Kooperationsprojekt „Im Kielwasser“: Künstlerische Objekte im Kampf mit den spröden Räumen des Künstlerhauses

Künstlerhaus am Sunderweg präsentiert die Ausstellung: Im Kielwasser
Künstlerhaus am Sunderweg präsentiert die Ausstellung: Im Kielwasser. Ute Diez

Von Rolf Pfeiffer

Nein, ein gemütlicher Ort ist das Künstlerhaus am Sunderweg nicht. Das müde Weiß der Wände verleiht seinem Inneren den spröden Charme des Vergänglichen. Die Kunstwerke, die hier gezeigt werden, haben es schwer, sich gegen diese mächtigen Räume zu behaupten. Oder doch wenigstens nicht in ihnen unterzugehen.

Umscheinbare Kunst – teilweise überstreichbar

Künstlerhaus am Sunderweg präsentiert die Ausstellung: Im Kielwasser
Nina Heidemanns Installation im Aufbau

Einige von den Arbeiten, die jetzt im Kooperationsprojekt „Im Kielwasser“ hier ausgestellt werden, spielen aber auch gerade mit dem drohenden Verschwinden allhier. Man sähe sie gar nicht, würden nicht dezente Schilder auf sie verweisen oder gar freundliche Menschen etwas über sie erzählen. Und in der Tat werden einige von ihnen auch mit dem Ende der Ausstellung verschwinden, denn sie sind auf die weiße Wand gemalt, nicht zu entfernen, überstreichbar.

„Die Nikomachische Ethik“

Ute Diez zum Beispiel hat mit fahlem Bleistift eine Zeichnung auf die Wand gebracht, die im Ausschnitt die Situation einer Waschkaue widergibt. Man ahnt mehr als daß man es konkret erkennt den Korb mit den Kleidungsstücken, die Bank oder den Infrarotstrahler, der in der Kaue als eine Art Sonnenausgleich aufgestellt wurde. Er ist ebenso künstlich wie die Stehlampe, die das Bild, elektrisch gesteuert, mit Abständen beleuchtet. Nur wenn sie nicht leuchtet, wird eine gelbe Schriftzeile erkennbar. Wir erfahren – man erkennt es nur mit viel gutem Willen -, daß das ganze Bild aus teilweise grotesk zerdehnten Buchstaben, aus Text somit, besteht, der von Aristoteles stammt, über die Freundschaft geht und „Die Nikomachische Ethik“ überschrieben ist.

Freundschaft, jetzt kommt die Erklärung, ist auch unter den Kumpels auf dem Pütt von großer Wichtigkeit, daher die Verbindung. Und die Beziehung zum Titelschafft das Sprachbild: Philosoph wie Bergmann segeln sozusagen im Kielwasser ihres Vorbilds, Freundes, Mentors, was auch immer. Und das ist vermutlich meistens auch gut so.

Fotografische Einblicke in das Leben anderer Menschen

Künstlerhaus am Sunderweg präsentiert die Ausstellung: Im Kielwasser
Installation von Anke Müffelmann

Gut, Denksportaufgabe mit viel Hilfe gelöst. Kunst allerdings sollte idealerweise mehr sein als die Kryptifizierung einfacher Botschaften, denn die schafft per se noch keinen Erkenntnisgewinn. Zumal dann, wenn die sinnliche Vermittlung eher ein Schattendasein fristet. In diesem Sinne kommen Arbeiten beispielsweise von Nina Heidemann, Zuzana Hlinakova oder Anke Landtau glaubwürdiger über. Nina Heidemann etwa hat einige Familienfotos vom Trödelmarkt, die offenbar das Leben einer Familie von Binnenschiffern bis in die 60er Jahre hineinerzählen, stark vergrößert, mit groben Rastern distanzbildend überzogen und gleich Wäschestücken auf eine Leine gehängt; gewiß keine abwegige Methode, vom Leben anderer Menschen und vielleicht sogar vom Leben an sich zu erzählen, zumal Wäscheleinen auf Binnenschiffen bildmächtige Eindrücke hinterlassen. Diese Arbeit kann zumindest nachdenklich machen, und das ist schon viel.

Zuzana Hlinakova hat runde Findlingssteine glatt abgesägt und im Raum verteilt, was den Anschein erweckt, sie guckten so eben noch aus dem Wasser. „Gezeiten“ heißt die Arbeit, ist nett anzusehen, weist aber kaum über den originellen Einfall hinaus – es sei denn, der Betrachter ließe seine Phantasie spielen. Ähnliches könnte man über Anke Landtaus „Ein kleiner Matrose“ sagen, eine Installation aus einem riesigen Fernrohr und einem auf den Bügel gehängten Matrosenanzug. Man ahnt die Faszination dieser Guckmaschine; und wenn man hineinguckt, sieht man tatsächlich (auf einem kleinen Fernsehmonitor wohl) ein Familienbild wie auch Andeutungen des Wilden, Unbekannten, das ein Fernohr dem heranholt, der hindurchschaut. Doch gilt für diese Arbeit wie für viele andere, daß eine konzeptionelle Idee allein noch nicht das starke Kunstwerk erschafft.

Schwereloses Lichtkunstwerk mit unverständlichen Erklärungen

Künstlerhaus am Sunderweg präsentiert die Ausstellung: Im Kielwasser
Moin, Moin, wohin damit, Tamer Serbay

Erklärungen sind manchmal sogar problematisch. So hat Tamer Serbay in einem gruseligen schwarzen Kellerraum, in den man nur von der Tür aus hineinblicken darf, Holzstäbe aufgehängt, sie mit fluoreszierendem Rot und Grün angemalt, und strahlt sie nun mit einer Schwarzlichtlampe an. Wunderschön sehen sie aus, wie sie da so hängen, ein schwereloses Raumkunstwerk von großem ästhetischen Reiz. Fast wähnt man sich im renommierten Lichtkunstmuseum in Unna. Umso unverständlicher wirkt deshalb Serbays eigene Erklärung dieser Arbeit: „Moin, Moin, wohin damit“ heiße sie, und sie symbolisiere abgebrannte Brennstäbe, beispielsweise aus dem inzwischen stillgelegten Atomkraftwerk Brunsbüttel. Der Text zur Ausstellung allerdings geht durchaus auf den formalen Eigenwert der Arbeit ein. So möge das Publikum entscheiden.

Eindrucksvolle Island-Bilder  und kraftvolle Graphik

Es gibt eindrucksvolle Island-Bilder von Elke Schweigart, die in ihrer kompromisslosen Linienführung an der Grenze zur Abstraktion oszillieren, auch die Bilder von Joanna Binge-Jastrzebska („Infusorien I, II und III“) überzeugen in kraftvoller Graphik.

Chili M. Seitz erklärte in Berlin zwölf Bänke zu so etwas wie Observatorien; was die Parkbankbesetzer von dort aus sehen, sind per Definition virtuelle Kunstwerke, von denen wir nur wissen, daß es sie in den Köpfen der Betrachter gibt. Doch kann man sie nicht anfassen, transportieren, an die Wand hängen, ja, man kann sie nicht einmal zeigen. Man kann lediglich das Projekt beschreiben, und dies tut Chili M. Seitzim Künstlerhaus mit Wandtafeln, poetischen Notationen undgeographischen Koordinaten.

Rauminstallationen von großer Absehbarkeit

Künstlerhaus am Sunderweg präsentiert die Ausstellung: Im Kielwasser
Laboratorium 1940 von Birgit Saupe

Bleibt, von zwei Rauminstallationen zu berichten. In der einen komponiert Anke Müffelmann ein Bett, einen Tisch mit Requisiten aus einem Chemielabor und mehrere Eimer voller Wäsche (Kopftücher, Umhänge wohl) zur „Tränenmelkmaschine“. In ihrem „Laboratorium 1940“ stellt Birgit Saupe eine schauerliche Versuchsanordnung nach, mit der russische Wissenschaftler einen Hundekopf am Leben hielten, der nur noch von technischen Apparaturen versorgt wurde. Beide Arbeiten, das läßt sich nicht leugnen, sind sinnhaft, beide aber auch , zurückhaltend ausgedrückt, von großer Absehbarkeit. Zumal in den großen, weißen Räumen des Dortmunder Künstlerhauses.

Mehr Informationen: 

„Im Kielwasser“, Künstlerhaus Dortmund, Sunderweg 1. Bis 23.Februar. Geöffnet Donnerstag bis Sonntag 16 bis 19 Uhr. Tel. 0231 820304, www.kh-do.de

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Reaktionen

  1. Arne v.Irmer

    Das die Kunst mit den weißen Raumen kämpfen würden, habe ich nicht so empfunden. Auch erschließt sich mir nicht, wie Weiß denn „müde“ oder gar „spröde“ sein kann.
    Die Raumgestaltung versucht neutral zu sein, sich zurück zu nehmen. Das gelingt meiner Meinung nach gut und läßt viel Platz für die Kunst.
    Im Keller bietet das Gebäude das Gegenteil: Dunkelheit und Dreck. Viele Kunstwerke (auch in früheren Ausstellungen) kommen hier gut zur Wirkung. Ich freue mich jedes mal, wenn die Kellerräume in die Ausstellungen mit einbezogen werden.
    Also ich finde die Ausstellungen im Künstlerhaus in dortmunds Nordstadt jedesmal klasse:
    – Es gibt viel Abwechslung und oft gute Ideen. (Inspirierend) Vieles ist auch einfach nett anzusehen.
    – Die Ausstellungseröffnung im Künstlerhaus sind sehr unverkrampft. (Das kenne ich bei anderen Anlässen dieser Art auch ganz anders) Die Künstler und Besucher sind offen und gesprächsbereit.
    – Peter Schmieder hält zu Anfang einer jeden Ausstellungseröffnung eine klasse Einführung der man gut zuhören kann, an dieser Stelle einen herzlichen Dank dafür.

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