Jahresbericht der Verbraucherzentrale NRW: Schwerpunkt der Arbeit in Dortmund liegt im digitalen Verbraucheralltag

Helen Schulte-Bories und Kerstin Ramsauer stellen sich den neuen Herausforderungen. Foto: Sascha Fijneman
Helene Schulte-Bories und Kerstin Ramsauer stellen sich den neuen Herausforderungen. Foto: Sascha Fijneman

Von Sascha Fijneman

Die Verbraucherzentrale NRW hatte auch im vergangenen Jahr 2017 wieder alle Hände voll zu tun. Insgesamt rund 20.000 Menschen wendeten sich mit ihren Problemen hilfesuchend an die MitarbeiterInnen der Beratungsstelle Dortmund. Neben den Klassikern im Repertoire der Verbraucherirritationen wie unseriöse Türgeschäfte oder überhöhte Mobilfunkrechnungen, häufen sich immer mehr Fälle aus dem Bereich des digitalen Verbraucheralltags. Denn wo automatisierte Kaufprozesse und Zahlungsvorgänge per Mausklick die Begehrlichkeiten der KonsumentInnen wecken, ist genug Raum für zwielichtige Tücken und Stolperfallen. Und selbst die Verbraucherzentrale ist davor nicht gefeit.

Die Arbeit der Verbraucherzentrale deckt sieben verschiedene Konsumbereiche ab

Die Probleme der VerbraucherInnen manifestieren sich in Zahlen. Grafik: VZ Jahresbericht
Die Probleme der VerbraucherInnen manifestieren sich in Zahlen. Grafik: VZ DO

„Unsere Arbeit ist vielfältig und spielt sich grundlegend in sieben verschiedenen Lebenswelten ab“, so Helene Schulte-Bories. Wohnen, Gesundheit, Finanzen, Freizeit, Energie, Medien und Umwelt seien die oberbegrifflichen Schwerpunkte, die von der Verbraucherzentrale abgedeckt werden. In den letzten Jahren beobachtet die Leiterin der Beratungsstelle in Dortmund in Folge des technischen Fortschrittes eine Verschiebung der Fallhäufigkeit in die digitale Welt.

Der Jahresbericht der Verbraucherzentrale für das Jahr 2017 fällt dementsprechend vielfältig aus. Von den insgesamt rund 20.000 Anfragen entfallen zwei Drittel auf die allgemeine Verbraucherberatung. 561 Fälle sind der Umweltberatung zuzuordnen und das letzte Drittel der Schuldner- und Insolvenzberatung. 

Mit 49 Prozent waren die Finanzen das Hauptproblem der Verbraucher und Verbraucherinnen, gefolgt von Problemen, die mit Telefonieverträgen verbunden waren. Überteuerte Dienstleistungsrechnungen und ähnliches wurden für zwölf Prozent zur Kostenfalle. Der Rest befasste sich mit der Führung eines ausgewogenen Energiehaushaltes und dem Erwerb von Konsumgütern.

Einen Termin zur Rechtsberatung gibt es in der Regel innerhalb von ein bis zwei Wochen

So verteilten sich die Rechtsberatungen auf die unterschiedlichen Schwerpunktthemen der Beratungsstelle Dortmund. Grafik: VZ Jahresbericht
So verteilten sich die Rechtsberatungen auf die unterschiedlichen Schwerpunktthemen der Beratungsstelle Dortmund. Grafik: VZ Jahresbericht 2017

„Es ist uns ein Anliegen, allen BürgerInnen schnellen Zugang zu ihrem Recht zu ermöglichen. In der Regel schaffen wir es, Betroffenen innerhalb von ein bis zwei Wochen einen Termin zur Rechtsberatung anzubieten“, so Schulte-Bories. 2017 kam es zu insgesamt 2.867 Rechtsberatungen und Vertretungen. Auch hier ist die Verschiebung in die digitale Welt offenkundig. Denn 44 Prozent der Fälle bezogen sich auf Unstimmigkeiten bezüglich des Telefonie- und/oder Internetvertrages.

Die MitarbeiterInnen der Rechtsberatung sind hierfür juristisch ausgebildet worden. Sollte ein Fall jedoch ihre Kapazitäten überschreiten, wird mit hauptberuflichen RechtsanwältInnen kooperiert. So vereint die Verbraucherzentrale geballte Kompetenz unter einem Dach.

Für Schulte-Bories und ihre KollegInnen ist es enorm wichtig, neben der Beratungsarbeit vor allem vorbeugende Aufklärung zu betreiben. Aus diesem Grund bietet die Verbraucher-zentrale auch immer wieder verschiedene Bildungsprojekte und Workshops an und ist auf öffentlichen  Veranstaltungen vertreten, um die Menschen bezüglich ihres oftmals unbekümmerten Konsumverhaltens zu informieren. 2017 gab es über 115 Veranstaltungen dieser Art.

Projekt „Get in“ bringt Flüchtlingen das nachhaltige Wirtschaften näher

Das Projekt "Get in" konnte 2017 als voller Erfolg verbucht werden. Foto: VZ Jahresbericht
Das Projekt „Get in“ konnte 2017 als voller Erfolg verbucht werden. Foto: VZ DO

Eines dieser Programme ist das Projekt „Get in“. Mit seiner Hilfe sollen Flüchtlinge fit für den hiesigen Konsumalltag gemacht werden. Viele von Ihnen haben ihre wertvollsten persönlichen Daten und Dokumente auf Smartphones gesichert. Auf der Flucht ist Gepäck nur hinderlich und Schriftstücke können verloren gehen oder zerstört werden. 

Wer macht sich in der Not schon Gedanken darum, ob sich ein Handyvertrag bei Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Kündigungsfrist automatisch verlängert oder dass in Deutschland nur Stromabschläge gezahlt werden und man eine Jahresendabrechnung bekommt?

Die Verbraucherzentrale berät die Betroffenen hinsichtlich der Abschlüsse neuer Handyverträge, klärt auf, was bei dem Bezug einer neuen Wohnung zu berücksichtigen ist und unterstützt in behördlichen und bürokratischen Fragen. Es geht Schulte-Bories und ihren Kolleginnen darum, das Kind gar nicht erst in den Brunnen fallen zu lassen, sondern rechtzeitig Aufklärung zu betreiben. 

Auch ganz alltägliche, für uns selbstverständliche Dinge wie Mülltrennung, Energieeffizienz und nachhaltiges Konsumverhalten, sind den zugezogenen Menschen oft zunächst fremd. „Wir möchten ihnen beibringen, wie sie mit dem, was sie haben, sinnvoll wirtschaften und wie sie ihre Potentiale ökonomisch nutzen können.“ Die Bildungstrainerin der Verbraucherzentrale vermittelte so im Jahr 2017 in 26 Trainingseinheiten Wissenswertes über das kleine Einmaleins bei Handyverträgen, den Bezug der ersten Wohnung oder Geldgeschäfte im Allgemeinen.

Vorsicht vor Haustürgeschäften und Briefsendungen ist weiterhin geboten

Je früher VerbraucherInnen aufgeklärt werden, desto nachhaltiger das ökologische und ökonomische Bewusstsein. Foto: VZ Jahresbericht 2017
Je früher VerbraucherInnen aufgeklärt werden, desto nachhaltiger ist das ökologische und ökonomische Bewusstsein. Foto: VZ DO

Außerdem gibt es verschiedene Präventions- und Informationsprojekte für Kinder und Jugendliche, denn konsumieren will gelernt sein. Die Roboterfigur Otto Rob bringt Kindern an Grundschulen auf spielerische Art und Weise Wissenswertes über Mülltrennung und erneuerbare Energien bei. So soll Prophylaxe und nicht immer nur Nachsorge betrieben werden.

Gerade diese Zielgruppe wird oft Opfer von Smartphone-Spiele-Apps, die mit Zukäufen locken, um den Spielspaß zu beschleunigen und zu steigern. Hierbei sind die anfallenden Kosten oft nicht transparent auf den ersten Blick nachzuvollziehen. 

Dass an jeder Ecke Gefahren lauern, sowohl in der digitalen als auch in der real existierenden Welt, beweist ein Fall, von dem Schulte-Bories empört berichtet. „In Dortmund ist ein Finanz- und Versicherungsmakler unterwegs, der vorgibt im Auftrag der Verbraucherzentrale mit privaten Haushalten Gespräche etwa zur Sicherheit bei Einbruch zu führen.“

Die Verbraucherzentrale NRW erhielt aktuell mehrere Einwurfschreiben, in denen der vorgebliche Berater zu einem kurzfristig genannten Termin seine Gesprächsbereitschaft zum Thema Sicherheit ankündigt. Im gleichen Atemzug behauptet er: „Die Verbraucherzentrale sieht vor, dass ich mit Ihnen über das Thema Sicherheit spreche.“

Besonders ältere Menschen sind oft Opfer der klassischen Betrugsmaschen

Öffentlichkeitsarbeit ist für die Beratungsstelle extrem wichtig. Grafik: VZ Jahresbericht 2017
Öffentlichkeitsarbeit ist für die Beratungsstelle extrem wichtig. Grafik: VZ Jahresbericht 2017

Die Verbraucherzentrale NRW stellt klar, dass in ihrem Auftrag niemand auf Kundenfang geschickt werde. „Wir schreiben niemanden ungebeten an und geben auch keine festen Termine vor, um mit Privatleuten ein Gespräch über präventiven Sicherheits- und Einbruchschutz zu führen.“ Mittlerweile hat sich der Sachverhalt geklärt und der benannte Finanzberater hat sich für die unlautere Namensnutzung der Verbraucherzentrale entschuldigt.

Neben den Beratungsangeboten 4.0 sind also die Klassiker der Abzocke weiterhin großer Bestandteil der Arbeit der Verbraucherzentrale. Undurchsichtige Rechnungen, satte Zuschläge, überteuerte Preise, Überrumpelungsstrategien, Kostentreiberei von Inkasso-Unternehmen und vieles mehr sind altbekannte Tätigkeits- und Problemfelder der Verbraucherzentrale, die auch im vergangenen Jahr einen Großteil der Arbeit ausmachten. 

Die Umstellung von analogem auf digitalen Fernsehempfang beispielsweise hat dazu geführt, dass gerade bei älteren Menschen die technische Unbedarftheit betrügerisch ausgenutzt wird. So wird das Gespenst des schwarzen Bildschirms heraufbeschworen, schließe man nicht umgehend einen neuen Vertrag ab. Hier klärt die Verbraucherzentrale die Betroffenen gerne darüber auf, dass für den Empfang des digitalen Fernsehens lediglich der Erwerb eines neuen HD-fähigen Receivers notwendig ist.

Ping-Anrufe sollen zu Rückrufen animieren, die enorme Folgekosten nach sich ziehen

Wohnen im Alter
SeniorInnen sind oft Opfer von telefonischen Betrugsversuchen. Archivfoto: Klaus Hartmann

Eine weitere Betrugsvariante, die vor allem auf SeniorInnen abzielt und im letzten Jahr vermehrt aufgefallen ist, sind die sogenannten Ping-Anrufe, bei denen durch kurzes Klingelnlassen Rückrufe provoziert werden sollen. Auf dem Display erscheinen dann Vorwahlnummern, die absichtlich täuschen sollen und bei oberflächlicher Betrachtung wie lokale Vorwahlnummern aussehen.

Es ist auf den ersten Blick beispielsweise sehr schwer zwischen der Vorwahl von Dortmund 0231 und der von Liberia 00231 zu unterscheiden. Bei unbedachtem schnellem Rückruf wurde nun versucht, die Betroffenen durch Bandansagen möglichst lange in der Leitung zu halten. Hier hilft die Rechtsberatung den Opfern, den Betrug aufzudecken und schützt sie vor den horrenden Telefongebühren. 

Neben der rechtlichen Unterstützung in finanziellen Angelegenheiten, der vorbeugenden informativen und aufklärerischen Tätigkeit, geht es der Verbraucherzentrale NRW darum, nachhaltiges Konsumverhalten bei den Verbrauchern zu fördern. 2017 brachte man den BürgerInnen unter dem Motto „Dreh auf und spar“ den bewussteren Wasserverbrauch beim alltäglichen Duschen näher. Hierdurch kann nicht nur Geld gespart werden. Es kommt auch der Umwelt zugute.

Neben der finanziellen Rechtsberatung wird ökologische Nachhaltigkeit groß geschrieben

Projekte wie „Dreh auf und spar" sollen das ökologische Bewusstsein sensibilisieren. Foto: VZ Jahresbericht 2017
Projekte wie „Dreh auf und spar“ sollen das ökologische Bewusstsein sensibilisieren. Foto: VZ DO

Kerstin Ramsauer ist die neue Umweltberaterin der Beratungsstelle Dortmund. Für die langjährige Mitarbeiterin der Verbraucherzentrale ist es wichtig, zu zeigen und zu kommunizieren, was der oder die Einzelne tun kann, um zum einen zu sparen und zum anderen die Umwelt zu schonen. Aber auch Politik und Wirtschaft will sie in die Verantwortung nehmen.

„Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft. Jede/r BürgerIn produziert 11 Kilogramm Textilmüll pro Jahr. Die Herstellung einer Jeans verbraucht 70 Badewannen voll Wasser. Diese Dimensionen müssen den Leuten bewusst gemacht werden, um nachhaltig mit den Ressourcen umgehen zu können“, so Ramsauer. 

„Eine Bohrmaschine läuft in einem Privathaushalt im Durchschnitt ganze 13 Minuten am Stück, bevor sie entweder defekt ist oder durch ein neues Gerät ausgetauscht wird. Hier sind Ideen wie das Ausleihen solcher Geräte anstatt der Erwerb sicherlich ökonomisch und ökologisch mehr als sinnvoll.“ 

Kerstin Ramsauer arbeitet für ein Umdenken in der Gesellschaft zugunsten der Umwelt

Helene Schulte-Bories und ihr Team der Beratungsstelle Dortmund. Foto: VZ Jahresbericht 2017
Helene Schulte-Bories und ihr Team der Beratungsstelle Dortmund. Foto: VZ DO

Auch Ramsauer setzt voll auf vorbeugende Aufklärungsarbeit. So wird sie für Samstag, den 9. Juni 2018, dem Stadtsauberkeitstag, eine Plakatausstellung zum Thema „Wilder Müll“ vorbereiten, mit der sie unter anderem über die augenscheinliche und aktuelle Problematik der Coffee-to-go-Becher und mögliche Alternativlösungen informieren will. 

Im Herbst ist eine Ausstellung unter dem Motto „Einfach machen“ geplant. Wie kann der oder die Einzelne seinen Plastikmüll mindern? Wie schaff ich es, meinen Energieverbrauch zu reduzieren? Was sind nachhaltige Materialien? Wie entsorge ich meinen Müll möglichst ökologisch? Auf all diese Fragen möchte Ramsauer dann Antworten bieten und hofft so, die im Verhalten der Massen  verankerte Wegwerfmentalität zu überwinden und ein sensibilisiertes Bewusstsein für die eigene Umwelt zu schaffen.

Außerdem bietet die Verbraucherzentrale NRW aus gegebenem Anlass Hilfestellung im Umgang mit der neuen Datenschutzgrundverordnung für Verbraucher und zeigt Möglichkeiten auf wie man seinen digitalen Nachlass sinnvoll verwalten kann. Denn wir alle hinterlassen Spuren unserer Aktivitäten im World Wide Web. Soziale Netzwerke, Suchmaschinenfilter, Anmeldedaten, Profile und vieles mehr geben Aufschluss über Person und Vorlieben und können auch nach dem Versterben noch für unlautere Machenschaften genutzt und zweckentfremdet werden.

Daher macht es Sinn sich möglichst früh mit diesem Thema auseinanderzusetzen und sich gut zu überlegen, was man im Internet alles von sich preisgibt. Denn heutzutage sind personenbezogene Daten zur Optimierung von Akquise- und Verkaufsstrategien oft mehr wert als bares Geld.

Auf Helene Schulte-Bories, Kerstin Ramsauer und ihre KollegInnen wartet also ein ereignisreiches Jahr. Engagiert und beherzt gehen sie gemeinsam im Sinne der VerbraucherInnen die neuen Herausforderungen an, die die fortschreitende Digitalisierung mit sich bringt und kämpfen auch 2018 weiterhin gegen Bauernfängerei, Abzocke und Betrug.

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