
Dortmund wird zwei Denkmäler im Herzen der Stadt errichten, um die Lebensleistung der Gastarbeiter:innen-Generation sichtbar zu machen. Der Rat folgte dem Juryvorschlag, die Werke „Arbayt“ von Esra Oezen und „Mosaik der Identitäten“ von Raimund Schucht an der Katharinenstraße zu realisieren. Zuvor gab es erneut eine hitzige Debatte – angefeuert von der AfD.
SPD betont den Mut und die Entbehrung
Dominik De Marco (SPD) hob in einer emotionalen Rede hervor: „Wir sprechen über Mut, über Entbehrung, über Widerstandskraft und über eine Lebensleistung, die unsere Stadt maßgeblich geprägt hat und bis heute prägt.“ Er schilderte, was viele vergessen: „Stellen Sie sich junge Menschen vor, die ihre Heimat, ihre Familie und alles Vertraute hinter sich lassen. Menschen, die mit nicht mehr als einem Koffer und ein paar Mark in der Tasche ankamen, angeworben von einem Land, das dringend ihre Arbeitskraft brauchte.“

Der junge SPD-Politiker erinnerte daran, dass die sogenannte Gastarbeitergeneration das „Wirtschaftswunder mit ihren eigenen Händen erschaffen“ habe – trotz schwerer Arbeit, Trennung von der Familie und gesellschaftlichem Misstrauen. „Diese Menschen waren und sind so viel mehr als die Schwarz-Weiß-Fotografien mit Koffern in der Hand, auf die ihre Existenz oft reduziert wird.“
Für ihn ist das Denkmal ein Anfang: „Dieses Denkmal darf nicht als Schlusspunkt, sondern muss als Ausgangspunkt verstanden werden. Diese Geschichten müssen endlich als selbstverständlicher Teil der Dortmunder Stadtgeschichte verankert werden“, so Dominik De Marco.
CDU: Zwei Kunstwerke ergänzen sich ideal
Bürgermeisterin Ute Mais (CDU) würdigte die Arbeit des Beirats: „Wir freuen uns, dass drei prämierte Vorschläge jetzt vorliegen – und dass zwei davon tatsächlich umgesetzt werden, weil sie sich ergänzen.“

Sie sieht darin auch einen Anstoß für Gespräche: „Ich glaube, das regt noch einmal, wie Herr De Marco sagte, zur Diskussion an. Es wird eine schöne Location, und wir wünschen dem Denkmal viele Zuschauer, viele Diskussionen und angeregte Gespräche.“
Wichtig sei: „Es wird auch keine finanzielle Auswirkung haben, sondern wir bleiben bei den Summen, die da sind“, sagte Mais mit Blick darauf, dass nun zwei Denkmäler realisiert würden.
Linke: „Das ist unsere Heimat geworden“
Fatma Karacakurtoglu (Die Linke +) sprach als Tochter einer Gastarbeiterin: „Ja, meine Mutter war selbst Gastarbeiterin, die in zwei Schichten gearbeitet hat. Sie hat am Zinnofen Kabel gelötet und kam teilweise mit Zinnspritzern nach Hause – ob im Gesicht oder an den Hosenbeinen.“

Ihre Mutter habe sich dennoch Sorgen um die Kinder machen müssen: „Wenn sie in der Mittagsschicht war und abends erst um 22:30 Uhr nach Hause kam, was bis dahin mit ihren Kindern geschieht.“
Für Karacakurtoglu ist klar: „Das ist die Geschichte, die hinter den Gastarbeiter:innen steckt. Sie haben geträumt, sich vielleicht mal ein Haus leisten zu können, diese Arbeiten durchzuziehen unter diesem Leid, neben Sprachmangel und fehlenden Strukturen. Letzten Endes sind wir Kinder dieser Generation zu einem Bestandteil dieser Gesellschaft geworden. Das ist unsere Heimat geworden.“
FDP: Geschichte als Brücke in die Gegenwart

Michael Kauch (FDP/Bürgerliste) stellte die Verbindung zur aktuellen Einwanderungspolitik her: „Das Denkmal ist überfällig. Dominik De Marco hat ebenso wie Fatma Karacakurtoglu hier die richtigen Worte gefunden. Es ist zugleich auch eine Brücke in die Gegenwart, wo wir über Fachkräfteeinwanderung sprechen.“
„Auch da geht es nicht nur um Arbeitskräfte, sondern um Menschen. Die Willkommens-Infrastrukturen sind heute andere, als es damals war. Damals dachte man, die sind in zwei Jahren wieder weg und dann müssen wir uns um die nicht kümmern – sie sind aber geblieben. Und ich glaube, das ist der Punkt, dass wir das eben auch aus der historischen Erfahrung für die heutige Zeit interpretieren“, so Kauch.
AfD: Scharfe Ablehnung und Provokationen
Matthias Helferich (AfD) attackierte das Denkmal scharf: „Es ist nicht so, dass wir die Errungenschaften nicht wertschätzen. Das größte Denkmal, was man dieser Generation setzen kann, das ist, dass man nicht mehr über Integrationsprobleme mit dieser Generation und ihren Kindern und Kindeskindern sprechen muss.“

Die Aussagen seiner Vorredner:innen bezeichnete er als „eine schmonzettenhafte Aufführung“, die versuche, an die Willkommenskultur der letzten Jahre anzuknüpfen und Migration in toto als Erfolgsgeschichte in der Bundesrepublik und auch in unserer Stadt Dortmund darzustellen, so Helferich. Das sei „natürlich einigermaßen lachhaft.“
„Und auch das sehen eben ganz viele Gastarbeiter, ehemalige Gastarbeiter und deren Nachfolger in Deutschland und wählen deshalb unsere AfD. Ich finde beide Vorlagen auch von der künstlerischen Schöpfungstiefe einigermaßen schwach. Ein schöner Kinderspielplatz, wo Kinder mit und ohne Migrationshintergrund spielen könnten, wäre wahrscheinlich hilfreicher gewesen, um Menschen zusammenzuführen“, so der rechtsextreme AfD-Politker.

Bernd Hempfling (AfD) spottete zudem über Karacakurtoglus Rede – und wurde von OB Westphal umgehend gestoppt: „So was macht hier niemand. Sie auch nicht!“
Helferich legte nach: „Multikulturalismus hat dunkle Schattenseiten. Ein sicheres Deutschland wäre das beste Denkmal.“ Westphal kappte die Redezeit und wies die Provokationen zurück.
Grüne sehen Vorbild und Auftrag
Matthias Dudde (Bündnis 90/Die Grünen) lobte den Weg zum Denkmal als vorbildlich: „Es war ein sehr positiver Prozess, wo viele aus der Stadtgesellschaft integriert wurden, wo viele Geschichten zum ersten Mal auch erzählt wurden.“

Dudde hielt der AfD entgegen: „Man muss schon sehr ideologisch verblendet sein, wenn man nicht mitbekommen hat, dass diese Menschen in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Es geht nicht mehr um Integration, sondern um Teilhabe und die Anerkennung der Leistung.“
Gleichzeitig warnt er: „Dortmund ist immer von Migration geprägt worden. Wir müssen schauen, ob das Denkmal auch Zuspruch bei Gruppen findet, die vorher oder später zugewandert sind. Wenn nicht, müssen wir kreativ werden und neue Wege finden.“
Volt: Breite Zustimmung für Juryentscheidung – Rat beendet hitzige Debatte geschlossen

Christian Gebel (Volt) betonte: „Die Idee, der Wettbewerb, die Beiträge, die Jury, die Sieger – alles hat sehr gut funktioniert. Wir freuen uns sehr, dass mehrere Beiträge preiswürdig anerkannt wurden und jetzt kombiniert umgesetzt werden.“
„Wir bedanken uns für die Arbeit aller Beteiligten, die hier geleistet worden ist. Danke schön“, so Gebel.
Sascha Mader (CDU) beantragte das Debattenende: „Ich habe die Befürchtung, dass das Thema ansonsten beschädigt wird.“ Mit großer Mehrheit folgte der Rat. Mit Ausnahme der AfD stimmten alle Fraktionen für die Umsetzung der beiden Denkmäler.
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