Moses Herzfeld musste viele Jahre lang um sein Unternehmen kämpfen

Eine Lichterfabrik an der Brückstraße verärgerte einst die Nachbarschaft in der Dortmunder City

Blick durch die Brückstraße um 1910 (Slg. Klaus Winter)
Blick durch die Brückstraße um 1910 (Slg. Klaus Winter) Foto: Sammlung Klaus Winter

Von Klaus Winter

Die Brückstraße gehört zum ältesten Straßennetz innerhalb des Wallrings. Im jahrhundertelangen Zeitraum ihres Bestehens hat sie natürlich allerlei Änderungen erfahren. Vor allem im 19. und 20. Jahrhundert hat sich ihr Erscheinungsbild mehrfach massiv verändert. In der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte der jüdische Kaufmann Moses Herzfeld einen kleinen Anteil an dem ständigen Wandel der Brückstraße.

Nachbar fürchtete die Gefahren einer Lichterfabrik

Bekanntmachung zur Lichterzieherfabrik Herzfeld (Dortmunder Anzeiger, 03.03.1849)
Bekanntmachung zur Lichterzieherfabrik Herzfeld (Dortmunder Anzeiger, 03.03.1849) Repro: Klaus Winter

Im Jahre 1849 wollte Herzfeld eine Lichterfabrik gründen. Dazu war eine behördliche Genehmigung erforderlich, die er ordnungsgemäß beantragte. Eine solche Genehmigung wurde erteilt, wenn keine wesentlichen Einwände gegen die Gründung vorlagen.

Ein Nachbar erhob jedoch Einspruch gegen die neue Fabrik. Er befürchtete, dass von ihr eine erhöhte Feuersgefahr und eine starke Geruchsbelästigung ausgehen würden. Amtliche Untersuchungen ergaben aber, dass weder das eine noch das andere zu erwarten war. Deshalb wurde der Einspruch zurückgezogen und dem Herzfeld die gewünschte Genehmigung erteilt.

Fabrikgrundstück lag an der Ecke Brückstraße /Stubengasse

Zwischen den Häusern Brückstraße 17 und 19 führte einst ein Abschnitt der Stubengasse bis zur Reinoldistraße; Stadtplan Dortmund um 1940
Zwischen den Häusern Brückstraße 17 und 19 führte einst ein Abschnitt der Stubengasse bis zur Reinoldistraße; Stadtplan Dortmund um 1940 Repro: Klaus Winter

Das Grundstück für seine Fabrik hatte Moses Herzfeld 1848 erworben. Es handelte sich um die Immobilie Brückstraße 19 und östlich daran angrenzende Grundstücke. Diese lagen an einem Abschnitt der Stubengasse, den es heute nicht mehr gibt; er wurde in der Nachkriegszeit des Zweiten Weltkrieges überbaut.

Etwa zwölf Jahre lang konnte Moses Herzfeld hier nach eigenen Aussagen ungestört seinen Geschäften nachgehen. Er schmolz aus tierischen Fetten Talg, das er zu Lichtern verarbeitete und diese dann zum Verkauf anbot.

Entsetzlicher Gestank verärgerte die Nachbarschaft

Die Phase, in der sich niemand durch die Lichterfabrikation belästigt fühlte, endete 1860 mit einem Protestschreiben von 36 Nachbarn an die städtische Polizeiverwaltung. Sie beschwerten sich darin über den entsetzlichen Gestank, der von Herzfelds Fabrik beim Schmelzen der Fette ausging.

Folge des Schreibens war eine jahrelange Auseinandersetzung zwischen Moses Herzfeld einerseits und den Nachbarn und der Polizeiverwaltung andererseits. Mit einbezogen waren die Königliche Regierungsbehörde in Arnsberg und sogar das Handelsministerium in Berlin.

Bauliche Veränderungen sollten Geruchsbelästigung unterdrücken

Bauzeichnung der Lichterfabrik mit Talgschmelze des Moses Herzfeld (Stadtarchiv Dortmund)
Fabrikansicht (Stadtarchiv Dortmund) Repro: Klaus Winter

Während der ganzen Dauer des Streits behauptete Moses Herzfeld beständig, dass das Schmelzen von Fett zum Lichterziehen gehöre und ihm sowohl der Schmelzprozess als auch die eigentliche Lichterzieherei 1849 genehmigt worden sei. Die Gegenseite bestritt das.

Herzfeld musste bauliche Veränderungen an seiner Fabrik vornehmen, um die üblen Gerüche zu unterdrücken. Es kam zu Gerichtsprozessen, in denen er mal Recht bekam, mal verurteilt wurde.

Der Fellhandel sollte sein zweites Standbein werden

Zeitungsinserat des "Rauh-Waaren"-Händlers Herzfeld (Dortmunder Zeitung, 25.01.1862)
Zeitungsinserat des „Rauh-Waaren“-Händlers Herzfeld (Dortmunder Zeitung, 25.01.1862) Repro: Klaus Winter

Schließlich erhielt Herzfeld aus Berlin die Nachricht, dass er kein rohes Fett schmelzen, sondern nur bereits geschmolzenes wieder aufwärmen dürfe. Um die Einhaltung des Verbotes zu überwachen, kontrollierten Polizeibeamte im Abstand von ein bis drei Tage die Herzfeldsche Lichterzieherei.

Um seinen Betrieb aufrecht erhalten zu können, ließ Herzfeld eine Weile in Nachbarstädten schmelzen. Doch das war das teuer und umständlich. Auch experimentierte er mit neuen Schmelzverfahren, bei der keine Geruchsbelästigung entstehen können sollte.

Aber bei Herzfeld wuchs wohl die Einsicht, dass die Zukunft seiner Lichterfabrik auf schwachen Beinen stand. So betätigte er sich zusätzlich als Fellhändler. Dabei half ihm sein Sohn Simon.

Neuanfang: Moses Herzfeld gründete eine Seifensiederei

Arbeiter gesucht für die Seifenfabrik M. Herzfeld & Sohn (Dortmunder Zeitung, 24.07.1873)
Arbeiter gesucht für die Seifenfabrik M. Herzfeld & Sohn (Dortmunder Zeitung, 24.07.1873) Repro: Klaus Winter

Ende der 1860er Jahre wagte Moses Herzfeld einen Neuanfang als Seifenfabrikant. Seine Seifensiederei hatte er nicht an der Brückstraße, sondern im entstehenden nördlichen Stadtteil errichtet. Sie lag an der Leopoldstraße, nahe der Einmündung in die Münsterstraße.

Dieser Bereich war damals noch weitestgehend unbebaut. Herzfelds Seifenfabrik hatte nur einen Nachbarn, nämlich die Feilenhauerei Mummenhof & Stegemann.

Prozess endete erst nach Herzfelds Tod

Obwohl er keine Lichterzieherei mehr betrieb, schwebte zu Beginn der 1870er Jahre immer noch ein Prozess wegen dieser Fabrik. Der war tatsächlich erst einen Monat nach dem Tod von Moses Herzfeld abgeschlossen.

Moses Herzfeld starb am 17. März 1875 nach kurzem Krankenlager in seinem 65. Lebensjahr in seiner Wohnung an der Leopoldstraße. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem jüdischen Friedhof am Westentotenhof (Westpark). An den Friedhof erinnert heute nur noch ein Gedenkstein.

Witwe und Sohn wurden auf dem Ostfriedhof beigesetzt

Die Witwe Helene Herzfeld war gemeinsam mit ihrem Sohn Simon Inhaberin der Firma M. Herzfeld & Sohn, Seifenfabrik und Fellhandlung. Sie starb am 11. Dezember 1887 im Haus Steinplatz 2 und wurde auf dem Ostfriedhof beigesetzt.

Verlobungsanzeige (Dortmunder Zeitung, 21.07.1875)
Verlobungsanzeige (Dortmunder Zeitung, 21.07.1875) Repro: Klaus Winter

Simon Herzfeld, geboren am 6. September 1841, hatte das Dortmunder Gymnasium besucht. Bereits in der ersten Hälfte der 1860er Jahre unterstützte er seinen Vater beim Fellhandel. Nach dessen Tod war er zunächst mit seiner Mutter, dann alleiniger Inhaber der Firma M. Herzfeld & Sohn.

Simon Herzfeld verstarb „plötzlich“ am 21. Mai 1897 im Haus Brückstr. 19. Seine Ehefrau Jenny geb. Edel überlebte ihn um beinahe 20 Jahre. Ihr Todestag ist der 17. April 1917. Das Grab der Eheleute befindet sich auf dem Ostfriedhof.

Hintergrund:

  • Der Historische Verein für Dortmund und die Grafschaft Mark e. V. (gegr. 1871) ist Träger des Projekts „Jüdische Identität, jüdisches Leben und jüdische Friedhöfe in Dortmund“.
  • Ausgehend von einer wissenschaftlich fundierten Bestandsaufnahme aller historischen jüdischen Friedhöfe im Stadtgebiet sollen neue Erkenntnisse über das Leben und Wirken jüdischer Mitbürger gewonnen und dokumentiert werden.
  • Das Projekt wird gefördert mit Mitteln aus dem Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen („Heimatzeugnis“).
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Reaktionen

  1. Norbert

    Ich mag diese unspektakulären Episoden zum früheren Leben in der Stadt. Danke mal wieder.

    Ich glaube, die Bildunterschrift im Abschnitt „Bauliche Veränderungen sollten Geruchsbelästigung unterdrücken“ ist falsch, da sie sich wiederholt zu einem vorherigen Bild.

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