Demokratischer „RECHTS-SCHUTZ“ statt Neonazi-„Stadtschutz“: Arbeitskreis stellt Aktivitäten vor

Jutta Reiter und Friedrich Stiller stellen ihre „RECHTS-SCHUTZ“-Hemden vor. Foto: Alex Völkel
Jutta Reiter und Friedrich Stiller stellen ihre „RECHTS-SCHUTZ“-Hemden vor. Foto: Alex Völkel

Dortmund erlebt eine Re-Radikalisierung der Neonazi-Szene – zu dieser Einschätzung kommt der Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus (AKgR). Der Zusammenschluss von mehreren großen Organisationen – darunter Kirchen, DGB und Wohlfahrtsverbände – will daher in diesem Jahr neue Akzente setzen.

Rolle der Dortmunder Staatsanwaltschaft und der Richter im Blick

Sie werden sich weiter mit der Rolle der Justiz auseinandersetzen. Denn anders als bei der Dortmunder Polizei sieht der Arbeitskreis bei Staatsanwaltschaft und Richtern durchaus noch nicht-genutzte Möglichkeiten, das Treiben der Neonazis zu begrenzen.

Viele Aktionen der Partei „Die Rechte“ spielten in der juristischen Grauzone. „Es stellt sich die Frage, ob Neonazis sehr intelligent agieren, oder ob sich der Rechtsstaat mit seiner Auslegung der Gesetze lächerlich macht“, verdeutlicht Stiller das Dilemma.

Denn in Dortmund seien die Auslegungen der Sachverhalte sehr isoliert und „abstrakt“ bewertet worden.

In anderen Städten schauten Staatsanwaltschaft und Richter stärker auf das Umfeld und die bisherigen Aktivitäten, was u.a. in Münster einem Dortmunder Neonazi eine zweijährige Haftstrafe ohne Bewährung wegen Volksverhetzung einbrachte.

Arbeitskreis tritt als „RECHTS-SCHUTZ“ dem Neonazi-„Stadtschutz“ entgegen

Der „Stadtschutz Dortmund“ ist der Polizei ein Dorn im Auge.
Der „Stadtschutz Dortmund“ ist nicht nur der heimischen Polizei ein Dorn im Auge.

In Dortmund gibt es solche Urteile eher selten: Die Sprechchöre der Neonazis, dass der Polizeipräsident in einem Kofferraum enden werde – für die Antifaschisten eine klare Morddrohung – sah die Strafverfolgung in Dortmund als nicht justiziabel an.

Ähnliches Kopfschütteln löste die Entscheidung aus, die T-Shirts der Neonazis, die in einheitlichem „Stadtschutz“-Outfit angetreten waren, nicht mit Uniform-Teilen, sondern mit Hemden von Junggesellenabschieden gleichzusetzen.

Stattdessen müssten sich noch immer Demokraten damit herumschlagen, dass gegen sie weiterhin Nötigungsverfahren laufen, weil sie am Wahlabend im Mai 2014 Neonazis am Betreten des Rathauses gehindert hätten.

Der Arbeitskreis hat darauf jetzt auch eine satirische Antwort gegeben und „RECHTS-SCHUTZ“-T-Shirts drucken lassen. die Hemden gehören zu den neuen Materialien, die man im Kampf gegen Rechts einsetzen möchte.

Unterstützung für die Aktionsbündnisse und Runden Tische

Der stadtweit aufgestellte Arbeitskreis möchte auch weiterhin die Aktionsbündnisse und „Runden Tische“ in den Stadtteilen unterstützen. So bieten sie Know-how, Referenten und auch Materialien für die Arbeit an.

Die gute Nachricht: Trotz des verstärkten Engagements der Neonazis gegen Flüchtlinge in mehreren Stadtteilen habe dies bisher nicht verfangen. „Noch sind die Neonazis weitgehen isoliert“, so Reiter.

In allen Stadtbezirken seien erfolgreich alte zivilgesellschaftliche Netzwerke reaktiviert oder neue gegen Rechtsextremismus ins Leben gerufen worden. „Keine der 66 Neonazi-Kundgebungen ist ohne Reaktion der Bürgerschaft geblieben“, so Stiller. „Nicht desto trotz: Wir müssen bei manchen Stadtteilen sehr aufmerksam sein, wie sich das entwickelt, zum Beispiel in Eving.“

Arbeitskreis hat auch die „Alternative für Deutschland“ und die NPD im Blick

Michael Brück spricht auf der Mahnwache der Initiative "Mengede sagt Nein zum Heim" im Juli 2015.
Die Neonazis haben im vergangenen Jahr  viele Mahnwachen und Demos gegen Flüchtlinge gemacht.

Ein Augenmerk werden die Mitstreiter auch auf die Aktivitäten der „Alternative für Deutschland“ (AfD) werfen: „Ihr Fraktionssprecher Garbe hat sich im Rat sehr radikal geäußert. Das fand ich sehr bezeichnend“, betont Jutta Reiter, ebenfalls Sprecherin des Arbeitskreises. „Die AfD ist zurzeit ein verbaler Brandstifter.“

Die Äußerungen seien ähnlich denen der Partei „Die Rechte“. Allerdings seien die Neonazis – anders als die AfD – wegen ihres Gewaltpotenzials nicht anschlussfähig.

Innerhalb des Arbeitskreises gibt es aber noch keine gemeinsame Bewertung: „Noch sind sie rechtspopulistisch. Aber da entwickelt sich etwas“, ergänzt Stiller.

Ein Augenmerk will man zudem auf die Verbotsverfahren gegen die NPD legen: Am 1. und 2. März wird vor dem Bundesverfassungsgericht öffentlich über das NPD-Verbot verhandelt. „Auch da werden wir genauer hinschauen und auch dazu eine öffentliche Veranstaltung planen“, kündigte Reiter an.

Der Arbeitskreis wird auch den 4. Juni aktiv begleiten – die Neonazis wollen dann die Neonazi-Großveranstaltung „Tag der deutschen Zukunft“ nach Dortmund holen. Bisher gibt es seitens des Arbeitskreises nur ein Grobkonzept. „Das werden wir mit anderen Organisationen vertiefen“. kündigte Reiter an.

Erstmals eine gemeinsame Internetseite der Mitgliedsverbände

Wer mehr wissen möchte, hat dazu jetzt ein neues Informationsangebot: Über seine Arbeit berichtet der Arbeitskreis nun ab sofort auch auf einer eigenen Internetseite: „www.dortmund-rechts.de.

Bislang waren die Aktivitäten nur auf den Seiten der Mitgliedsverbände zu sehen. Jetzt gibt es erstmals eine gemeinsame Plattform. „Nach zehn Jahren sind wir auch im Web 1.0 angekommen“, gibt sich Arbeitskreissprecher Pfarrer Friedrich Stiller selbstironisch.

Dort sind neben den Aktivitäten auch die Dossiers und Rundbriefe der letzten zehn Jahre abrufbar.

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