Lautstarker Protest gegen Neonaziaufmarsch – Landtagsabgeordnete durch Rechtsextremen verletzt

Protest gegen den Neonaziaufmarsch
In Hör- und Rufweite des Neonaziaufmarschs konnten die friedlichen Gegendemonstranten protestieren. Foto: Alex Völkel

400 Neonazis und deutlich mehr Gegendemonstranten waren am Samstag auf den Dortmunder Straßen unterwegs. Die Stadtgesellschaft sendete dabei ein deutlich sicht- und hörbares Zeichen, dass sie rechtsextreme Parolen und Aufmärsche ablehnt. Dies konnte sie erstmals wieder in Hör- und Rufweite der Neonazis tun. Das Konzept, die friedlichen Demonstranten an die Aufmarsch-Route heranzuführen, hat funktioniert.

„Dortmunder Modell“ funktioniert wieder

Neonaziaufmarsch in Dortmund
Rund 400 Teilnehmer kamen zum Neonaziaufmarsch in Dortmund. Foto: Alex Völkel

„Unsere Demonstrationsstrategie ist aufgegangen“, freut sich Pfarrer Friedrich Stiller. Gemeinsam mit DGB-Chefin Jutta Reiter ist Stiller Sprecher des Dortmunder Arbeitskreises gegen Rechtsextremismus. „Wir konnten dafür bürgen, dass wir gewaltfrei demonstrieren.“ So habe man den Protest auch den Neonazis deutlich machen können – die Demonstrations-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer konnten bis auf 25 Meter an den Ort der Auftaktkundgebung der Partei „Die Rechte“ im Gerichtsviertel heran.

Damit knüpft man unter Polizeipräsident Norbert Wesseler an das frühere Dortmunder Modell an. In den vergangenen Jahren hatte sein Vorgänger Hans Schulze versucht, die verschiedenen Fraktionen möglichst weiträumig voneinander zu trennen. Dies führte jedes Mal zu massiven Protesten. Die Leidtragenden waren oft die Polizeibeamte vor Ort: Statt an den Neonazis, reagierten sich die Gegendemonstranten daher oft an den Beamten ab.

Behinderungen für Anwohner, Geschäftsleute und Kunden

Protest gegen den Neonaziaufmarsch
In der südöstlichen Innenstadt kam es durch die Absperrungen zu erheblichen Behinderungen.

Allerdings führte der Aufmarsch und die Gegendemonstrationen erneut teils zu massiven Behinderungen in der Innenstadt. Es gab durch die teilweise spontanen Straßensperrungen zu Staus. Auch der ÖPNV von der Stadtmitte Richtung Brackel kam zeitweise zum Erliegen. Wenig begeistert waren auch die Einzelhändler: „Es ist kein guter Tag für die Stadt“, sagte Axel Schröder, Sprecher des Cityrings. Er kritisierte die Beeinträchtigungen, nur „weil einige Verwirrte demonstrieren.“ Allerdings fand er es gut, dass die Stadtgesellschaft ein klares Zeichen gegen Rechtsextremismus setze. Seine Familie sei in der Nazizeit selbst verfolgt gewesen, weil sie sich gegen die Nazirepressionen engagiert habe.

Gegendemonstranten versuchten Absperrungen zu überwinden

Trotz der neuen Demostrategie gab es auch dieses Mal wieder ein „Katz-und-Maus-Spiel“ zwischen Polizei und teilweise gewaltbereiten Gegendemonstranten. Sie versuchten, die Absperrungen an verschiedenen Stellen zu überwinden und zur Demoroute vorzustoßen.  In zwei Fällen gingen gewaltbereite Linksautonome gegen die an den Absperrungen eingesetzten Beamten vor. Dadurch wurde die Polizei gezwungen, Pfefferspray und den Schlagstock einzusetzen. Die Polizei erteilte dutzende Platzverweise, einige Autonome kamen ins Polizeigewahrsam, weil sie sich zur Wehr setzten oder Beamte attackierten.

Neonazi verletzt mit einem Böller fünf Menschen

Neonaziaufmarsch in Dortmund
Aufmarsch-Anmelder Dennis Giemsch fordert, die Verbote der Neonazi-Organisationen aufzuheben.

Aber auch auf Seiten der Rechten kam es zu einigen Auseinandersetzungen. Gegen Ende des Aufmarschs eskalierte die Lage, als aus Reihen der Neonazis Böller auf Gegendemonstranten flogen. Fünf Menschen wurden verletzt – darunter auch eine Landtagsabgeordnete der Piraten und ein Polizist. „Die Tatsache, dass die Rechtsextremisten für Gewalt und Verletzte verantwortlich sind, entspricht nicht den Erwartungen an eine demokratische Partei“, so Polizeipräsident Norbert Wesseler. Der rechte Gewalttäter hatte aus dem Schutz der Versammlung heraus auf kritische Meinungsäußerungen mit Böllerwürfen reagiert. Gegen ihn wird u.a. wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung ermittelt. Die Einsatzkräfte zeigten sich insgesamt besonnen und ließen auch friedliche Gegendemonstranten in Rufweite von Neonazis gewähren.

„Ein arbeitsreicher Tag für die Polizei geht zu Ende. Das polizeiliche Gesamtkonzept ist aufgegangen. Mit den wenigen Störungen sind wir souverän umgegangen und hatten die Lage jederzeit im Griff“, erklärte der Einsatzleiter der Dortmunder Polizei, Leitender Polizeidirektor Dieter Keil. „Das es zu Verletzungen gekommen ist bedauere ich sehr“, so Dieter Keil weiter.

Demokraten fordern ein Verbot der Partei „Die Rechte“

Aller Orten gab es scharfe Kritik, dass die Neonazis der im vergangenen Jahr verbotenen Organisationen nun in der Partei „Die Rechte“ untergeschlüpft seien. „Es ist wie eine Hydra, die wieder aufersteht“, so Stiller. Alle Redner forderten daher ein Verbot dieser Partei, dass ihre Mitglieder den Parteienstatus für ihre Hetze missbrauchten. Die heutige Demonstration hatte der Landesverband der Partei „Die Rechte“ angemeldet. Es könnte nicht die einzige Demo bleiben. Für die kommende Woche hat der Bundesverband eine Demo angekündigt.

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Reaktionen

  1. nordstadtblogger

    Weiterer Naziaufmarsch in der westlichen Innenstadt

    Das Demogeschehen geht wie befürchtet weiter: Am Samstag, 6. September, hat die Partei „Die Rechte“ erneut eine Demo angemeldet. Der Auftakt der Neonazi-Demo ist um 12 Uhr am Hauptbahnhof, das Ende gegen 18 Uhr am Sonnenplatz im Kreuzviertel. Die Route führt über Brinkhoffstraße, Königswall, Westentor, Rheinische Straße und Möllerstraße zur Möllerbrücke. Ursprünglich wollten die Nazis über Ruhrallee, Markgrafenstraße, Hohe Straße und den Wall ziehen, was die Polizei jedoch abblocken konnte. Nun muss an den Stationen Hauptbahnhof, Westentor und Möllerbrücke mit Behinderungen gerechnet werden.

  2. nordstadtblogger

    OB Sierau ruft zu gewaltfreien Aktionen gegen Rechts auf

    Oberbürgermeister Ullrich Sierau zum geplanten Aufmarsch der Rechtsextremen am morgigen Samstag:
    „Auch der Nachklapp der Rechtsextremen, nach der schwach besuchten Demonstration am letzten Samstag an diesem Samstag noch einmal in Dortmund aufzumarschieren, wird nicht von Erfolg gekrönt sein. Die erneute Demonstration zeugt von der konzeptionellen Hilflosigkeit der Rechtsextremen.
    Die demokratische Stadtgesellschaft ist auf den Aufmarsch der Nazis gut vorbereitet. So findet auf dem Huckarder Marktplatz eine Protestkundgebung statt, rund um am Körner Hellweg/Berliner Straße zeigt sich die „Oststadt in Harmonie“, und auf dem Vinckeplatz wird das traditionelle Friedensfest „Offen und bunt“ gefeiert.
    Ich wünsche allen Veranstaltungen gegen Rechts eine rege Beteiligung und gutes Gelingen. Gleichzeitig fordere ich alle zu absoluter Gewaltfreiheit bei ihren Protesten auf.
    Die demokratische Öffentlichkeit fordere ich auf, sich von ihrem Alltagsleben – beispielsweise einem Besuch in der City – nicht abbringen zu lassen, auch nicht durch eventuell mit der Rechtsextremen-Demo einhergehenden Beeinträchtigungen. Denn: Dortmund gehört uns.“
    Oberbürgermeister Ullrich Sierau wird im Laufe des morgigen Tages die Aktionen gegen Rechts besuchen.

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