Premiere der Komödie „Der Kirschgarten“ von Anton Pawlowitsch Tschechow im Schauspielhaus Dortmund

Das Ensemble - Foto: Birgit Hupfeld
Das Ensemble des Dortmunder Theaters bei Proben zu „Der Kirschgarten“. Fotos: Birgit Hupfeld.

„Der Kirschgarten“ zählt zu den meistgespielten Werken von Anton Tschechow. Im Mittelpunkt der Handlung steht eine brüchig werdende Welt, in der das verloren geht, was doch eigentlich „schon immer“ selbstverständlicher Teil der eigenen Identität war. Wie konnte es so weit kommen? Musste das sein? – Zu sehen ab Freitag, den 29. Dezember, im Studio des Schauspielhauses.

Die gute alte Zeit, als die Welt noch in Ordnung war, aber leider wegbricht – als Komödie?

Oftmals wird „Der Kirschgarten“, eine gesellschaftskritische, daher natürlich tragische Komödie sehr dramatisch und ohne eine gewisse Heiterkeit aufgeführt. Regisseur Sascha Hawemann inszeniert das Bühnenstück von Tschechow im Studio des Dortmunder Schauspielhauses dagegen eher als eine Komödie und zeigt mit seinem Ensemble minutiös, was passiert, wenn sicher geglaubte Konstanten einfach mal so wegbrechen. In einer Zeit der Um- und Abbrüche, in der scheinbar unumstößliche Werte zu Kapital werden, bleibt der Einzelne letztlich allein zurück.

Das große Ensemblestück „Der Kirschgarten“ können jeweils 80 Zuschauer hautnah im Studio erleben. „Der Zuschauer erlebt hier das Stück und die Darsteller hautnah“, erklärt Hawemann. „Es ist nicht, wie üblich, auf großer Bühne, wie in einem Guckkasten.“ Sondern: „Der Zuschauer ist mittendrin im Geschehen“, bestätigt Dramaturg Dirk Baumann. „Lacher sind erlaubt, auch wenn es bitter sein kann“, sagt Hawemann.

Tschechow selbst war liberal eingestellt und überzeugt, dass technischer Fortschritt und gesellschaftliche Veränderungen eine positive Wirkung für die Menschen hätten. Der Kirschgarten, der keine Ernte mehr abwirft, symbolisiert den russischen Adel, der für die Gesellschaft keinerlei Nutzen mehr erbringt. Er hat nur noch eine dekorative Funktion, symbolisiert das Schöne. An-sich, sozusagen. – Am Ende wird der Kirschgarten aber leider abgeholzt, weil das Gut, finanziell am Ende, versteigert werden muss.

„Der Kirschgarten“ und mögliche bis zwingende Gegenwartsbezüge

Frank Genser Bettina Lieder Ekkehard Freye Merle Wasmuth Friederike Tiefenbacher Björn Gabriel Alexander Xell Dafov (Musiker) - Foto: Birgit Hupfeld
Die Schauspieler stehen mit dem Musiker Alexander Xell Dafov auf der Bühne.

Der Gutsbesitzer Simeonow-Pischtschik preist die Verwurzelung des Adels mit dem Land und verkauft dieses trotzdem bei erster Gelegenheit an englische Bergbau-Ingenieure. Der Diener Firs, der als einziger noch an die innere Verbundenheit von Herrschaft und Dienern glaubt, wird von den Ranjewskis einfach zurückgelassen.

Dagegen hat Tschechow die Figur des Lopachin als positives Gegenbild des aufrichtigen Kaufmanns entworfen, der durch eigenen Fleiß aus bescheidenen Verhältnissen aufgestiegen ist.

Allerdings sind die Parallelen zur heutigen gesellschaftlichen Situation mehr als deutlich. Denn auch unsere Gesellschaft ist in einem Umbruch. „Man kann in den Figuren des Stückes sich selber oder Akteure in unserer heutigen Gesellschaft wieder erkennen“, so Hawemann. „Die Ängste: ‚Was kommt Morgen?‘ werden in dem Stück ‚Der Kirschgarten‘ besonders deutlich“, fügt Baumann hinzu. Pegida, ick hör Dir trapsen?

Regie, Dramaturgie, Kostüme, Musik und Ensemble

Frank Genser und Friederike Tiefenbacher bei den Proben zu „Der Kirschgarten“.

Regie führt Sascha Hawemann, der zuvor in Dortmund schon „Eine Familie (August: Osage County)“ und „Furcht und Elend der Dritten Reiches“ von Berthold Brecht inszeniert hatte. Das Bühnenbild stammt von Wolf Gutjahr – seine dritte Arbeit mit Hawemann in Dortmund. Die Kostüme, nicht historisierend, stammen von Hildegard Altmeyer. Die Dramaturgie ist von Dirk Baumann, welcher seit der Saison 2013/14 regelmäßig am Schauspiel Dortmund arbeitet. Die Musik (Life!) stammt von Alexander Xell Dafov. Er ist damit ein drittes Mal, nach „Eine Familie“ und „Furcht und Elend der Dritten Reiches“, mit von der Partie.

 

Besetzung:

Ljubow Andrejewka Ranjewskaja: Friederike Tiefenbacher
Anja, ihre Tochter: Merle Wasmuth
Warja, ihre Adoptivtochter: Bettina Lieder
Leonid Andrejewitsch Gajew, ihr Bruder: Ekkehard Freye
Jermolaj Alexejewitsch Lopachin: Frank Genser
Pjotr Sergejewitsch Trofimow: Björn Gabriel
Semjon Pantelejewitsch Jepichodow: Uwe Schmieder
Charlotta Iwanowna: Caroline Hanke
Dunjascha: Marlena Keil
Jascha: Raafat Daboul
Firs: Uwe Schmieder
Und: Alexander Xell Dafov
Regie: Sascha Hawemann
Kostüme: Hildegard Altmeyer
Dramaturgie: Dirk Baumann
Bühne: Wolf Gutjahr
Live-Musik: Xell
Ton: Chris Sauer, N.N.
Licht: Stefan Gimbel
Regieassistenz: Laura N. Junghanns
Bühnenbildassistenz: Yaroslava Sydorenko
Kostümassistenz: Vanessa Rust
Inspizienz: Tilla Wienand
Soufflage: Ruth Ziegler
Regiehospitanz: Philip Schimchen

Der Autor:

Tschechow entstammte einer kleinbürgerlichen südrussischen Familie und war Arzt von Beruf – praktizierte die Wissenschaft des Heilens jedoch fast ausschließlich ehrenamtlich. Gleichzeitig schrieb und publizierte er zwischen 1880 und 1903 insgesamt über 600 literarische Werke.

International ist Tschechow vor allem als Dramatiker durch seine Theaterstücke wie „Drei Schwestern“, „Die Möwe“ oder eben die Komödie „Der Kirschgarten“ bekannt. Mit der für ihn typischen, wertneutralen und zurückhaltenden Art, Aspekte aus dem Leben und der Denkweise der Menschen in der russischen Provinz darzustellen, gilt Tschechow als einer der bedeutendsten Autoren der russischen Literatur.

Weitere Informationen:

  • Wo: Schauspielhaus Dortmund, Studio, Einlass ab 19:00, Einführung: 19:30 Uhr, Beginn: 20:00 Uhr.
  • Wann: Premiere – Fr, 29. Dezember 2017, (ausverkauft).
  • Weitere Aufführungen: Do, 11. Januar 2018, Do, 18. Januar 2018, Fr, 19. Januar 2018, Sa, 27. Januar 2018, So, 28. Januar 2018, Sa, 17. Februar 2018, Mi, 07. März 2018, So, 24. Juni 2018, Fr, 13. Juli 2018.

 

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