Bewertung des dritten Entlastungspakets fällt sehr unterschiedlich aus

In Dortmund werden künftig deutlich mehr Menschen Wohngeld bekommen können

Die Umdrehungen der Gas- und Stromzähler werden für immer mehr Menschen zu einem Problem. Archivfoto: Thomas Engel für Nordstadtblogger.de

Der Angriffskrieg auf die Ukraine und die damit einhergehende Energie- und Gaskrise sowie die Entwicklung der Inflation hat die Bundesregierung bewegt, ein weiteres Entlastungspaket auf den Weg zu schicken. Die Bewertung fällt – wenig überraschend – sehr unterschiedlich aus. Deutlichstes Signal ist die Ausweitung des Wohngeldanspruchs – viele Dortmunder:innen werden davon profitieren.

Westphal: „Die Strompreisbremse ist ein erster Schritt“

„Ich halte das, was da beschlossen wurde, für einen guten Weg und ein richtiges Signal. Es zeigt, dass sich die Koalition auf den Weg macht und den richtigen Weg geht“, kommentierte Dortmunds OB Thomas Westphal die Beschlüsse. Insbesondere, „nicht nur in Sozialpaketen, sondern in wirtschaftspolitischer Regulierung“ zu denken, sei der richtige Weg. 

OB Thomas Westphal. Foto: Anja Cord
OB Thomas Westphal. Foto: Anja Cord für Nordstadtblogger.de

Es brauche Preisdämpfungen: „Die Strompreisbremse ist ein erster Schritt. Es hat mich sehr gefreut, weil ich das Thema schon im Sommer angefangen habe vorzubringen“, sagte er mit Blick auf seine Vorschläge, die über den Städtetag an Land und Bund herangetragen wurden. 

„Für einige geht das zu langsam, das geht mir auch so“, so der OB. Aber es seien „schwerwiegende Themen“ und es gebe eine „Koalition, wo es so viele Farben gibt“, zeigte der SPD-Politiker durchaus Verständnis.  Entscheidend sei, dass die Preissteigerungen nicht nur durch die Haushalte getragen werden könnten. „Es gibt weitere Sozialsicherungspakete. Wir werten das aus“ sagte er mit dem Vorbehalt, dass die Maßnahmen noch nicht „operativ vorliegen“. 

Anspruch auf Wohngeld wird ausgeweitet – Dortmund rechnet mit einer Verdoppelung

Sowohl die Wohngelderhöhung bzw. die Ausweitung des Bezugs als auch andere Regelungen, wie man in Hilfestellung kommen könne, seien richtig. „Niemand darf alleine auf Mehrkosten sitzenbleiben“, betonte Thomas Westphal abermals.

Der Dortmunder Planungsdezernent Ludger Wilde stellte zum letzten Mal den Wohnungsmarktbericht vor.
Planungsdezernent Ludger Wilde Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Auch wenn es noch keine konkreten Berechnungen gibt, geht der Dortmunder Planungsdezernent Ludger Wilde – das Amt für Wohnen gehört zu seinem Dezernat – von einer deutlichen Ausweitung beim Wohngeld aus.

„Wir gehen davon aus, dass sich die Zahl deutlich erhöhen, ja wahrscheinlich verdoppeln wird. Zum 31. August 2022 – also dem letzten Auszahlungstermin – standen insgesamt 6.072 Haushalte mit geschätzt 13.200 Personen im Wohngeldbezug.

Diese Zahl könnte sich nun verdoppeln: „Wir sind schon dabei, uns vor dem Hintergrund der zusätzlichen Bedarfe zu organisieren, wie wir das personell hintereinander bekommen. Ab Januar wird es losgehen und die Anfragen dann ansteigen. Wir bereiten uns vor, dem Ansturm gerecht zur werden“, so Wilde.

IG Metall: „Durch diese Krise kommen wir nur mit sozialer Gerechtigkeit“

Ulrike Hölter. ist die Erste Bevollmächtigte der IG Metall Ruhrgebiet Mitte.
Ulrike Hölter. ist die Erste Bevollmächtigte der IG Metall Ruhrgebiet Mitte. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Positiv bewertet die IG Metall Ruhrgebiet-Mitte das angekündigte dritte Entlastungspaket. Damit habe sich die Ampel-Koalition bewegt und Forderungen der IG Metall aufgegriffen: „Gewerkschaftliches Engagement und Solidarität zahlen sich aus. Das ist ein Erfolg für unsere Mitglieder und die Beschäftigten in der Region“, sagte Ulrike Hölter, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Ruhrgebiet Mitte.

Innerhalb weniger Wochen hatten sich mehrere hundert Metaller:innen und ihre Kolleg:innen in den Betrieben aus Bochum, Dortmund, Herne und Lünen an der  IG Metall-Unterschriftenaktion „Krisengewinne abschöpfen – Kosten deckeln!“ beteiligt.

Darunter waren viele Beschäftigte aus Betrieben wie der KHS GmbH, der thyssenkrupp Steel Europe AG und der Mendritzki GmbH & Co. KG. Bundesweit schlossen sich über 200.000 Menschen dem Appell an die Politik an.

Die IG Metall fordert weiter eine Übergewinnsteuer

„Die breite Unterstützung der Menschen setzte ein klares Zeichen. Die Bundesregierung muss bei den jetzt beschlossenen Maßnahmen jedoch nachsteuern und der auch profitgetriebenen Inflation Einhalt gebieten. Durch diese Krise kommen wir nur mit weiteren Entlastungen und sozialer Gerechtigkeit“, macht Ulrike Hölter, deutlich. 

Archivbild: Thomas Engel

Die Preis-Krise treffe alle: Zuhause, im Supermarkt oder an der Zapfsäule. „Es war überfällig, dass die Bundesregierung entsprechend unserer Forderung jetzt endlich auch Studierende sowie Rentnerinnen und Rentner entlastet“, sagte Ulrike Hölter. Allerdings seien die weiteren Maßnahmen für Durchschnittshaushalte unzureichend.

Konkret forderten die Menschen aus der Region Ruhrgebiet Mitte gemeinsam mit der IG Metall unter anderem, mit einer Übergewinnsteuer Entlastungen für die Allgemeinheit zu finanzieren. „Leider bleibt die Bundesregierung bei vielem sehr vage: Die Strompreisbremse ist wichtig, aber sie springt zu kurz. Über den Gaspreisdeckel darf nicht nur gesprochen werden, die Bürger:innen sind auf ihn angewiesen“, sagte Ulrike Hölter.

Handwerk: Beschlossene Hilfen bringen nicht erhoffte Entlastungen

Nicht so begeistert vom dritten Entlastungspaket ist man in der Dortmunder Wirtschaft: Denn viele Handwerksbetriebe fürchten um ihre Existenz, sehen aber kaum Unterstützung. „Die beschlossenen Hilfen der Bundesregierung bringen nicht die erhofften Entlastungen für unsere Betriebe“, kommentiert Berthold Schröder, Präsident der Handwerkskammer (HWK) Dortmund. 

HWK-Präsident Berthold Schröder
HWK-Präsident Berthold Schröder Foto: Kusch/ HWK Dortmund

Auch wenn das Paket einige wesentliche Vorschläge des Handwerks aufgreife – wie etwa eine Erweiterung der anspruchsberechtigten Betriebe für das Energiekostendämpfungsprogramm – seien die meisten der geplanten Maßnahmen zu unkonkret oder kämen schlichtweg zu spät, um in der Praxis echte Entlastungseffekte zu erzielen.

Auch zielten die meisten Maßnahmen hauptsächlich auf private Haushalte ab und berücksichtigten nicht die kritische Lage, in der sich die Unternehmen derzeit befänden. „Viele Handwerksbetriebe fürchten um ihre Existenz und brauchen jetzt schnelle Unterstützung. Diese stellt das Entlastungspaket allerdings nicht in Aussicht. Um die enormen Preissteigerungen abzufedern und damit Arbeits- und Ausbildungsplätze zu erhalten, müssen unbedingt weitere Hilfen auf den Weg gebracht werden, die schnell greifen“, fordert Schröder. 

IHK freut sich über Hilfen für Azubis und Studierende

IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Schreiber. Foto: Stephan Schuetze
IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Schreiber. Foto: Stephan Schuetze für die IHK Dortmund

„Das Entlastungspaket hilft vor allem den Energiepreisschock bei den privaten Haushalten abzumildern. Wir als IHK freuen uns, dass jetzt auch Auszubildende und Studierende unterstützt werden“, betont Stefan Schreiber, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Dortmund.

Aber die Ausführungen zu den Hilfen für Unternehmen blieben relativ unkonkret. Das gelte insbesondere für die angekündigte Erweiterung der Unternehmenshilfen für energieintensive Betriebe.

„Immerhin zeichnet sich mit dem Basis-Stromtarif für kleine Unternehmen eine verlässliche Entlastung ab. Allerdings verbrauchen auch Gaststätten und Hotels sowie der Einzelhandel viel Energie, nicht nur die Industrie“, so Schreiber.

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Reaktionen

  1. Wolfgang Richter

    Habecks politische Insolvenz in Sicht?

    Was man alles in diesen Zeiten lernt. Zum Beispiel, dass Kapitalismus ohne Warenproduktion und -tausch, ohne Herstellen und ohne Kaufen und Verkaufen, für alle funktionieren kann. Die Empfehlung des Wirtschaftsministers Robert Habeck, man solle einfach nicht produzieren und nicht verkaufen, wenn eine Krise es gerade nicht erlaube. Klingt nach Kinderbuch, ist aber 2022 der Tipp des Vizekanzlers an Betriebe und deren Beschäftigte in Not.

    Es ist der gleiche Grüne, der eigenhändig die Energiekrise und alle ihre Folgen ausgelöst hatte. Sie sollte im sanktionierenden „Wirtschaftskrieg“ Russland lähmen, die Ukraine auf Sieg stellen und in Deutschland und Europa zum sozialen Zusammenhalt der so massiv gebeutelten Krisengeneration führen. Das ist misslungen. Hierzulande häufen sich die Insolvenzen.

    Geschichte scheint sich zumindest ähnlich zu wiederholen. In den 90er Jahren bekamen die neuen Bundesdeutschen im Osten „beleuchtete Wiesen“ statt blühender Landschaften – voll erschlossene Gewerbegebiete mit „nichts drauf“, um Arbeitsplätze zu schaffen. Eine nahezu komplette Deindustrialisierung durch den brutalen Marktschock war die Folge der „Wende“. Ist das die Habeck‘sche schöne Vision von Naturschutz und mehr Grün in den Städten? Man spart obendrein mächtig Gas.

    Wer hinsieht, erkennt ähnliche Motive der US-Wirtschaft und –politik gegenüber Deutschland und Europa, nicht erst seit heute, aber heute immer deutlicher. Der brutale Preisschock für Energie nebst allen Folgen treibt den Produktionsstandort Europa aus dem Markt. Offenbar haben sich die Kriegsziele der USA in der Ukraine erweitert: neben exorbitanten Einnahmen beim Flüssiggas schlägt man auch und insbesondere den Konkurrenten Deutschland aus dem Feld. Ein wahrhaft transatlantisches Moment!

    Wolfgang Richter

      • Claus-Dieter Stille

        Abenteuerlich, Ihr Kommentar, Herr Felix Fischer. Wolfgang Richter sagt, was ist. Wie Sahra Wagenknecht kürzlich im Bundestag ebenfalls Tacheles redete. Aber dann ist man „Fünfte Kolonne Moskaus“ (tönt ja fast wie in Adenauer-Zeiten) oder Putin-Lobbyistin und wird sogar von der eigenen Partei beschimpft. Die jetzt auf die Bevölkerung und die Wirtschaft zugekommenen Probleme sind in der Mehrzahl hausgemacht. Wagenknecht nannte unsere Regierung „die dümmste“ Europas. Der Meinung muss man sein, wenn man sieht, was sie anrichtet. Oder steckt Methode dahinter? Deutschland wird gegen die Wand gefahren. Wer profititiert davon? Mag sich jeder selbst diese Frage beantworten. Und dann darf man sich auch fragen, in wessem Interesse die Bundesregierung agiert. Ihren Amtseid bricht diese unsäglichste aller bisherigen Bundesregierungen in unverfrorener Weise. Ist dieser Amtseid eigentlich einklagbar, bzw.: wie wird der Bruch des Amtseides eigentlich sanktioniert? Oder steht dieser womöglich nur auf dem Papier? Ich frage für die Demokratie.

        • Rudolf Meyer

          Natürlich tönt es wie zu Adenauers Zeiten. Denn die Herren Stille und Richter hängen ideologisch auch in diesen Zeiten fest… (natürlich fest verankert auf der östlichen Seite des eisernen Vorhangs)

  2. Rudi

    Herr Richter schreibt knapp am Thema vorbei — am Thema des Artikels.

    Schade um den langen Text, muss einiges an Zeit gekostet haben.

    Aber knapp vorbei … ist auch daneben.

  3. Arm trotz Arbeit: Freie Wohlfahrtspflege NRW veröffentlicht Arbeitslosenreport (PM)

    Der aktuelle Arbeitslosenreport der Freien Wohlfahrtspflege NRW zeigt, dass mehr als 22 Prozent der SGB II- Leistungsempfänger*innen sogenannte Aufstocker*innen sind. Der größte Teil dieser Aufstocker*innen sind Leistungsempfänger*innen, die trotz Erwerbstätigkeit auf Grundsicherungsleistungen angewiesen sind. Ein geringerer Teil erhält Sozialleistungen wie Kranken- oder Arbeitslosengeld.

    Christian Woltering, Vorsitzender der Freien Wohlfahrtspflege NRW: „Es ist skandalös, dass so viele Menschen aufstockende Leistungen beim Jobcenter beantragen müssen.” Lag der Anteil derer, die zusätzlich zu ihrem sozialversicherungspflichtigen Lohnentgelt noch Hartz IV beantragen müssen, 2007 noch bei etwa 8 Prozent in NRW, so waren es 2021 fast 11 Prozent.

    Dazu passt, dass das mittlere Einkommen in NRW im Vergleich zum Bund weniger stark steigt. „Das ist Ausdruck des Verlustes von hochqualifizierten und gut bezahlten Industriearbeitsplätzen und der Ausweitung von billigen Dienstleistungsjobs. Das geschieht in NRW ausgeprägter als anderswo in Deutschland“, sagt Woltering. „Wir brauchen dringend eine Aufwertung von Arbeitsplätzen vor allem im häufig schlecht bezahlten Dienstleistungsbereich“, so Woltering.

    Der wachsende Niedriglohnsektor sorgt dabei dafür, dass bei immer mehr Menschen das Einkommen nicht zur Versorgung der Familie ausreicht. Schon jetzt verdienen in NRW 9,6 Prozent der sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten lediglich 2.000 Euro brutto pro Monat und weniger. Und unter denen verdienen Frauen und Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit besonders schlecht. Der Frauenanteil im Niedriglohnsektor ist mit 14,5 % doppelt so hoch wie der der Männer (7,4 %).

    Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit stehen mit 22,8 % im Vergleich sogar dreifach schlechter da als Deutsche (7,5 %). Und das nicht nur im Niedriglohnsegment. Zu erklären sei das nur in Teilen mit fehlenden Qualifikationen bei Zugewanderten, so Woltering. Es scheint offensichtlich, dass es strukturelle Diskriminierungen bei der Entlohnung gibt, indem Frauen und Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit für die gleichen Jobs schlechter bezahlt werden. „Hier muss der Gesetzgeber stärker aktiv werden, um gerechte und angemessene Bezahlung aller Menschen zu gewährleisten. Zudem braucht es mehr Kinderbetreuungsangebote, damit sich Familie und Beruf besser vereinbaren lassen.“

    Hintergrundinformationen

    Der Arbeitslosenreport NRW ist ein Kooperationsprojekt der Freien Wohlfahrtspflege NRW mit dem Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Er erscheint mehrmals jährlich. Basis sind Daten der offiziellen Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Hinzu kommen Kennzahlen zu Unterbeschäftigung, Langzeitarbeitslosigkeit und zur Zahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften, um längerfristige Entwicklungen sichtbar zu machen. Der Arbeitslosenreport NRW sowie Datenblätter mit regionalen Zahlen können im Internet heruntergeladen werden.

    http://www.arbeitslosenreport-nrw.de

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