Neonaziaufmarsch am 4. Juni: Scharfe Kritik an der „(Nicht-) Informationspolitik“ der Polizei – Antifa will blockieren

Wolfgang Weber, Ula Richter, Tobias Schmidt und Iris Berner-Leushacke stellten die Planungen vor.
Wolfgang Weber, Ula Richter, Tobias Schmidt und Iris Bernert-Leushacke stellten die Planungen vor.

Viel Kritik von Dortmunder AntifaschistInnen gibt es an der „(Nicht-) Informationspolitik“ der Dortmunder Polizei zum geplanten Neonazi-Aufmarsch – dem sogenannten „Tag der deutschen Zukunft“ (TddZ) – am 4. Juni. Das Bündnis Dortmund gegen Rechts, BlockaDO und das für den Tag formierte Bündnis „NoTddZ“ aus Kreisen vor allem der Autonomen Antifa stellen ihre Planungen vor.

Scharfe Kritik: Polizei beschneidet AnwohnerInnen in ihren Grundrechten

„Drei Bündnisse an einem Tisch – das ist nicht ganz üblich. Aber was uns da ins Haus steht, ist so bedrohlich und gefährlich, wenn die Polizei kein Verbot hinbekommt“, macht Ula Richter (Bündnis gegen Rechts) die Dramatik deutlich.

Am 4. Juni soll der sogenannte „Tag der deutschen Zukunft“ in Dortmund stattfinden.
Am 4. Juni soll der sogenannte „Tag der deutschen Zukunft“ in Dortmund stattfinden.

„Jedes demokratische Mittel des Widerstandes und des zivilen Ungehorsams müssen wir da nutzen. Wir werden Zivilcourage zeigen, was ja immer von uns als BürgerInnen gefordert wird“, so Richter. „Doch wenn wir sie zeigen, finden wir uns im Polizeikessel oder ähnlichem wieder.“

Daher fiel die Kritik an der Dortmunder Polizei sehr deutlich aus: „In anderen Städten sind Routen lange vorher bekannt. Aber hier werden dann ein Tag vorher von der Polizei Zettel an die Anwohner verteilt und die Grundrechte der Bürger beschnitten“, kritisiert Iris Bernert-Leushacke (BlockaDO).

„Ganze Stadtteile werden über Stunden dicht gemacht und die Grundrechte und die Bewegungsfreiheit der AnwohnerInnen eingeschränkt.“ Diese würden teils erst Samstag sehen, was ihnen blühe, wenn morgens um 6 Uhr die Wasserwerfer aufziehen.

Richter: „Die Abwägung der Polizei ist sehr einseitig zu Gunsten der Nazis“

Bei der Reinigungsaktion hatten die Aktiven vor allem die Nazipropaganda im Blick.
An vielen Stellen haben Neonazis ihre Propagandamittel geklebt und werben für den Aufmarsch.

„Diese Politik werden wir kritisieren und keine Gelegenheit scheuen, das Herrn Lange persönlich aufs Brot zu schmieren“, so Bernert-Leushacke.

Natürlich gebe es das Grundrecht der Demonstrationsfreiheit, das in Abwägung zu den Grundrechten der anderen Menschen stünde.  „Aber die Abwägung der Polizei ist sehr einseitig zu Gunsten der Nazis und ihrer Demonstrationsfreiheit“, ergänzt Richter.

Es gelte aber, auch die anderen Rechte zu schützen. „Für einige hundert Neonazis wird das Leben eines ganzen Stadtteils eingestellt.“

Doch nazistisches Gedankengut ließe sich nicht mit dem Versammlungsrecht legitimieren. „Dieses Recht muss ihm genommen werden. Der Polizeipräsident hat da nicht so viel Spielraum – auch wenn er ihn viel weiter nützen könnte“, sagt Richter.

Die Autonome Antifa setzt auf Verhinderung des Naziaufmarschs

Verschiedene Bündnisse wollen gegen den Naziaufmarsch auf die Straße gehen.
Verschiedene Bündnisse wollen gegen den Naziaufmarsch auf die Straße gehen.

Vor allem die Autonome Antifa will den Aufmarsch am 4. Juni nicht hinnehmen, machte Tobias Schmidt (NoTddZ) deutlich. Für dieses Bündnis ist die Marschroute klar: „Uns geht es um Verhinderung. Da muss man selbst Hand anlegen.“

Auf die Polizei und mögliche Verbote wolle und werde man sich nicht verlassen. Die Antifa würde auf jeden Fall den Neonaziaufmarsch blockieren: „Wir werden da hingehen, egal wo sie sind. Nazis sind nirgends in der Stadt tragbar“, so Schmidt.

Doch ein Neonazi-Aufmarsch durch die Nordstadt sei völlig indiskutabel: „Es kann nicht sein, dass die Nazis in einem maßgeblich von Migranten bewohnten Viertel aufmarschieren und hetzen. Gegen Menschen, die hier seit Jahren und Jahrzehnten leben, aber nicht ins rassistische Weltbild passen“, verdeutlicht Schmidt.

Denn diese Nordstädter träfe das doppelt, weil in ihren Heimatpässen häufig die Dortmunder Adresse nicht verzeichnet sei. Diese – wie auch zehntausende andere Menschen – würden dann unter Hausarrest gestellt. „Das ist ein untragbarer Zustand.“

Vielfalt der Aktivitäten an verschiedenen Orten: Vom Kinderfest bis zum Kulturfest

Stolpersteine, Erinnerung an die Ermordeten im Nationalsozialismus wurden in der Nordstadt verlegt. Stolpersteine in der Heiligegartenstraße erinnern an die Familie Turteltaub
Touren zu Stolpersteinen sind geplant – so sollen diese Gedenkorte vor dem Naziaufmarsch geschützt worden.

Durch das Zurückhalten von Informationen trage die Polizei zur Eskalation bei. Und sie sorge dafür, dass nun stadtweit Aktvitäten entstanden seien, den Nazis die Räume streitig zu machen.

„Veranstaltungen, Demos, Gedenkveranstaltungen, Begehungen, Kinderfeste und vieles mehr. Damit wird deutlich, dass Dortmund nicht die Stadt der Nazis ist“, betonte Ursula Richter.

Die Bündnisse haben mehrere Aktionen angemeldet. Das Bündnis gegen Rechts mit anderen Gruppen eine große Aktion rund um den Borsigplatz.

Michael Weber berichtet, dass das Bündnis gegen Rechts einen Stolperstein-Rundgang im Quartier machen wird und am Borsigplatz zu einer Veranstaltung aufrufen, wo es viel Kabarett und Musik geben wird. So wird unter anderem das polizeikritische Ensemble „Mein Einsatzleiter“ auftreten.

„BlockaDO“ hat den kleinen Münsterplatz an der Kreuzung von Mallinckrodt- und Münsterstraße als zentralen Ort auserkoren. Aber auch vor dem ehemaligen Ladenlokal des NSU-Opfers Mehmet Kubasik hat man angemeldet.

„Im Jahr 2011, als es nicht bekannt war, sind die Neonazis direkt am Tatort vorbeigelaufen. Das wird es dieses Mal nicht geben“, kündigte Bernert-Leushacke an. „Dort wird es eine dem Ort angemessene Veranstaltung geben, an der sich mehrere Gruppen beteiligen werden.“

Insgesamt sind stadtweit schon mehr als 30 neuralgische Plätze von demokratischen Organisationen belegt worden, um den Nazis die Räume eng zu machen. Auch das Schauspielhaus setzt mit einer geplanten „Spiegelbarrikade“, unterstützt von 14 Dortmunder Schulen, neue Akzente.

Bernert-Leushacke: Blockade als legitimes Mittel des Protests

Doch für die Aktivisten von „NoTddZ“ und „BlockaDO“ ist klar, dass sie jeden Fall dahin gehen werden, wo die Nazis marschieren wollten: „Unsere Mobilisierung ist gut angelaufen. Unsere Blockaden sind Menschenblockaden. Wir werden dahingehen, wo Nazis sind, und versuchen, diesen Aufmarsch unmöglich zu machen“, so Bernert-Leushacke. „Blockaden sind legitime Mittel des Protests. Den werden wir erfolgreich auf die Straße bringen.“

Zahlreiche Proteste von BlockaDO gab es gegen den Neonazi-Aufmarsch in Westerfilde.
BlockaDO wirbt bundesweit für Unterstützung, um die Neonazis zu stoppen.

Das Bündnis „NoTddZ“ hat bundesweit zur Teilnahme nach Dortmund getrommelt und zur Teilnahme an der Aktion von BlockaDO aufgerufen.

Dort gelte allerdings, sich an dessen Spielregeln zu halten. „Wir freuen uns auf Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet, die gemeinsam mit uns blockieren und den Nazis den Tag versauen.“

Wer sich anderswo den Nazis in den Weg stellen wolle, müsse dann selbst die gewählten Mittel verantworten. Doch Schmidt, Vertreter der Autonomen Antifa, ist klar, dass der Aufruf seiner Gruppe „NoTddZ“ eine Kampfansage an die Polizei ist – auch Gewalt wird dort explizit nicht ausgeschlossen.

Den „Schwarzen Peter“ schiebt die Autonome Antifa der Polizei zu: „Wir haben nicht vor, Dortmund anzuzünden. Aber wenn wir gewalttätig von der Polizei angegangen werden – das werden wir uns nicht gefallen lassen“, so Schmidt.

„Das ist keine Kriegserklärung, aber eine Kampfansage an die Polizei“

„BlockaDO“-Plakat in der Nordstadt.
„BlockaDO“-Plakat in der Nordstadt.

„Wenn der Polizeipräsident Proteste ermöglicht, wird das für die Polizei ein entspannter Tag. Aber wir lassen uns Polizeigewalt nicht gefallen, dann spielen wir den Ball zurück“, so der „NoTddZ“-Vertreter weiter.

Auf die Frage, ob dies eine Kriegserklärung an die Polizei sei, gab es eine vieldeutige Antwort: „Keine Kriegserklärung, aber eine Kampfansage“, so Schmidt.

Ula Richter vom Bündnis gegen Rechts war demgegenüber bemüht, den Blick auf das eigentliche Problem zu richten: „ Aggressiv und gefährlich sind vor allem die Nazis“, so Richter.

Ziviler Ungehorsam ja, auch mit Blockaden. „Aber gewaltfrei“, betonte die Antifaschistin und warnte davor, „gleich den Teufel an die Wand zu malen“ und eine Gewaltdebatte heraufzubeschwören. „Das ist kontraproduktiv. Der Feind steht rechts!“

Die Polizei habe es in der Hand, deeskalierend zu wirken, wenngleich die Geheimhaltungsstrategie das Gegenteil bewirke. Sie warb allerdings für die unterschiedlichen Beteiligungsformen. „Jede Aktion ist richtig und wichtig. Wir werden die Blockaden nicht gegen andere Veranstaltungen ausspielen“, so Richter.

Konsens: Kein gegenseitiges Ausspielen der unterschiedlichen Aktionsformen

„NoTddZ“-Plakat in der Nordstadt.
„NoTddZ“-Plakat in der Nordstadt.

Dabei gibt es Konsens bei den drei Bündnissen. Und ihre punktuelle Zusammenarbeit sei auch kein Affront gegen das Bündnis „Dortmund Nazifrei“ oder den Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus. Man habe nicht geschafft, sich da abzustimmen.

„Es wird am 4. Juni sehr deutliche und vielfältige Aktionen geben. Ich gehe insgesamt von mehreren tausend Menschen aus, die sich den unterschiedlichen Protestveranstaltungen anschließen“, gibt Tobias Schmidt einen Ausblick.

In Unna wurde jüngst die AfD gestoppt, weil sich 150 Menschen in den Weg stellten. „Wenn die Polizei erklären würde, dass sie friedliche Blockaden nicht räumt, wäre viel gewonnen. Das ist ein Angebot an die Polizei“, so Schmidt.

„In anderen Städten läuft das mitunter sehr gut. Dort werden Demos gestoppt. Demgegenüber steht Dortmund, wo die Polizei die Aufmärsche durchsetzt, mit allen Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen“, so der Vertreter der Autonomen Antifa. Die Polizei habe es also in der Hand, wie sie sich der Aufgabe stelle.

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Reaktionen

  1. Nordstadtblogger-Redaktion

    Liebe Kommentar-SchreiberInnen,

    wir würden euch ja gerne erklären, warum wir einen Kommentar NICHT online stellen. Aber dann müsstet ihr uns eine Rückantwortmöglichkeit geben. Daher gilt leider das Motto: Keine E-Mail, keine Antwort.

    Eure Nordstadtblogger

  2. BV-Innenstadt-Nord

    Die Bezirksvertretung Nordstadt lehnt es ab, dass die für den 04.06.2016 angekündige Demonstration der Nazis stattfindet. Noch mehr lehnen wir es ab, dass die Demonstration in der Nordstadt stattfinden soll.

    Wir sehen die Nazis und deren Ziele nicht nur als direkte Bedrohung für die in der Nordstadt lebenden Menschen sondern auch als Bedrohung für unsere Demokratie.

    Aufgrund des besonderen Charakters der Nordstadt als Integrationsmotor Dortmunds und dem hohen Anteil von Menschen mit Wurzeln in vielen Kulturen, die wir direkt und indirekt durch die Nazis und deren Aufmarsch bedroht sehen, fordern wir die Polizei dazu auf alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um einen Demonstrationszug von Nazis durch die Nordstadt zu verhindern.

    Zugleich bitten wir die Bewohner der Nordstadt im Rahmen des Rechts am 04.06.2016 an den friedlichen Gegenkundgebungen teilzunehmen und so ein Zeichen dafür zu setzen, dass die Nordstadt keine Nazis will und ein weltoffener, demokratischer und friedlicher Stadtteil war ist und bleiben wird.

  3. Bündnis NoTddZ

    Der antifaschistische Arbeitskreis NoTddZ lädt zu zwei Informationsveranstaltungen ein.

    Am 30. Mai um 19 Uhr in der Kneipe „Nordpol“, Münsterstr. 99 (Nordstadt) und am 31. Mai um 19 Uhr im Buchladen „Taranta Babu“, Humboldtstr. 44 (Klinikviertel) haben Interessierte die Möglichkeit, sich über die geplanten Aktionen gegen den Naziaufmarsch zu informieren.

    Neben einem Vortrag zum Aufmarsch wird ein Vertreter der Roten Hilfe Bochum-Dortmund Fragen zur Teilnahme an Demonstrationen und Blockaden erläutern.

    Menschen, die Mitglied in einer rechten Partei/Gruppierung oder in der Vergangenheit mit rassistischen und neonazistischen Äußerungen aufgefallen sind, haben keinen Zutritt zu den Veranstaltungen.

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