Innenminister verbietet Neonazi-Gruppe „Combat 18“ – Hausdurchsuchungen in NRW – Verfahren am Landgericht

Auch beim in Dortmund sehr präsenten Neonazi Robin S. gab es eine Hausdurchsuchung. Archivbilder: Alex Völkel
Auch beim in Dortmund sehr präsenten Neonazi Robin S. gab es eine Hausdurchsuchung. Archivbilder: Alex Völkel

Am heutigen Donnerstag (23.01.2020) fanden in den frühen Morgenstunden in sechs Bundesländern Hausdruchsuchungen bei bekannten Anhängern der militanten neonazistischen Organisation „Combat 18“ (kurz C18) statt. Vorausgegangen war ein Verbot der Gruppierung von Bundesinnenminister Horst Seehofer: „Rechtsextremismus und Antisemitismus haben in unserer Gesellschaft keinen Platz“, so der Sprecher des BMI auf Twitter.

Führender Combat18-Aktivist ist regelmäßiger Gast der Dortmunder Neonazis

Robin S. (re.) mit dem Bundesvorsitzenden der Neonazi-Partei „Die Rechte“, Sven Skoda, bei einer Kundgebung in der Nordstadt.
Robin S. (re.) mit dem Bundesvorsitzenden der Neonazi-Partei „Die Rechte“, Sven Skoda, in der Nordstadt.

Das Bundesinnenministerium führt zur Begründung des Verbots an, dass „Combat 18“ rassistisch, antisemitisch und fremdenfeindlich ausgerichtet und „mit dem Nationalsozialismus wesensverwandt“ sei. „Combat“ steht für Kampfgruppe und „18“ für AH – Adolf Hitler.

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Auch in Castrop-Rauxel durchsuchten heute morgen Beamt*innen eine Wohnung. Hierbei soll es sich um die Wohnanschrift von Robin S. handeln, welcher vor allem durch seine Brieffreundschaft zum verurteilten NSU-Mitglied Beate Zschäpe bundesweit Bekanntheit erlangte.

S. tauchte in der Vergangenheit immer wieder auf verschiedenen Demonstrationen vor allem der Partei „Die Rechte“ in Dortmund auf. Dabei stellte er seine Mitgliedschaft zur Terrorgruppierung „C18“ offen zur Schau und präsentierte jeweils aktuelle Club-Bekleidung.

Rechtsstreit eines Neonazi-Sängers gegen BILD-Zeitung geht in die nächste Runde

Klägeranwalt Dr. Björn Clemens und Kläger Marco G. hielten die Prozessvorbereitung der BILD-Zeitung für eine Zumutung.
Anwalt Dr. Björn Clemens und Kläger Marco G. hielten die Prozessvorbereitung der BILD für eine Zumutung.

Das Thema „Combat 18“ beschäftigt im Februar auch wieder das Landgericht in Dortmund. Dann wird das Hauptsacheverfahren im Rechtsstreit von „Oidoxie“-Sänger Marco G. gegen den Springer-Verlag und sein Flaggschiff „BILD“ geführt.

Im vergangenen Jahr hat der Verlag Axel Springer SE eine mächtige Klatsche kassiert: das Landgericht Dortmund gab der einstweiligen Verfügung von Marco G. recht. Dieser hatte auf Unterlassung geklagt, weil die Boulevard-Zeitung behauptet hatte, er sei Mitglied und Führungskader der rechtsterroristisch eingestuften Neonazi-Organisation „Combat 18“. 

Bis zu einem potenziellen Hauptsache-Verfahren darf die BILD-Zeitung diese Behauptung nicht wiederholen – sonst drohen ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro oder Haftstrafe für die Geschäftsführer, sollte das Geld bei Zuwiderhandlung nicht aufzubringen sein. Im Hauptsacheverfahren wird das Thema nun neu aufgerollt. 

Es bleibt abzuwarten, ob die juristische Vertretung des Verlags besser vorbereitet in das Verfahren geht als beim ersten Mal. Dabei geht es auch wieder um eine weitere Behauptung, gegen die der Dortmunder Neonazi vorgegangen ist. Marco G. wehrt sich auch gegen die Darstellung, dass die „Oidoxie Streetfighting Crew“ eine „Combat 18-Zelle“ sei, die er mitbegründet habe.

Bewaffneter Arm des rechtsextremistischen Netzwerks „Blood and Honor“

Der Brite William „The Beast" Browning ist Gründer und Anführer von „Combat 18“ - hier auf einer Demo in Dortmund am 08.10.2016.
Der Brite William „The Beast“ Browning ist Gründer und Anführer von „Combat 18“ – hier auf einer Demo in Dortmund am 8. Oktober 2016.

„Combat 18“ ist aus dem internationalen rechtsextremistischen Netzwerk „Blood and Honour“ (Blut und Ehre) hervorgegangen und gilt als dessen bewaffneter Arm. Die 1 und 8 stehen dabei für den ersten und den achten Buchstaben des Alphabets, also AH, die Initialen Adolf Hitlers. 

„Blood and Honour“ war im Jahre 2000 in Deutschland verboten worden, „Combat 18“ hingegen nicht. Als Symbol wird ein Drache verwendet. Nur autorisierte Gliederungen dürfen dieses Symbol in ihre jeweils nationalistische Symbolik integrieren. C18-Mitglieder berufen sich in ihrer Weltanschauung auf die rassistische Vorstellung einer Vorherrschaft der „Weißen Rasse“ und die Errichtung eines totalitären Staates nach dem Vorbild der Nationalsozialisten.

Waffenhandel, Hetze und Anleitungen zum Bombenbau zeigen, dass von dieser Gruppierung ein extrem hohes Gewaltpotential ausging. Der Name der Gruppe tauchte auch wiederholt im Zusammenhang mit schweren Gewalttaten auf. So auch im NSU-Prozess in München am Oberlandesgericht, bezogen auf die Morde und evtl. gemeinsame terroristische Taten. 

NRW-Innenminister Herbert Reul: „Wir haben Sie im Blick“

Auch der mutmaßliche Mörder des CDU-Politikers Walter Lübcke hatte zumindest in der Vergangenheit Kontakt zu späteren Größen von „Combat 18“. Entscheidend für ein Verbotsverfahren ist nun unter anderem der Nachweis, dass es eine feste Organisationsstruktur der Gruppe gibt und diese „aggressiv-kämpferisch“ ausgerichtet ist.

NRW-Innenminister Herbert Reul und der Vorsitzende der Neonazi-Partei „Die Rechte“, Sascha Krolzig, im Interview.
NRW-Innenminister Herbert Reul und der Bundesvorsitzende der Neonazi-Partei „Die Rechte“, Sascha Krolzig, bei einem Ortstermin in Dorstfeld.

Ein Verbot müsse juristisch wasserdicht begründet sein, damit es einer möglichen gerichtlichen Überprüfung standhält, so der NRW Innenminister Herbert Reul

Reul warnend weiter: „Ich möchte den Ewiggestrigen da draußen sagen: Seien Sie sich sicher, dass sowohl die Bundes- als auch die Landessicherheitsbehörden weiter konsequent gegen jede Form von Rechtsextremismus vorgehen werden. Wir haben Sie im Blick und zwar intensiv und werden Sie weiterhin intensiv stören.“

Kritiker*innen bemängeln, dass dieses Verbot längst überfällig sei. Zudem werde seit Monaten über das Verbot diskutiert. Daher gehen Szene-Kenner davon aus, dass wegen des langen Zeitverzugs kaum noch belastendes Material gefunden werden dürfte. Sie werten das Verbot als reine Symbolpolitik.

Robin S. auf einer Neonazi-Demo gegen die Polizei – neben ihm (li.) Siegfried „SS-Siggi“ Borchardt.
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Reaktionen

  1. Autonome Antifa 170 (Pressemitteilung)

    Combat 18 – zu spätes Verbot mit reinem Symbolcharakter

    Das Bundesinnenministerium hat heute die neonazistische
    Terrororganisation „Combat 18“ (C18) nach dem Vereinsgesetz verboten.
    Das Verbot wurde bereits im vergangenen Jahr durch Horst Seehofer
    angekündigt. „Damit hat der Innenminister den Nazis genug Zeit gegeben,
    belastende Materialien zu entsorgen und sich ausreichend vorbereiten zu
    können“, kritisiert Kim Schmidt, Sprecherin der Autonomen Antifa 170.
    „Zentrale Figuren konnten sich so bereits den Strukturen und damit auch
    der Strafverfolgung entziehen. Dem Verbot kommt damit vor allem ein
    symbolischer Charakter zu“. Zudem komme das Verbot laut der Dortmunder
    Antifa-Gruppe viel zu spät. Seit Jahren agiert in Dortmund eine
    C18-Zelle rund um „Oidoxie“-Frontsänger Marko G. und Robin
    S..
    „Dass zwar das Netzwerk Blood&Honour Deutschland 2000 verboten wurde,
    nicht aber Combat 18, was als bewaffneter Arm von Blood&Honour gilt,
    zeigt wieder einmal das typische Agieren der deutschen
    Sicherheitsbehörden gegen Nazis. Wie so häufig wurde hier viel zu
    inkonsequent und zu spät reagiert“, so Schmidt. Warum damals nur ein
    Teil einer Terrororganisation verboten wurde, wirft viele Fragen auf. In
    NRW wurde heute Morgen lediglich die Wohnung von Robin Schmiemann
    durchsucht. Dabei sprach selbst der Innenminister NRWs in der
    Vergangenheit von zwölf Mitgliedern des Netzwerkes in NRW, vier davon in
    Dortmund. „Wieder einmal machen die Behörden deutlich, wie sicher man
    sich als Nazi in einer Terrororganisation in Deutschland fühlen kann“,
    bewertet Schmidt, „Das ist ein Zeichen an andere Nazis, dass sie
    unbehelligt weiteragieren können. Das staatliche Verbotsverfahren kommt
    damit Symbolpolitik und einer reinen PR-Aktion gleich.“

    In der Pressemitteilung des BMI werden Combat 18s Tätigskeitsfelder mit
    dem Vertrieb rechter Musik und Merchandise sowie der Organisation von
    Konzerten beschrieben. „Das Innenministerium verkennt hier völlig den
    Ernst der Lage“, so Kim Schmidt, „Combat 18 ist eine
    Neonazi-Terrorgruppe, die sich nach dem Prinzip des ‚Führerlosen
    Widerstands‘ organisiert. Schießtrainings und vergangene Gewalttaten der
    Gruppe zeigen deutlich, dass es sich bei C18 nicht um eine
    Rechtsrockmarketingagentur handelt.“

    In Dortmund spielt Combat 18 schon lange eine wichtige Rolle. So
    erschoss Michael Berger im Jahr 2000 drei Polizist*innen und
    anschließend sich selbst. Berger, der von der mittlerweile verbotenen
    Kameradschaft „Nationaler Widerstand Dortmund“ für die Tat „gefeiert“
    wurde, hatte vorher an Schießübungen von Combat 18 teilgenommen.
    Die Dortmunder Band Oidoxie ist eng mit C18 verbunden. Um ihren
    „Saalschutz“, die „Oidoxie Streetfighting Crew“, entstand um das Jahr
    2003 eine Gruppe, die C18 umsetzen wollte. Auch Robin S. zählte
    zu dieser Gruppe. Er tritt auf Demonstrationen der Dortmunder Neonazis
    noch heute regelmäßig in C18-Klamotten und in einem Video der
    Gruppierung als deren „Pressesprecher“ auf. Robin S. beging außerdem
    einen Raubüberfall, bei dem er einen Tunesier mit einer Schusswaffe
    lebensgefährlich verletzt hatte.

    Der V-Mann des Verfassungsschutzes Sebastian Seemann – ein enger Freund
    von Robin S. – lieferte den Sicherheitsbehörden bereits vor über 10
    Jahren Informationen über Waffen und Aktivitäten der Dortmunder
    C18-Zelle. „Dass die Sicherheitsbehörden trotz der Vielzahl an Hinweisen
    und Informationen untätig blieben, steht symbolisch für das Agieren des
    Staates gegen Naziumtriebe in Dortmund“, so Kim Schmidt. „Dass mit dem
    Wissen, dass sich die Dortmunder Nazis radikalisieren und bewaffnen,
    nach dem Mord an Mehmet Kubaşık schon nicht in diese Richtung, sondern
    stattdessen im Umfeld des Opfers ermittelt wurde, zeigt das strukturelle
    Wegsehen und den strukturellen Rassismus der Behörden“.

    Während einer
    Befragung gab eine Zeugin damals an, sie habe nach dem Mord zwei
    Personen den Kiosk verlassen sehen und äußerte die Vermutung, dass es
    sich hierbei um Nazis handelte. Dieser Spur wurde nicht nachgegangen.
    Die Frage nach der Verstrickung von Combat 18 in den rechten Terror des
    NSU ist nach wie vor unbeantwortet. Das Verbot von C18 wird einer
    Aufklärung wohl eher weniger zuträglich sein. Stattdessen dürfte es
    einem Schlussstrich Vorschub leisten. C18 verboten, Fall abgeschlossen,
    alles andere Spekulation, Punkt.

    Daher fordert die Autonome Antifa 170 weiterhin ein konsequentes
    Vorgehen auf verschiedenen Ebenen gegen rechte und rechtsterroristische
    Strukturen: „Wir können uns im Kampf gegen Rechts nicht auf den Staat
    verlassen“.

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