Auftaktveranstaltung am heutigen Dienstag um 18 Uhr im Keuninghaus

Ein wichtiges Kapitel der Dortmunder Geschichte: Ein Denkmal zu Ehren der Gastarbeiter:innen

Engagieren sich für das Denkmal (v.l.): Hatice Sarikaya, Nesrin Tanç, Dominik De Marco, Levent Arslan, Stefan Mühlhofer und Jaques Heinrich Touissaints Daniela Berglehn | Nordstadtblogger

Dortmund soll ein Denkmal zu Ehren der Gastarbeiter:innen bekommen. Warum ist das wichtig? Wie könnte es aussehen? Wessen Geschichte soll es spiegeln? Dazu sollen in den nächsten Monaten Antworten gefunden und Ideen entwickelt werden. Der Startschuss fällt in einer öffentlichen Auftaktveranstaltung am heutigen Dienstag (5. März 2024) ab 18 Uhr im Keuninghaus (Leopoldstr. 50). Ziele und Ideen werden vorgestellt, es gibt Musik und die Gelegenheit, mit einigen der Mitwirkenden zu sprechen.

„Ich bin stolz auf das, was ich in Dortmund erreicht habe.“

Hatice Sarikaya ist stolz auf ihren Lebensweg. Die heute 70-jährige folgte Anfang der 70er-Jahre ihrem Mann aus der Türkei nach Deutschland. Er arbeitete als Dolmetscher auf der Zeche Hansa, sie kümmerte sich zunächst um die Kinder, arbeitete dann in der Fabrik. Leicht war das nicht und sie war auf sich gestellt: „Es gab damals keine Sprachkurse, keine Unterstützung bei der Integration“, erinnert sich Sarikaya. ___STEADY_PAYWALL___

Deutsch lernen, einen Schulabschluss nachholen, ein Studium der Sozialarbeit – all das hat sie sich selbst beigebracht und wurde zur Vertrauten und Beraterin für viele Menschen in ähnlicher Situation. Nun soll sie davon erzählen und mit ihren Erinnerungen dazu beitragen, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, wieviel Deutschland und die Stadt Dortmund der Arbeit der sogenannten Gastarbeiter:innen verdanken.

„Ein sichtbares Zeichen im öffentlichen Raum setzen.“

Aufnahme aus den 1960er Jahren: Gastarbeiter kommen am Münchner Hauptbahnhof an. Daniela Berglehn | Nordstadtblogger

Die Aufbauarbeit der 1. Generation der Gastarbeiter:innen würdigen und daraus Positives für unser Heute ableiten, das will auch Levent Arslan. Der Leiter des Keuninghaus gehört bereits zur 2. Generation und kam mit seiner Mutter nach Dortmund, als der Vater bereits sechs Jahre in Deutschland arbeitete.

„Leid und Einsamkeit prägen viele dieser frühen Biografien“, weiß Arslan, „aber auch Erfahrungen von Solidarität durch die gemeinsame Aufbauarbeit.“ Das gelte es endlich „als Teil der Geschichte“ zu würdigen.

Und das nicht nur in Büchern oder Ausstellungen, „sondern als ein sichtbares Zeichen, im öffentlichen Raum“, pflichtet ihm Stefan Mühlhofer von den Kulturbetrieben der Stadt Dortmund bei.

„Den Diskurs anregen und möglichst viele Menschen beteiligen.“

Zwei Generationen, die sie sich um Dortmund verdient machen: Hatice Sarikaya und Dominik De Marco. Daniela Berglehn | Nordstadtblogger

Ein Denkmal soll es also sein – in welcher Form und an welchen Ort ist aber noch offen. Die Idee dazu kam von Dominik De Marco. Auch er weiß wovon er spricht, denn sein Großvater kam als Gastarbeiter aus Italien. Heute ist De Marco Mitglied der SPD-Ratsfaktion und hat 2021 den Antrag auf die Errichtung des Denkmals gestellt. Rund 200.000 Euro wurden damals bewilligt, nun geht es endlich los.

De Marco wünscht sich Anerkennung für die Leistung der Elterngeneration und findet, sie muss „Teil des kollektiven Gedächtnisse werden.“ Und auch „wenn das Denkmal die Welt nicht verändern wird, soll es schön werden, den Diskurs anregen und möglichst viele Menschen beteiligen.“

Viele sollen sich beteiligen können – Entscheidung bis Ostern 2025

Auch die Familie von Initiator Dominik de Marco hat einen entsprechenden Hintergrund. Sein Opa (ganz links) kam 1971 als 17-Jähriger nach Deutschland.
Blick ins Album der Familie von Initiator Dominik De Marco: Sein Opa (ganz links) kam 1971 als 17-Jähriger nach Deutschland. Foto: Privat

Hatice Sarikaya, Levent Arslan und De Marco sind Teil eines 14-köpfigen Beirats, der zugleich die Jury für die Auswahl des Denkmals ist. Vertreter:innen von Institutionen, aus Wissenschaft und Verwaltung kommen hinzu. Jaques Heinrich Toussaints, Leiter des Ressorts Kunst im öffentlichen Raum, steuert den Prozess. Für Ostern 2025 rechnet er mit der finalen Entscheidung.

Das klingt lang, aber der Weg zum Denkmal ist den Initiator:innen mindestens so wichtig, wie das Denkmal selbst. „Viele sollen teilhaben, sich beteiligen können und ihre Wünsche und Anregungen einbringen“, erklärt Nesrin Tanç, die das Vermittlungsprogramm rund um das Denkmal betreut. Erzähl-Cafes wird es geben, Kooperation z. B mit dem Türkischen Filmfestival. Jede:r soll sich einbringen können – zum Beispiel bereits beim feierlichen Auftakt im Keuninghaus.

Auftaktveranstaltung mit Podiumsdiskussion und Crossover-Pop

Bei der Auftaktveranstaltung mit Podiumsdiskussion und Konzert am 5. März, 18 Uhr im Keuninghaus werden Ziele und der Zeitplan für das Projekt vorgestellt. In einer Diskussionsrunde gibt es Raum für Ausblicke und Ideen. Moderiert wird die Runde von der Deutsch-Iranerin Susan Zare. Die Journalistin und Moderatorin hat sich auf gesellschaftspolitische und interkulturelle Themen spezialisiert.

Auch Mitglieder des Beirats sind vor Ort und Beiratsmitglied und Schriftstellerin Lütfiye Güzel wird eine Auswahl ihrer Werke vortragen. Als Begleitprogramm gibt es Musik von der Hamburgerin Derya Yıldırım, die anatolische Volksmusik mit modernen, zum Teil psychedelischen Elementen verbindet.


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Reaktionen

  1. Ein Denkmal soll Leistungen der Gastarbeiter*innen ehren (PM)

    Mit der Auftaktveranstaltung im Keuning.haus startete gestern der gemeinschaftliche Prozess

    Dortmund setzt ein Zeichen: Die Vorbereitungen für ein Denkmal zu Ehren der Gastarbeiter*innen sind gestartet. Mit einer Auftaktveranstaltung im Keuning.haus startete ein Prozess, der über Art und Ort des Denkmals entscheidet.

    Der Stadtrat hatte das Denkmal zu Ehren der Gastarbeiter* innen 2021 mit großer Mehrheit beschlossen. Initiator war Dominik De Marco. Sein Großvater kam als Gastarbeiter aus Italien und machte sich in Dortmund selbständig. „Ich möchte, dass die Leistungen dieser Generationen Teil des kollektiven Gedächtnisses werden“, so De Marco. Deshalb stellte er als Mitglied der SPD-Ratsfaktion den Antrag für das Denkmals – 200.000 Euro hat der Stadtrat für das Projekt bewilligt.

    Beirat zeigt Vielfalt der Gesellschaft

    Wie soll das Denkmal aussehen, wo wird es stehen – und was oder wen genau wird es in welcher Form würdigen? Diese noch offenen Fragen sind Teil eines Prozesses, der gestern in einer Auftaktveranstaltung mit Podiumsdiskussion im Keuning.haus gestartet ist. Dabei stellte sich auch ein Teil des 14-köpfigen Beirates der Öffentlichkeit vor. Der Beirat setzt sich zusammen aus Vertreter*innen aus Wissenschaft und Kunst, dem Kulturausschuss, Integrationsrat und Migrant*innen verschiedener Generationen. Sie alle haben Ideen und Meinungen dazu, was das Denkmal aussagen und wie es aussehen könnte. All das soll einfließen in den Prozess, an dem möglichst auch viele Menschen der Stadtgesellschaft teilhaben sollen. Besonders steht aber die erste Generation im Mittelpunkt – jene Menschen, die aus Ländern gekommen sind, mit denen Deutschland Anwerbeabkommen geschlossen hat.

    Hatice Sarikaya: „Ich bin stolz auf das, was ich in Dortmund erreicht habe.“

    Wie zum Beispiel die 70-Jährige Hatice Sarikaya. Sie folgte Anfang der 70er-Jahre ihrem Ehemann aus der Türkei nach Dortmund. Er absolvierte auf der Zeche Hansa eine Ausbildung und arbeitete später als Dolmetscher. Beide zogen zwei Kinder in Dortmund groß. Hatice Sarikaya findet es sehr wichtig, an die ersten Gastarbeiter*innen zu erinnern, insbesondere vor dem Hintergrund der migrationsfeindlichen Tendenzen in der Gesellschaft. „Es darf nicht vergessen werden, was die erste Generation hier in der deutschen Wirtschaft geleistet hat“.

    Sie selbst war neben der Erziehung der Kinder zunächst als Arbeiterin in einer Fabrik tätig. Dann holte sie ihren Abschluss nach und studierte Sozialarbeit. Das war nicht einfach, erinnert sie sich, es gab keine Sprachkurse, für jede Unterstützung musste sie erst kämpfen. Doch ihr Wille und ihre Anstrengungen zahlten sich aus. Sie hat Frauen von Gastarbeitern beraten und sie auf dem beruflichen Weg begleitet, Deutschkurse gegeben. „Ich wurde gebraucht. Ich bin stolz auf das, was ich in Dortmund erreicht habe.“ Nicht nur deshalb hat sie sich entschlossen, sich an dem Denkmalprojekt zu beteiligen: „Um diese aktuelle Fremdenfeindlichkeit zu stoppen, muss unsere Geschichte jungen Menschen erzählt werden.“

    Auch Levent Arslan, Leiter des Keuning.hauses, gehört zur zweiten Generation. Er ist in Dortmund geboren, seine Mutter kam sechs Jahre nach seinem Vater nach Dortmund. „Wir haben hier sehr viel Solidarität erfahren, besonders von den deutschen Nachbarn, die selbst durch den Krieg entwurzelt waren. Von dieser Solidarität würde ich gerne erzählen.“

    Die Geschichte soll im öffentlichen Raum sichtbar sein

    „Es wird Zeit, dass diese Geschichte und die Geschichten dahinter sichtbar werden – im öffentlichen Raum, aber ebenso in Archiven, Büchern und Ausstellungen“, sagte Dr. Stefan Mühlhofer, Geschäftsführender Direktor der Kulturbetriebe der Stadt Dortmund. Er sieht die Diskussion um das Gastarbeiter*innen-Denkmal als Startpunkt der Erinnerungskultur, der mit dem Denkmal noch lange nicht abgeschlossen ist.

    Bei der Auftaktveranstaltung wurden Ziele und Zeitplan für das Projekt vorgestellt. Dr. Jaques Heinrich Toussaint, Leiter der „Kunst im öffentlichen Raum“, koordiniert das Projekt. Der Beirat plant die internationale Ausschreibung für die Künstler*innen und wird die Jury bilden. Genau in einem Jahr, Ostern 2025, soll es eine Entscheidung geben. Bis dahin ist der Weg gespickt mit vielen Veranstaltungen, Erzählcafés und Ausstellungen, um möglichst viele Stimmen der Stadtgesellschaft „einzufangen“. Schließlich soll dieses Denkmal ein Zeichen der Anmerkung für alle werden, die herkamen, um zu arbeiten und manche, auch um zu bleiben.

  2. Keuning.haus lädt zur Filmvorführung und Diskussion über Gastarbeiterinnen aus Marokko ein – Veranstaltung gehört zum Begleitprogramm für ein Gastarbeiter*innendenkmal in Dortmund (PM)

    Der Film „Die Farben des Bleibens“ nimmt die Geschichten marokkanischer Arbeiterinnen in den Fokus, die in den 1970er-Jahren nach Deutschland kamen. Die Filmvorführung mit Talk startet am Mittwoch, 24. April um 18 Uhr im Keuning.haus, der Eintritt ist frei.

    Vor 60 Jahren unterzeichneten Deutschland und Marokko ein Anwerbeabkommen. Ein zentraler Bestandteil dieses Abkommens war die Rekrutierung von Frauen. Die Filmemacherinnen Ráhel Eckstein-Kovács, Kristina Bublevskaya und Fatima Remli haben sich auf die Reise gemacht, um die weibliche Perspektive zu dokumentieren. Begleitet wurde das Filmprojekt von Mischa Kuball, Konzeptkünstler und Professor für Public Art an der Kölner Kunsthochschule für Medien.

    Diskussion und Erzählcafé

    Nach der 45-minütigen Filmvorführung findet eine Podiumsdiskussion statt. Es diskutieren
    – Fatima Remli (Autorin, Moderatorin, Podcasterin),
    – Kristina Bublevskaya (politische Bildnerin, Studierende an der Kunsthochschule für Medien in Köln),
    – Assia Tati (Nordstamm e.V., Geschäftsführerin Tatis Café)
    – Nesrin Altunas (Nesrins Creations), Sprecherin im Jugendparlament des Keuning.haus.
    Es moderiert Aida Demirović-Krebs.

    Die Veranstaltung gehört zum Begleitprogramm für das vom Rat der Stadt Dortmund beschlossene Denkmal für so genannte Gastarbeiter*innen. Bei einem anschließenden Erzählcafé können sich Interessierte über das geplante Vorhaben austauschen.

    Hintergrund: Gastarbeiter*innendenkmal

    Es soll ein Denkmal zu Ehren der so genannten Gastarbeiter*innen errichtet werden, die in den 1960er-Jahren nach Deutschland gekommen sind – in der Hoffnung auf eine neue Heimat und bessere Zukunft. Das hat der Stadtrat 2021 beschlossen. Das Denkmal soll die Menschen würdigen, die ihre Heimat hinter sich gelassen haben, weil in Deutschland dringend Arbeitskräfte gesucht wurden. Ein Beirat soll darüber abstimmen, er setzt sich zusammen aus 14 Personen aus Wissenschaft und Kunst, dem Kulturausschuss, Integrationsrat und Migrant*innen verschiedener Generationen. Die Stadtgesellschaft soll sich durch das Begleitprogramm mit Diskussionsveranstaltungen an diesem Prozess beteiligen.

    Die Farben des Bleibens – Filmvorführung & Talk am 24. April, Einlass: 17:30 Uhr, Beginn 18 Uhr, Keuning.haus (Leopoldstr. 50-58), Eintritt frei.

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