Wirtschaftsplan für 2022 hat ein Defizit von mehr als 37 Millionen Euro

Ungewohnt breite Mehrheit zum fast drei Milliarden schweren Haushalt der Stadt Dortmund

Vier Bände stark ist der Haushaltsplan-Entwurf für das Jahr 2022, der jetzt dem Rat vorliegt.
Vier Bände stark ist der Haushaltsplan-Entwurf für das Jahr 2022, der jetzt dem Rat vorliegt. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Grünes Licht für den Dortmunder Haushalt für 2022: Fast drei Milliarden Euro Ausgaben schwer ist das Paket – bei einem Defizit von mehr als 37 Millionen Euro. Er ist damit nicht genehmigungspflichtig und die Stadt handlungsfähig. Die Verabschiedung des Dortmunder Haushalts ist aus mehreren Gründen bemerkenswert: Denn er wurde erstmals von SPD, Grünen, CDU, Linke+ und „Die Fraktion“ gemeinsam beschlossen. Nur FDP/Bürgerliste und AfD stimmten dagegen. Außerdem tragen die Haushaltsanträge sehr deutlich die Handschrift der grün-schwarzen Projektpartnerschaft. Sie brachten alle ihre 71 Anträge durch. Die SPD – zwar stärkste Fraktion – hatte da deutlich größere Probleme – ihre Wünsche durchzusetzen.

Finanzausschuss beriet mehr als acht Stunden lang fast 200 Einzelanträge

Der Ausschuss für Finanzen, Beteiligungen und Liegenschaften (AFBL) hatte in der vergangenen Woche in einer mehr als achtstündigen Sitzung die Haushaltsempfehlung erarbeitet, die im Rat zur Abstimmung kam. Er umfasste fast 200 Einzelanträge, die die Fraktionen berieten.

„Ich darf mich an dieser Stelle stellvertretend für den Ausschuss ganz herzlich für die konstruktive und sachliche Diskussion zur  Erarbeitung dieser Ausschussempfehlung bei allen Beteiligten bedanken“, sagte der Ausschussvorsitzende Dr. Jendrick Suck (CDU). 

„Wir haben als Ausschuss in unserer Sitzung knapp 200 Einzelanträge behandelt, von denen viele Eingang in den städtischen Haushalt erhalten werden. Am Ende seiner Beratungen hat sich der AFBL mit breiter Mehrheit für eine zustimmende Empfehlung zum Haushalt ausgesprochen.“ Die Wünsche der Politik belaufen sich auf mehr als zehn Millionen Euro, die nun eine Mehrheit fanden.

Ungewohnt breite Zustimmung zum Haushalt: Von CDU bis Linke+

Carla Neumann-Lieven (SPD)
Carla Neumann-Lieven (SPD) Foto: Web-Screenshot

„Soweit ich mich erinnern kann – und ich bin seit 2004 im Rat –  gab es im AFBL noch nie eine so breite Zustimmung zum Haushalt wie jetzt. Diese breite Unterstützung ist auch Ausdruck dessen, dass die Fraktionen in unserem Stadtrat Haushaltsanträge eingebracht, sie beraten und viele oder mindestens einige davon ,durchbekommen’ haben“, sagte die SPD-Fraktionsvorsitzende Carla Neumann-Lieven.

„Die Haushaltsberatungen zwischen den Fraktionen waren insgesamt konstruktiv, fair und stets von der Überzeugung, das Beste für unser Dortmund zu wollen, geprägt. Dafür möchte ich allen Fraktionen und den Kolleginnen und Kollegen im Stadtrat danken“, so die SPD-Fraktionsvorsitzende.

Dennoch machte sie keinen Hehl daraus, dass die SPD enttäuscht darüber war, dass so mancher Antrag der größten Ratsfraktion keine Mehrheit fand: Im Bereich „Gute Arbeit“ fiel u.a. der Vorschlag durch, alle Beschäftigten im Kulturbereich – auch die Honorarkräfte – nach Tarif zu bezahlen. „Ich bin enttäuscht“, sagte Neumann-Lieven. „Aber wir werden an dem Thema dran bleiben.“

Kowalewski: „Wir haben keine Kröten geschluckt, sondern unser Wahlprogramm umgesetzt“

Utz Kowalewski (DIE LINKE+)
Utz Kowalewski (DIE LINKE+) Foto: Web-Screenshot

Umgekehrte Vorzeichen bei der Fraktion „DIE LINKE+“, die erstmals dem Haushalt zugestimmt hat. „Auch in den vergangenen Jahren haben wir nie Fundamentalopposition gemacht, sondern waren immer eine konstruktive Opposition, die eine Vielzahl von Verbesserungsvorschlägen in die politischen Debatten eingebracht hat, von denen auch viele mit Mehrheiten im Rat abgestimmt wurden“, erinnerte ihr Fraktionsvorsitzender Utz Kowalewski. 

Bereits 2017 habe es einen Haushalt gegeben, den die Linke „wohlwollend toleriert“ habe, nachdem ihre meisten Haushaltsanträge von anderen Fraktionen angenommen worden waren. „In diesem Jahr waren wir sogar noch erfolgreicher. Von 23 gestellten Haushaltsanträgen sind lediglich zwei abgelehnt worden. Dafür einen herzlichen Dank an alle beteiligten Fraktionen“, so Kowalewski. 

Damit war „DIE LINKE+“ erfolgreicher als die SPD, die 31 von 36 Anträgen – und die teils auch nur mit deutlichen Abstrichen – durchbekommen hatten. Der Grund war für Utz Kowalewski einfach: „Die Projektpartnerschaft der Grünen mit der CDU hat ja noch einen inoffiziellen Linken-Anteil, denn alleine haben Grüne und Christdemokraten keine Mehrheit im Rat“, so der Linken-Frontmann. „Ich kann mir vorstellen, dass das den CDU-Kolleg:innen an einigen Stellen durchaus weh getan hat, denn wir haben keine Kröten geschluckt, sondern unser Wahlprogramm umgesetzt.“

Keine Fraktion konnte mit ihren Ideen die anderen Fraktionen dominieren

Ingrid Reuter (Die Grünen)
Ingrid Reuter (Die Grünen) Foto: Web-Screenshot

„Die Beratungen zum Haushalt haben gezeigt, dass nicht mehr eine einzige Fraktion die Beratungen und Beschlüsse mit ihrer Stärke dominiert. Nichts konnte in den diesjährigen Beratungen von wem auch immer einfach als Selbstverständlichkeit abgehakt werden. Im Gegenteil“, machte Grünen-Fraktionssprecherin Ingrid Reuter klar.

„Wir Grüne haben in der Projektpartnerschaft mit der CDU-Fraktion einen Antrag mit insgesamt 70 Punkten vorgelegt. Und wir haben diesen Antrag so verstanden, wie wir auch die Projektpartnerschaft von Beginn an verstanden haben: als Angebot an fast alle anderen Fraktionen, ins Gespräch und in die Diskussion zu kommen, um gemeinsam das Beste für die Zukunft unserer Stadt zu gestalten“, so die Sprecherin der Grünen.

„In diesem Jahr musste besonders intensiv diskutiert, beraten, verhandelt und um Mehrheiten gerungen werden. So haben es sich die Dortmunderinnen und Dortmunder im letzten Jahr zusammengewählt. Das ist auch gut so. Und spannender und aufregender ist es allemal“, so Reuter.

Das „Primat der Politik“ soll dominieren – Rat soll das letzte Wort behalten

Michael Kauch (FDP/ Bürgerliste)
Michael Kauch (FDP/ Bürgerliste) Foto: Web-Screenshot

Doch es gab auch kritische Töne: „Ich glaube nicht nur im Namen des Ausschusses, sondern im Namen des Rates in seiner Gänze zu sprechen, wenn damit fraktionsübergreifend die klare Erwartungshaltung verbunden ist, dass die Verwaltung sich – im Interesse der Bürgerschaft – zeitnah an die Umsetzung dieser Haushaltsbeschlüsse begeben wird. Mit Blick auf die Umsetzung vorheriger Haushaltsbeschlüsse ist hier sicherlich ,noch Luft nach oben’“, sagte Suck, zugleich Vorsitzender der CDU-Fraktion.

Diese war nicht die einzige Spitze gegen OB Thomas Westphal. Insbesondere Grüne und CDU beschworen abermals das „Primat der Politik“: „Dieses zu leben und durchzusetzen gilt nach dem Selbstverständnis des Rates gegenüber dem Oberbürgermeister, gegenüber der Verwaltung und gegenüber den städtischen Unternehmen, was in der Praxis zu manchen Spannungsverhältnissen führt“, machte CDU-Frontmann Suck deutlich.

Das freut auch Michael Kauch, den Fraktionsvorsitzenden von FDP und Bürgerliste: „Danke an CDU und Grüne bei der besseren Kontrolle des städtischen Konzerns. Wir haben eine Haltung von Teilen des Stadtwerke-Vorstands, die auf eigene Entscheidungsmacht setzt. Da ist wichtig, dass die gewählten Vertreter das letzte Wort haben.“

Die Grünen sehen den Rat an der ersten Stelle, nicht die Verwaltung

Foto: Web-Screenshot

Das will Ingrid Reuter aber insbesondere auch beim Oberbürgermeister verstanden wissen: „Wir beschließen den Haushalt unter einer Prämisse, die eigentlich selbstverständlich ist: Es gilt das Primat der Politik. Die vom Oberbürgermeister gewählte Vorgehensweise bei der Entwicklung neuer Stadtziele entsprach diesem Primat nicht“, hob die Grüne auf einen weiteren Tagesordnungspunkt ab, der zu Beginn der Sitzung von der Tagesordnung genommen wurde.

„Um es ganz klar zu sagen: Es ist gut und richtig, wenn die Verwaltung mit ihren Möglichkeiten Ziele für die Entwicklung der Stadt entwirft und erarbeitet. Ja, das erwarten wir sogar. Es ist aber nicht gut, wenn diese Ziele dann finanziell und personell umgesetzt und bereits im Haushalt verankert werden, bevor Politik darüber beraten und abgestimmt hat“, so Reuter.

Deshalb sei es richtig, dass die demokratischen Fraktionen im Rahmen der Haushaltsberatungen festgelegt hätten, dass die Diskussion über die Stadtziele in den Ausschüssen geführt und dass diese Ziele anschließend im Rat – eventuell mit Veränderungen – beschlossen würden. „So geht Primat der Politik, und so wollen wir es auch verstanden wissen“, so Reuter.

CDU kritisiert „Sprachlosigkeit des OB gegenüber dem Rat“ und mediale Inszenierung

Dr. Jendrick Suck (CDU)
Dr. Jendrick Suck (CDU) Foto: Web-Screenshot

Noch schärfer formulierte es CDU-Fraktionschef Suck mit Blick auf das „Spannungsverhältnis zwischen Rat und Oberbürgermeister“: „Ich sage Ihnen, Herr Oberbürgermeister, dass man so nicht nicht kommunizieren kann! Denn es herrscht eine gewisse Sprachlosigkeit Ihrerseits gegenüber dem Rat.“

Süffisant benannte er „möglicherweise  (…) die politischen Mehrheiten, die sich hier finden“, als einen Grund dafür. „Und gleichzeitig können wir alle – ich darf zitieren – die ,Thomas-Show’ beobachten, beobachten in Veröffentlichungen auf der städtischen Homepage und in den Sozialen Netzwerken: Eine große Inszenierung Ihres Tuns. Vielleicht ist das nötig, wenn sonst wenig Eigenes nach einem Jahr Ihrer Amtszeit auf der Haben-Seite steht“, schoss Dr. Jendrick Suck gegen den OB.

Auch er hob auf die Vorlage zur Stadtstrategie „Dortmund ist die Stadt der Nachbarn“ ab,  die – bevor sie von ihnen zurückgezogen wurde – die politischen Gremien als bloße Kenntnisnahme erreicht hatte.

„Wir werden in den nächsten Monaten eine intensive Diskussion über ihre Idee einer Stadtstrategie in den Gremien des Rates führen, weil wir der festen Überzeugung sind, dass es die originäre Aufgabe des Rates ist, über eine solche Stadtstrategie zu befinden. Und wer weiß, vielleicht hält der Rat am Ende ja eine andere Stadtstrategie als die der „Stadt der Nachbarn“ für geboten?

Dr. Jendrick Suck fordert „mehr Dialog und weniger „Thomas- Show“ vom OB

Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD)
Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) wurde von der CDU scharf kritisiert. Foto: Web-Screenshot

Daher sei es jetzt „nur konsequent, richtig und überdies ein ziemlich einmaliger Vorgang, dass mit dem jetzt anstehenden Haushaltsbeschluss der Rat finanzielle Mittel für ihr Stadtamt sperrt sowie dortige Stellen nicht bewilligt“, so Suck weiter. 

„Natürlich wissen wir, dass diese Diskussionen für Sie unbequem und nicht so glitzernd und schillernd sind, wie manches Bild, das sie auf der städtischen Homepage und in den sozialen Netzwerken von sich transportieren. Sie sind aber zwingend und der Rat wird Sie unter dem Bekenntnis des Primats der Politik hier nicht aus der Verantwortung lassen“, so der CDU-Politiker.

„Wir würden uns daher freuen, wenn wir mehr Dialog und weniger „Thomas- Show“ zum Wohle unserer Stadt im kommenden Jahr erleben würden! Die dafür notwendigen Kontaktdaten sind ihnen bekannt und können gerne genutzt werden“, sagte Suck in seiner Haushaltsrede.

SPD weist diese Kritik zurück: „Es ging darum, den OB zu verunglimpfen“

Das ging dem stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Franz-Josef Rüther zu weit: Dies habe mit der zuvor gelobten „vertrauensvollen und sachlichen Zusammenarbeit“ nichts mehr zu tun:  „Es ging darum, den OB zu verunglimpfen. Und die Bezeichnung ,Thomas-Show’ ist eine völlig unsachliche und diffamierende Äußerung. So sollten wir nicht miteinander umgehen“, sagte Rüther. 

„Aber wir werden es nicht scheuen, wenn sie einen solchen Umgang wollen. Wir würden aber lieber zu einem sachlichem Umgang zurückkommen“, so Rüther. Dieser Vorwurf rief Sascha Mader auf den Plan:  „Ich kann keine Unsachlichkeit erkennen – war ein Zitat aus einem Zeitungs-Kommentar. Aber wenn wir künftig früher zum Hörer greifen als zu schreiben, wird das allen helfen.“

Alle Haushaltsreden gibt es hier:

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