Wie teuer wird die jahrelange Sperrung der Autobahn 45?

Eine neue Studie erwartet Milliardenverluste

Autos und Lkw müssen massive Umwege und Staus in Kauf nehmen.
Autos und Lkw müssen durch die Sperrung der A45 bei Lüdenscheid massive Umwege und Staus in Kauf nehmen. Die Sperrung der Sauerlandlinie hat auch auf die Dortmunder Wirtschaft massive Auswirkungen. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Der Verkehrsverband Westfalen e.V. hat eine Schadensbetrachtung für die Wirtschaft als Folge der A 45-Sperrung sowie konkrete Handlungsempfehlungen vorgestellt. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat die Studie durchgeführt und Verluste in Milliardenhöhe ermittelt. HERE Technologies, hat als führende Plattform für digitale Karten das Gutachten um eine interaktive Visualisierung der Verkehrsflüsse in der Region vor und nach der Sperrung ergänzt.

Unverzichtbare Lebensader für die regionale Wirtschaft

Online gibt es eine interaktive Karte zur Verkehrsanalyse vor und nach der Sperrung (Link am Ende des Artikels).
Online gibt es eine interaktive Karte zur Verkehrsanalyse vor und nach der Sperrung (Link am Ende des Artikels). Foto: Web-Screenshot

„Die Wirtschaft trocknet kontinuierlich aus, wenn die unverzichtbare Lebensader A 45 abgeschnitten wird und das Vertrauen in die vernetzte Wirtschaftsregion zwischen Südwestfalen und dem westfälischen Ruhrgebiet verloren geht“, konstatiert Marc Simon, Vorstandsvorsitzender des Verkehrsverbandes Westfalen e.V., und verweist damit auf die Beweggründe für die aktuelle Untersuchung.

„Auch als betroffener Unternehmer mit der Verantwortung für unsere Beschäftigten und deren Familien kann ich mit voller Überzeugung sagen, dass es auf jeden Monat ankommt, den der Neubau der Rahmede-Talbrücke beschleunigt werden kann.“

„Wir haben uns für einen konservativen Ansatz bei der Berechnung der volkswirtschaftlichen Schäden entschieden und kommen trotzdem auf mindestens 1,8 Mrd. Euro, die für die Dauer einer üblichen Neubauzeit von fünf Jahren entstehen würden“, erläutert Hanno Kempermann, Geschäftsführer des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln Consult GmbH.

Wachstumsverluste von mindestens 600 Mio. Euro allein im Märkischen Kreis

Ralf Geruschkat ist Hauptgeschäftsführer der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK)zu Hagen. Foto: SIHK zu Hagen

Für die Wirtschaft entstehen Kosten durch Staus und Umleitungen sowie durch die sinkende Standortattraktivität. An den offiziellen und inoffiziellen Ausweichrouten leben rund 20.000 Einwohner:innen und sind rund 1.600 Unternehmen ansässig, die sich mit sinkenden Immobilienpreisen, einem hohen Lärm- und Stresspegel und besonders großen Auswirkungen der Verkehrsbelastungen wie z. B. die An- und Abfahrt von Mitarbeiter:innen konfrontiert sehen.

Allein für den Märkischen Kreis summieren sich die Wachstumsverluste auf mindestens 600 Millionen Euro. Ralf Geruschkat, Hauptgeschäftsführer der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer zu Hagen, in deren Kammerbezirk die gesperrte Brücke steht, stellt für die IHKs von Arnsberg, Dortmund, bis Siegen fest:

„Jeder Tag Brückensperrung raubt der gesamten Wirtschaftsregion Wachstumsperspektiven. In Zeiten des Fachkräftemangels und der Transformation der Industrie, aber auch im Handel, der Freizeit- und Tourismuswirtschaft, der Gastronomie und Veranstaltungswirtschaft, strapaziert die Brückensperrung die Region, die Umwelt und die Menschen über Gebühr.“

Vertrauen in Wirtschaftsstandort und Infrastruktur muss zurückgewonnen werden

Die Untersuchung belege neben den akuten Schäden durch Umwege vor allem aber auch den Verlust an Standortattraktivität. „Die Studie zeigt, dass wir nicht nur über die Beschleunigung des Ersatzneubaus sprechen dürfen, sondern darüber, wie das Vertrauen der Wirtschaft und der Beschäftigten in die regionale Infrastruktur zurückgewonnen werden kann.“

Der Verkehrsverband Westfalen ziehe für Ralf Geruschkat die richtigen Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen der Untersuchung. „Für die Wirtschaft in NRW braucht es einen klaren Zeitplan, an dem sich die Verantwortlichen am Ende auch messen lassen müssen. Nur so gewinnt man das Vertrauen der Betriebe zurück,“ resümiert Geruschkat.

Der Verbandsvorsitzende Simon ergänzt: „Die Summe der Schäden aus dieser Studie zeigen, dass ein Gesamtzeitraum von fünf Jahren nicht das Maximal-, sondern das Minimalziel sein sollte.“

Flächendeckend erhöhtes Verkehrsaufkommen und Staus seit Sperrung

Stau, Stau, Stau: Für Pendler:innen gerade in den und aus dem ländlichen Raum heraus ist die Lage mehr als unbefriedigend. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Das Unternehmen HERE Technologies ist ein führender Anbieter von Verkehrsinformationen, die von Unternehmen der Automobilindustrie, Städten und Verkehrsbehörden auf der ganzen Welt genutzt werden.

Michael Bültmann, Deutschlandgeschäftsführer von HERE kann bei einem Vergleich vor und nach der Sperrung im Bezirk des Verkehrsverbandes Westfalen feststellen, dass es flächendeckend ein erhöhtes Verkehrsaufkommen und Staus gibt.

„Unter www.verkehrsverband-westfalen.de stellen wir eine interaktive Karte zur Verfügung, auf der die Behinderungen im Straßennetz vor und nach der Sperrung verglichen werden können, damit Interessierte sich einen eigenen Eindruck verschaffen können“, so Bültmann.

Planungsbeschleunigung durch verantwortlichen Dialog

Das größte Beschleunigungspotenzial steckt im Genehmigungsprozess. Deshalb schlägt der Verkehrsverband Westfalen eine Planungsbeschleunigung durch verantwortlichen Dialog vor. Marc Simon erläutert zu dem Vorschlag, dass die Belange der Kommunen, der Anwohner:innen, der Pendler, der Wirtschaft, des Klima- und natürlich des Artenschutzes an einen Tisch gehören würden.

Ein verantwortlicher Dialog bedeute aber auch, dass beispielsweise die Artenschützer:innen oder Anwohner:innen sich genauso wie die Wirtschaft darauf verlassen können müssen, dass Zusagen auch eingehalten werden. Deshalb ist aus Sicht des Verkehrsverbandes Westfalen die Berufung eines Bürgerbeauftragten nur ein erster Schritt.

„Wir wünschen uns aber zusätzlich einen echten Prozessbeschleuniger auf Ebene des Bundesverkehrsministeriums, der die verantwortlichen Stellen in verbindlichen Entscheidungsprozessen koordiniert und einen Brückenneubau in Rekordzeit ermöglicht,“ konkretisiert Simon die Forderung.

Planungsfehler: Anbindung des Dortmunder Hafens noch einmal überdenken

Luftaufnahme des Dortmunder Hafens aus 2013: Unterhalb der Hafenbecken ist der Autobahnzubringer OWIIIa, am oberen Rand ist im Hintergrund das IKEA-Europalager zu erkennen. Foto: Hafen AG
Luftaufnahme des Dortmunder Hafens Archivfoto: Nordstadtblogger-Redaktion

„Die Sperrung ist kein Lüdenscheider Problem, sondern Betriebe aus Dortmund, Arnsberg oder Siegen können genauso hart betroffen sein. Deshalb war es richtig, dass die Landesregierung schnell und konsequent eine Unterstützung für die Wirtschaft zur Verfügung gestellt hat. Die Dimension der wirtschaftlichen Schäden zeigt jedoch auch aus Sicht der beteiligten Industrie- und Handelskammern, dass der Neubau in Rekordzeit oberste Priorität haben müsse“, so Geruschkat.

Für die Region der IHK zu Dortmund betont IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Schreiber: „Der IHK-Bezirk Dortmund versteht sich als Logistikdrehscheibe. Mit den KV-Terminals im Dortmunder Hafen, in Bönen, Unna und bald in Hamm bieten sich Zugangspunkte zum Schienennetz, um die Transportmöglichkeiten zu erweitern.“

„Vor diesem Hintergrund erinnere ich daran, dass das einzige A-45-Teilstück das nicht ausgebaut werden soll, die Anbindung zum Dortmunder Hafen markiert. Hier fordere ich die Politik auf, diesen offensichtlichen Planungsfehler zu korrigieren.“

Weitere Infos unter: www.verkehrsverband-westfalen.de. Hier finden Sie auch eine interaktive Visualisierung der Verkehrsflüsse in der Region vor und nach der Sperrung.

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