Habeck im Hafen: Lässiger Wahlkampf der Dortmunder Grünen an der Strandbar in der Nordstadt

Der Bundesvorsitzende der Grünen, Robert Habeck, war zu Gast bei einer Townhall Diskussion in der Nordstadt, um den Wahlkampf seiner Partei in Dortmund zu unterstützen. Fotos: Alex Völkel

Von Anastasia Zejneli

Unmotiviert und müde sehen die Männer aus, die den fremden Mann, der gerade ins Büro eintritt, in Empfang nehmen. Sie rühren gelangweilt in ihrem Kaffee herum, mit den Gedanken überall, nur nicht bei den Kommunalwahlen im nächsten Jahr. Die Enttäuschung der letzten Jahre sitzt zu tief. Der Besucher möchte sich für einen Radweg in seiner Kommune einsetzen. Ein wichtiges, persönliches Anliegen, aber mehr auch nicht. Glaubt er selbst zumindest. Dass dies der Anfang seiner politischen Karriere sein werde, ahnte Robert Habeck damals 2002 in Schleswig-Holstein nicht. „Wenn man nicht rechtzeitig nein sagt bei den Grünen muss man arbeiten“, scherzt er heute selbst über die Situation.

Wahlkampf zwischen Liegestühlen und Bierbänken im Dortmunder Hafen

Robert Habeck und Daniela Schneckenburger, OB-Kandidatin der Grünen Dortmund zur Kommunalwahl.

Fraglich ist ob, Termine wie der heutige auch unter jenes Motto fallen. Daniela Schneckenburger, grüne OB-Kandidatin für Dortmund, lud vor der Kommunalwahl nochmal alle Grünen-Parteimitglieder und potenzielle Wähler*innen in den Hafen ein. Bundesvorsitzender Robert Habeck kam auch, denn Unterstützung von Bundesebene kommt immer gut an. ___STEADY_PAYWALL___

Locker und gemütlich fand die Veranstaltung in der Strandkneipe Herr Walter statt. Zwischen Liegestühlen und Bierbänken standen die beiden den Gästen eine Stunde lang Frage und Antwort. Dabei befanden sie sich genau in der Mitte auf einem Podium des Außenbereichs – Bundespolitiker Habeck in 360 Grad Ansicht.

Die Themen waren bunt, doch ein roter Faden war sichtbar – Kommunalpolitik ist wichtiger als gedacht. Auch wenn das zumindest die Bürger*innen der Stadt Dortmund nach den vielen Besuchen von hohen Politiker*innen in den letzten Wochen wissen müssten. „Nur wenn auf Kommunalebene richtig gewählt wird und wir bereitwillige Oberbürgermeister*innen haben, können wir auf Bundesebene etwas verändern.“, unterstreicht Habeck.

In Zeiten von Populismus und der Spaltung muss Politik sich neu erklären

Auch Daniela Schneckenburger gibt sich zuversichtlich im dritten Versuch als Oberbürgermeisterin aus den Wahlen hervorzugehen. Ihre Strategie: Man muss alle Beteiligten an einen Tisch holen und in den Quartieren die Menschen aller Milieus miteinbeziehen.

Oder kurz gesagt „Politik muss sich anders erklären.“ In Zeiten von Populismus und dem Prozess der Aufspaltung der Gesellschaft in Deutschland, sieht auch Habeck den Kern der Lösung im Austausch. „Man muss die Meinung der Gegenseite akzeptieren und anerkennen, jedoch gibt es auch da Grenzen.“

Thema Mobilitätswende: Radwegeausbau funktioniert nur im Konsens

Habeck unterstrich die wichtige Bedeutung der Kommunalpolitik für die Bundespolitik.

Habeck fühlt sich wohl auf der Bühne, scherzt mit Kollegin Schneckenburger rum und träumt von einem deutschen Kopenhagen. „Radfahren ist ein ganz anderes Erlebnis, die Radwege sind so breit wie eine Straße. Das ist eine ganz andere Form von Lässigkeit.“ In Turnschuhen und Pullover an der Strandbar – Habeck ist selbst nicht weit entfernt, diese auszustrahlen.

Der Mobilitätsausbau ist ihm wichtig. Ein Kernthema der Grünen. Man müsse in den Radwegeausbau investieren, denn die zehn Prozent Radverkehrsanteil sind deutlich zu wenig. „Solche Entscheidungen müssen im Konsens entstehen, sonst werden wir gewählt, die Leute sind genervt von den Radwegen, die wir in fünf Jahren bauen und dann sind wir auch wieder Geschichte“, weiß Habeck.

Auch die Automobilbranche müsse sich verändern. Stichwort Mobilitätsanbieter. Es gehe immer mehr um die Fortbewegung und weniger um den Besitzt des schicken Wagens in der Garage. Von solchen Besitztümern können in der Nordstadt viele nur träumen. Daniela Schneckenburger besorgt die Teilung der Stadt. Nord und Süd müsse man wieder zusammenbringen und in die Infrastruktur im Norden investieren. „Wir sind eine Stadtgesellschaft und daran müssen wir zusammen arbeiten.“

Brände im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos: Europa hat an den Außengrenzen versagt

Daniela Schneckenburger thematisierte auch die Brände im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos.

Ein Thema spricht die OB-Kandidatin selbst zum Ende der Fragerunde an. Die Brände im griechischen Flüchtlingslager Moria nehmen auch die Politiker*innen in Dortmund besorgt wahr. Die Stadt sei bereit Flüchtlinge aufzunehmen, wie schon im Jahr 2015. Auch Robert Habeck zeigt sich wütend und läuft auf und ab während er redet. Er verurteilt die Politik auf Bundesebene scharf.

„Es ist schon schlimm keine Hilfe anzubieten, aber es ist erbärmlich anderen die Hilfe zu verbieten.“ Auch die EU sei ganz klar mit der Politik an den Außengrenzen gescheitert. Für Deutschland erhofft er sich, dass es wieder mehr um präventive Politik geht.

Und nimmt in allem Eifer die großen Fragen des nächsten Herbstes in Augenschein: „Kanzler sollte derjenige werden, der nicht abwartet und erst handelt, wenn es zu spät wird. Wir brauchen jemanden der Zeichen setzt und nicht als Feuerlöscher agiert, wenn es schon zu spät ist.“ Daniela Schneckenburger reicht wohl erstmal die Kandidatur als Oberbürgermeisterin. Und Robert Habeck motiviert sie zum Ende der Veranstaltung nochmals auf eigene Weise: „Ich haue wieder ab, aber du wirst hier noch Jahre in der Supermarktschlange stehen.“

 

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