gekämpft, manchmal war die hohe Diplomatie gefordert und oft musste man einen langen Atem haben“, so Ellerbrock, der beispielhaft auf die erfolgreiche Übernahme des Emnid-Archivs in Bielefeld verweist. Ein Prozess, der insgesamt 17 Jahre dauerte.

Dr. Kathrin Baas
Dr. Kathrin Baas Foto: IHK zu Dortmund/ Isabella Thiel

Die für die Konsumgeschichte der Bundesrepublik Deutschland unentbehrlichen Unterlagen, die auch viele wichtige politische Umfragen aus der Gründungsphase der Bundesrepublik enthalten, kamen 2020 ins WWA. „Nach vielen Gesprächen gab die neue Eigentümerin, die Kantar Group in London, endlich ihr Einverständnis“, erinnert sich Ellerbrock sehr gerne an diese „gewonnene Schlacht“.

Seine Nachfolgerin Kathrin Baas, die bereits seit sechs Jahren als wissenschaftliche Archivarin im WWA tätig ist, tritt in große Fußstapfen, kann sich aber auch zukünftig auf guten Rat von Ellerbrock verlassen. „Kathrin Baas ist schon seit längerer Zeit ein ganz wichtiges Mitglied des wunderbaren WWA-Teams gewesen, auf das ich mich immer verlassen konnte. Ich freue mich sehr, dass sie die neue Direktorin wird. Sie wird das WWA erfolgreich in die Zukunft führen“, unterstreicht Ellerbrock.

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