Dortmunder Dichter neu entdeckt: Ausstellungen und Roman-Veröffentlichungen rund um Erich Grisar

Erich Grisar (1898-1955) ist bekannt als Arbeiter-Schriftsteller und Erzähler. 60 Jahre nach seinem Tod ergibt sich nun ein neuer Blick auf den Dortmunder, der auch als Journalist und Fotograf tätig war, ermöglicht vom Dortmunder Stadtarchiv, Fritz-Hüser-Institut, Ruhr Museum Essen sowie Landschaftsverband Westfalen-Lippe.

Anerkennung als Arbeiterdichter, Lebensunterhalt  als Journalist und Fotoreporter

CoverCaesar9Ausstellungen und (Neu-)Veröffentlichungen seiner Romane erinnern in diesem und den kommenden beiden Jahren an den Künstler Erich Grisar, dem in Dortmund auch eine Straße gewidmet ist: Ein Schriftsteller, Fotograf, Journalist und ein kreativer Mensch in schwierigen Zeiten.

Erich Grisar stammt aus Dortmund, war Soldat im Ersten Weltkrieg und lebte danach einige Zeit in Leipzig.

Seit 1924 arbeitete er als Schriftsteller und Journalist wieder in seiner Heimatstadt. Als Arbeiterdichter erwarb er sich vielfältige Anerkennung, seinen Lebensunterhalt verdiente er aber als Journalist und Fotoreporter.

Buchveröffentlichung: „Cäsar 9“

Den Anfang der Aktivitäten rund um Erich Grisar macht am Mittwoch, 9. Dezember, 19 Uhr eine Buchvorstellung in der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache.

Prof. Dr. Walter Gödden, Geschäftsführer der LWL-Literaturkommission für Westfalen, und der Herausgeber und Literaturwissenschaftler Arnold Maxwill stellen Erich Grisars bislang unveröffentlichten Roman „Cäsar 9“ vor.

Der Dortmunder Schauspieler Claus Dieter Clausnitzer wird daraus lesen. Der Eintritt ist frei.

Roman enthält dokumentarische Szenen aus dem zerstörten Dortmund

Der Roman „Cäsar 9“ lag im Nachlass Grisars, wurde jedoch nie veröffentlicht. „Der Roman von der Zerstörung der Stadt Dortmund im letzten Weltkrieg enthält grandiose und dokumentarische Szenen – er ist leider immer noch ungedruckt!“, so Büchereidirektor Fritz Hüser im Jahr 1968.

Zu nah schienen erst einmal die Ereignisse und zu deutlich der Blick auf das eigene Versagen, als dass man davon hätte lesen wollen. Das Buch erzählt von den Katastrophen und Umbrüchen der Jahre 1943 bis 1946: Die Stadt Dortmund lag während der alliierten Luftangriffe im Planquadrat Cäsar 9.

Die Flucht der Ausgebombten und die Furcht von Spitzeln

Dortmund glich bei Kriegsende eher den Ruinen des antiken Karthagos als einer modernen Großstadt. Foto: Stadtarchiv
Dortmund glich bei Kriegsende eher den Ruinen des antiken Karthagos als einer modernen Großstadt. Foto: Stadtarchiv

Doch nicht nur vom Bombenkrieg, auch von Wohnungsnot, Zwangsarbeitern, Kriegsheimkehrern, Massenermordungen und der Hoffnung auf eine bessere Zukunft berichtet der Roman.

In der Zusammenschau entsteht ein Panorama vom Leben und Überleben in Dortmund während des Zweiten Weltkriegs und der Zeit unmittelbar danach. Die Flucht der Ausgebombten ist dabei ebenso Thema wie die Furcht vor Spitzeln und übereifrigen Parteimitgliedern.

Das nahende Kriegsende und die absehbare Niederlage bergen noch ganz neue Gefahren. Neben Wohnungs- und Hungersnot kommt es in den letzten Kriegswochen zu wütenden Vergeltungsakten an Systemkritikern und Kriegsgefangenen: Mehr als 280 Menschen ermordete die Gestapo im Frühjahr 1945 in Dortmund und verscharrte ihre Leichen in Bombentrichtern im Rombergpark und in der Bittermark.

Auch der Frieden nach dem Einmarsch der Amerikaner führte zu der bitteren Erkenntnis, dass im Rathaus oft diejenigen das Sagen haben, die schon mit den bisherigen Machthabern gut kooperierten.

Fotoausstellung „Erich Grisar – Ruhrgebietsfotografien 1928-1933“

Erich Grisar arbeitete auch als Journalist und Bildreporter. Mehr als 4200 seiner Fotografien aus dem Ruhrgebiet der 1920er Jahre blieben erhalten und befinden sich heute im Stadtarchiv Dortmund. Das Stadtarchiv hat sie in jüngster Zeit erschlossen und digitalisiert.

Sie bieten bisher ganz unbekannte Ansichten aus dem  Alltagsleben im Ruhrgebiet. In einer großen Fotoausstellung „Erich Grisar. Ruhrgebietsfotografien 1928-1933“ wird eine Auswahl im Ruhr Museum in Essen (ab März 2016) und im LWL-Industriemuseum Zeche Zollern in Dortmund-Bövinghausen (ab März 2017) zu sehen sein.

Weitere Veröffentlichungen

Nach „Cäsar 9“ wird 2016 auch Erich Grisars Roman „Ruhrstadt“ erstmals veröffentlicht und seine humoristisch-autobiografische Erzählung „Kindheit im Kohlenpott“ neu aufgelegt.

Eine bearbeitete und ergänzte Neuauflage des Fotobuchs „Mit Kamera und Schreibmaschine durch Europa“ (1932) mit Fotografien und Texten von Erich Grisar erscheint ebenfalls im März 2016.

Ein Ausschnitt aus dem Roman „Cäsar 9“:

„Diese Angst, die sie aus den Kellern heraus trieb, während oben der Sturm noch durch die Straßen brauste. Das Heulen niedergehender Bomben, das Krachen der Explosionen, das Zischen der Brände. Das Dröhnen der Geschütze, das sie erregte und der Schrecken, der sie erfaßt hat, als das Toben plötzlich nachließ und sie sich dieser ganzen entfesselten Hölle schutzlos preisgegeben sahen. Das alles müssen sie loswerden und sie sind ganz ausgefüllt von der Lust des Atmens und der Freude, daß sie noch leben.“

  • aus: Erich Grisar: Cäsar 9. Roman. Hrsg. im Auftrag des Fritz-Hüser-Instituts von Arnold Maxwill Bielefeld: Aisthesis 2015, 362 S., 19,95 €
  • Die Veröffentlichung erfolgte mit freundlicher Unterstützung durch die Hans-Böckler-Stiftung, die Kunststiftung NRW, den Landschaftsverband Westfalen-Lippe, das Fritz-Hüser-Institut sowie die Fritz-Hüser-Gesellschaft.
  • Die Buchvorstellung findet statt in Kooperation des Stadtarchivs Dortmund, des Dortmunder Fritz-Hüser-Instituts für Literatur und Kultur der Arbeitswelt und der Literaturkommission für Westfalen.
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