VKU-Kongress mit flammenden Appell an die Bundesregierung eröffnet:

DSW21-Chef Pehlke fordert ein „Sondervermögen zur Bekämpfung der Energiemangellage“

(v.l.): Dr. Patrick Graichen (Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz – digital zugeschaltet), Michael Ebling (OB Stadt Mainz und VKU-Präsident), Karsten Rogall (Geschäftsführer Stadtwerke Leipzig), Julia Antoni (Geschäftsführerin Stadtwerke Oberursel), Guntram Pehlke (Vorstadsvorsitzender DSW21 und VKU-Vizepräsident), Moderatorin Astrid Frohloff
(v.l.): Dr. Patrick Graichen (Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz – digital zugeschaltet), Michael Ebling (OB Stadt Mainz und VKU-Präsident), Karsten Rogall (Geschäftsführer Stadtwerke Leipzig), Julia Antoni (Geschäftsführerin Stadtwerke Oberursel), Guntram Pehlke (Vorstadsvorsitzender DSW21 und VKU-Vizepräsident), Moderatorin Astrid Frohloff. Foto: DSW21

Leipzig/Dortmund. Mit einem flammenden Appell an die Bundesregierung begann am Dienstagmorgen in Leipzig der Stadtwerkekongress des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU). „Auf uns alle rollt ein Tsunami aus Kostenexplosionen und Forderungsausfällen zu. Die Politik muss jetzt schnell einen Schutzschirm für Bürger:innen und Stadtwerke aufspannen“, sagte Guntram Pehlke, Vorstandsvorsitzender der Dortmunder Stadtwerke AG (DSW21) und VKU-Vizepräsident für die Sparte Energie. „Mein Eindruck ist, dass die Bundesregierung die Dramatik der Situation noch nicht verstanden hat oder nicht verstehen will. Vladimir Putin hat Europa den Energiekrieg erklärt – da darf man nicht kleckern. Man muss jetzt klotzen, um das System zu stabilisieren. Die kommunale Daseinsvorsorge ist systemrelevant. Wer denn sonst, wenn nicht wir?!“

DSW21 rechnet mit einemAusfall-Risiko auf bis zu 100 Millionen Euro

Der Adressat saß in seinem Berliner Büro und war digital zugeschaltet. Für Dr. Patrick Graichen, Staatssekretär im grün geführten Wirtschafts- und Klimaschutzministerium von Robert Habeck, war es ein ungemütlicher Vormittag.

Strom- und Gassperrungen sind in Dortmund keine Seltenheit. Fotos: Alex Völkel
Entweder fehlt den Haushalten das Geld oder den Versorgern – daher soll die Kostenexplosion gar nicht erst zu den Endkund:innen durchschlagen. Archivfoto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

Denn exakt in dieselbe Kerbe wie Guntram Pehlke schlugen auch die anderen Expert:innen in der Eröffnungsdiskussion des Kongresses: Michael Ebling (Oberbürgermeister von Mainz und VKU-Präsident), Julia Antoni (Geschäftsführerin Stadtwerke Oberursel) und Karsten Rogall (Geschäftsführer Stadtwerke Leipzig).

„Wir benötigen einen Mechanismus, der uns Sicherheit gibt und sofort greift, wenn ein Stadtwerk in Not gerät“, sagte Ebling. „Ich fange ja auch nicht an, ein Fachgeschäft für Regenschirme zu suchen, wenn es längst in Strömen gießt. Die Politik muss ihr Mikadospiel beenden. Sie muss sich endlich bewegen und den Schutzschirm aufspannen. Jetzt!“

Wie ernst die Situation ist und wie bedrohlich sie sehr schnell werden kann, verdeutlichte DSW21-Chef Guntram Pehlke. „Wenn wir in Dortmund Forderungsausfälle von zehn Prozent hätten – und manche Experten befürchten weit mehr –, beläuft sich unser Risiko auf bis zu 100 Millionen Euro.“

Forderung: Preisexplosion darf nicht bei Endkund:innen ankommen

Summen, verdeutlichte Ebling, die die Kommunalwirtschaft in existenzielle Nöte bringen können. „Können immer mehr Kund:innen, private wie gewerbliche, ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen, bekommen wir Versorger ein Liquiditätsproblem, das selbst das gesündeste Stadtwerk in ernsthafte Nöte stürzt.“

Stadtwerke-Chef Guntram Pehlke
Stadtwerke-Chef Guntram Pehlke Foto: DSW21

Deshalb, so die Forderung von Guntram Pehlke: „Wir brauchen keinen bunten Strauß von Maßnahmen, die möglicherweise irgendwann in Zukunft greifen. Das ist alles Unfug. Wir müssen uns vor die Lage bringen und verhindern, dass die Preisexplosion überhaupt bei den Bürger:innen und Unternehmen ankommt.“

Wie das geht, sagte Dortmunds Stadtwerke-Chef auch: über ein Sondervermögen, das die Bundesregierung auflegt, wie einst für die Kosten der Deutschen Einheit. „Die dafür erforderlichen neuen Kredite kann der Bund dann über Jahrzehnte gestreckt zurückführen.“

Ampel-Streit: Das Wirtschaftsministerium kritisiert den Finanzminister

Doch genau an der Stelle hapert es, wie Staatssekretär Patrick Graichen durchblicken ließ: „Ich verstehe die Zusammenhänge und Probleme. Mir müssen Sie das nicht erklären.“ Die Diskussionen innerhalb der Ampelkoalition seien aber komplex, weil Finanzminister Christian Lindner (FDP) auf der Schuldenbremse stehe.

„Natürlich müssen wir eine starke Antwort auf Putin geben, aber es ist schwierig, wenn wir mit dem Finanzminister immer wieder um jeden Cent feilschen müssen“, so Graichen. Eine Zustandsbeschreibung, die Julia Antoni unter dem Applaus des Plenums so kommentierte: „Mir ist es eigentlich egal, wer gerade Minister ist. Wir brauchen eine Lösung!“

Was auf dem Spiel steht, wenn es die nicht gibt, machten Michael Ebling und Guntram Pehlke deutlich: „Viele Bürgerinnen und Bürge wird die Preisexplosion schlicht überfordern“, so Ebling. Dabei dürfe man auch nicht ausblenden, so Pehlke, „dass wir Gefahr laufen, den gesellschaftlichen Frieden zu gefährden – und damit letztlich die Demokratie.“

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Reaktionen

  1. IHK-Statement zum wirtschaftlichen Abwehrschirm der Bundesregierung (PM)

    Zum heute von der Bundesregierung angekündigten „wirtschaftlichen Abwehrschirm“ eine kurze Einschätzung von IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Schreiber:

    „Der von der Bundesregierung geplante wirtschaftliche Abwehrschirm in Höhe von 200 Milliarden Euro ist ein starkes Signal, denn die dramatisch gestiegenen Gas- und Strompreise bedrohen mittlerweile nicht nur die energieintensive Industrie, sondern große Teile der gesamten Wirtschaft. Energie muss ohne Wenn und Aber bezahlbar bleiben, sonst ist der Wirtschaftsstandort in Gefahr. Und die finanziellen Entlastungen müssen schnell kommen. Unklar ist nach der Absage an die Gasumlage allerdings, welches Modell der Gaspreisbremse in Kraft treten wird. Diesen Prozess werden die Unternehmen sehr aufmerksam verfolgen. Wir freuen uns, dass die Politik den Appellen der IHK-Organisation und vieler Verbände entgegenkommt. Aber weitere Schritte müssen folgen. Es bleibt zum Beispiel weiterhin dringend notwendig, alle verfügbaren Kohle- und Ölkraftwerke in den Markt zurückzuholen und die verfügbaren Kernkraftwerke bis zum Ende der Krise weiter zu betreiben.“

  2. DEW21 gibt Entlastungen an ihre Kund*innen weiter: Rücknahme der Gasbeschaffungsumlage sowie Senkung der Umsatzsteuer zum 1. Oktober 2022 (PM)

    Die Dortmunder Energie- und Wasserversorgung GmbH (DEW21) wird die von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen zur Entlastung der Bürger*innen vollumfänglich an ihre Kund*innen weitergeben. Das beinhaltet die Absenkung der Umsatzsteuer von 19 auf 7 Prozent sowie die Rücknahme der Gasbeschaffungsumlage zum 1. Oktober 2022.

    Vor diesem Hintergrund wird DEW21 die Preise aller Tarife neu kalkulieren und die monatlichen Abschlagszahlungen für ihre Kund*innen entsprechend reduzieren. DEW21 setzt die Preissenkungen stichtagsgerecht zum 1. Oktober 2022 um, die systemseitige Anpassung nimmt jedoch etwas Zeit in Anspruch. Daher bittet das Unternehmen ihre Kund*innen um Geduld, bis sie alle neuen Preise im System finden und sie individuell über ihre neuen Abschlagspläne informiert werden.

    Damit es zu keinen doppelten Veränderungen bei den Abschlagsanpassungen kommt, bittet DEW21 ihre Kund*innen, zwischenzeitlich auf eigene Anpassungen zu verzichten. Informationen zur Gaspreisbremse wird DEW21 wie gewohnt über ihre Kanäle veröffentlichen, sobald diese von der Expertenkommission veröffentlicht sind.
    Dieses Vorgehen gilt vorbehaltlich der tatsächlichen Umsetzung auf Bundesebene.

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