Neue Informationskampagne soll Notaufnahmen entlasten helfen

Gesundes Aufwachsen: Gesundheitsamt und Kinderklinik möchten mit Videos „viral“ gehen

Klinikleiter Prof. Dr. med. Schneider und Frau Dr. med. Weigt-Usinger präsentieren die neuen Broschüren
Klinikleiter Prof. Dr. med. Schneider und Frau Dr. med. Weigt-Usinger präsentieren die neuen Broschüren Foto: Erik Latos für nordstadtblogger.de

Von Erik Latos

Notfallambulanzen und Notfallpraxen werden durch immer mehr Fälle an die Grenzen ihrer Kapazitäten gebracht. „Die Anzahl der vermeintlichen Notfälle nahm in den letzten 17 Jahren um circa zehn Prozent zu“, verdeutlicht der Klinikleiter Prof. Dr. med. Dominik Schneider aus seiner jahrelangen Erfahrung an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin. Die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin versorgt nicht nur die Stadt, sondern das ganze östliche Ruhrgebiet. Deswegen starten das Gesundheitsamt und die Klinik gemeinsam eine neue Informationskampange für mehr Kompetenzen im Bereich der Kindermedizin.

„Viele Kinder wären zu Hause im Bett, unter einer warmen Decke, besser aufgehoben als in der Notaufnahme“

„Omas Trick, dem Kind einfach die Hand auf den Nacken legen, um die Temperatur zu messen, ist genauso unsicher und wenig aussagekräftig, wie ein Thermometer unter die Schulter zu klemmen“, erklärt Fachärztin Dr. Katharina Weigt-Usinger. „So wird schnell ein zu langes in der Sonne sitzen ohne Sonnenhut mit einem Fieber verwechselt.“

Broschüren über fünf Krankheiten in Türkisch und Deutsch
Broschüren über fünf Krankheiten gibt es auf Türkisch und auf Deutsch. Foto: Alexander Völkel für die nordstadtblogger.de

Diese und ähnliche Geschichten häufen sich in jeder Kinderpraxis und Kinderklinik in Dortmund. Mittlerweile kommt es in der Notfallambulanz zu 1000 Notfallkontakten von denen nur 300 eine stationäre Aufnahme benötigen.

„Viele Kinder wären zu Hause im Bett unter einer warmen Decke besser aufgehoben als in der Notaufnahme“, so Schneider.

Seit Beginn der Moderne konnten die Erfahrungen und der Wissensschatz über Behandlung von Kindern mit Hausmitteln durch die Auflösung der Großfamilie nicht mehr weitergegeben werden.

Es wurde daher auch der Umgang mit kranken Kindern verlernt, da es oftmals nicht möglich ist, seine eigenen Eltern zu fragen, wie sie mit dem kranken Kind umgegangen sind. Auch die Zahl der Einzelkinder, die nicht beobachten konnten, wie die Eltern bei dem Geschwisterchen vorgegangen sind, wenn dies krank war, nahm stetig zu.

Broschüren sollen in einfacher Sprache über Kinderkrankheiten aufklären

„Auch wirtschaftlich und politisch gedacht ist der heutige Zustand nicht tragbar“, so der Klinikleiter. „In die Kinder muss gut investiert werden. Das Investment spiegelt sich zur Zeit nicht in der Statistik für Überlebenschance wider.“

Das widerspricht auch dem Gesundheitsziel der Stadt Dortmund von Ende 2017, bei dem festgelegt wurde, dass alles getan werden muss, damit alle Kinder gesund aufwachsen können. Es soll nun bei der Gesundheitsförderung auch die Aufklärung über Kinderkrankheiten in den Fokus genommen werden.

Die fünf neuen Broschüren auf Deutsch und Türkisch
Die fünf neuen Broschüren auf Deutsch und Türkisch Foto: Erik Latos für nordstadtblogger.de

„Schon während Corona hat die Klinik gute Erfahrungen mit Aufklärungsvideos über das Virus sammeln können“, berichtet Frau Dr. Weigt-Usinger. Nun soll es Videos und Broschüren über verschiedene einfache Kinderkrankheiten geben. Sie sind möglichst einfach gestaltet und ohne Fremdwörter.

Außerdem befinden sich QR-Codes auf den Broschüren, damit mit einem Smartphone eine Weiterleitung zu den Videos stattfinden kann. Die ein Jahr andauernde Erarbeitung der Informationsmittel unterstützte Michael Schneider vom Gesundheitsamt.

Die Erklär-Videos gibt es in sechs Sprachen

Es wird von den Broschüren in der ersten Auflage 1500 Hefte je Krankheit und Sprache geben. Die Hefte werden in Deutsch, Türkisch und Arabisch zur Verfügung stehen und es werden Durchfall, Fieber, Bauchschmerzen, Halsschmerzen und Husten beschrieben. Damit kommt die erste Auflage auf insgesamt 22.500 Hefte, die dann in Kürze bei den Dortmunder Praxen und bei den Beratungsgesprächen in der Klinik verteilt werden.

In der integreat-App stehen die Informationen in den Sprachen Arabisch, Bulgarisch, Deutsch, Englisch, Spanisch, Persisch, Französisch, Kroatisch, Polnisch, Romänisch, Russisch, Türkisch und Ukrainisch bereit.

Die Videos sind „nur“ in türkisch, russisch, rumänisch, persisch, französisch und bulgarischer Sprache vorhanden. Englisch und Gebärdensprache sind noch in Bearbeitung. Mitarbeiter:innen bei MigraDo und der Stadt Dortmund haben die Übersetzung übernommen.

Die Informationen in den Broschüren und den Videos sollen Kompetenzen bei den Eltern stärken und damit die Notfallambulanzen in den Kliniken und die Arztpraxen entlasten.

Es soll bei den Eltern ein Verständnis für Biologie und Medizin aufgebaut werden – wie eine Krankheit abläuft und wie lange ein Heilungsprozess braucht. Außerdem werden dort Warnzeichen gezeigt, die verdeutlichen, wann die Klinik aufgesucht werden sollte. Außerdem haben die betreuenden Menschen so die Möglichkeit, die von Ärzt:innen gegebenen einfachen Anweisungen zu rekapitulieren. „Es ist ein wachsendes Projekt – ein erster Aufschlag. Es ist noch vieles offen – wo es hinwächst und wo der Bedarf ist“, schloss Frau Dr. Weigt-Usinger.


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