„Wir wollen uns nicht mehr von anderen definieren lassen“

„Black Attitude Festival“ in Dortmund

Im Theater des Depots an der Immermannstraße findet das „Black Attitude Festival“ ab 18 Uhr statt.
Im Theater des Depots an der Immermannstraße findet das „Black Attitude Festival“ ab 18 Uhr statt. Nordstadtblogger-Redaktion | Nordstadtblogger

Um den 16-jährigen Geflüchteten Mouhamed Lamin Dramé zu ehren, der von einem Polizisten in der Nordstadt erschossen wurde, und parallel Schwarze Kultur zu zelebrieren, organisiert eine junge Gruppe von Aktivist: innen das „Black Attitude Festival“.  Es findet am 3. März 2023 (Freitag) ist es soweit: Im Theater des Depots an der Immermannstraße findet das „Black Attitude Festival“ ab 18 Uhr statt.  Weli Matuke sprach für nordstadtblogger.de mit Emilie Jelinek von Organisationsteam über das Festival und den Bedarf an Räumen für Empowerment, Vernetzung, Kultur- und Erfahrungsaustausch von schwarzen Menschen in Deutschland. 

Frage: Was hat euch motiviert, dass Black Attitude Festival auf die Beine zu stellen?

1: 8 Minuten und 46 Sekunden lang knieten die Demonstrant*innen in Gedenken an George Floyd. 2:
Nur selten denkt die weiße Mehrheitsgesellschaft an Schwarze Personen. Ausnahmen sind Demos wie „I can’t breath“  in Gedenken an George Floyd – ebenfalls ein Opfer von Polizeigewalt. Foto: Mariana Bittermann

Emilie Jelinek: Die Mitglieder aus dem Orga-Team sind Genoss: innen aus den verschiedensten Subgruppierungen. Viele von uns kennen sich bereits durch andere politische Bewegungen. Bei vielen verschiedenen Events ist uns aufgefallen, dass die Schwarze Kultur und dieses Zusammengehörigkeitsgefühl untereinander nur an wenigen Orten Repräsentanz findet.

Und dadurch haben wir uns gedacht: Ey, eigentlich müsste es mal was geben, beziehungsweise wir müssen was veranstalten, dass die Communities mehr zusammen bringt.

Uns ist aufgefallen, dass sobald schwarze Personen zusammen kommen es immer sehr negativ beäugt wird, die Menschen assoziieren immer direkt, dass es sich um einen Aufstand handelt, plötzlich hat es etwas mit der Geschichte der Black Panther Bewegung zu tun und mit Aufruhe, die diese Gesellschaft einfach nicht sehen möchte.

Wenn ich sauer bin, dass eine nicht Schwarze Person das N-Wort benutzt, dann ist das legitim! Und ich darf mir das dann nicht nehmen lassen bzw. wir wollen uns das dann nicht nehmen lassen, in Räumen zu sein, wo es um Schwarze Kultur geht!

Welches Publikum ist willkommen auf eurem Event, gerade war ja die Rede davon Räume für Schwarze Menschen zu schaffen?

Auf dem Black Attitude Festival sind alle Künstler: innen Schwarz, Leute die wir bezahlen sind Schwarz, die Freiwilligen sind Schwarz es geht um Repräsentation!

Die Kernidee war tatsächlich, dass es ein BIPoC-only-Event werden soll, andererseits kamen voll viele Stimmen dazu, dass schwarze Kultur zelebrieren ja nicht nur untereinander wichtig ist sondern auch mit anderen Menschen und daher sind wir dann zu dem Schluss gekommen, dass es schön wäre, wenn ganz Dortmund am 3. März gemeinsam mit uns schwarze Kultur feiert.

(Anm.d.Red.: „B(I)PoC“ ist ein Begriff, der sich auf Schwarze, Indigene und People of Color bezieht. Mit dem Begriff sollen explizit Schwarze und indigene Identitäten sichtbar gemacht werden, um Antischwarzem Rassismus und der Unsichtbarkeit indigener Gemeinschaften entgegenzuwirken.)

Wie seid ihr auf den außergewöhnlichen Namen „Black Attitude“ gekommen bzw. wofür steht der Veranstaltungstitel?

„Es geht um Repräsentation“- Emilie Jelinek aus dem Orga-Team des Black Attitude Festivals im Interview.
„Es geht um Repräsentation“- Emilie Jelinek aus dem Orga-Team des Black Attitude Festivals im Interview. Foto: Milan Reinker

Wir hatten mehrere Vorschläge, als die Endscheidung gefallen ist war unser erster Gedanke: wie könnten die Gäste den Titel aufnehmen, der Begriff Attitude ist ja auch sehr negativ konnotiert, oft wird beispielsweise der Schwarze Frau stereotypisch nachgesagt sie habe eine Attitude, ist laut, immer wütend und aufgebracht.

Anfangs waren viele aus dem Team daher gegen den Titel, gleichzeitig haben wir uns die Frage gestellt, warum wollen wir nicht, dass das Festival den Namen trägt und die Antwort darauf viel uns allen leicht, weil die weiße Mehrheitsgesellschaft gesagt hat: diese Merkmale die Schwarze Kultur ausmachen, dass wir laut und dass wir froh sind in ihrer Interpretation als unhöflich und anstrengend gewertet werden.

Einerseits ist die Titel Wahl sehr provokant, aber gerade deswegen haben wir uns dafür entschieden, weil wir uns nicht mehr von anderen definieren lassen wollen.

Was für Programm erwartet die Gäste am Freitag im Theater im Depot?

Moh Kanim
Moh Kanim Foto: Julia Weiher

Unsere Programm Punkte sind vielfältig aufgestellt. Wir haben diverse unterschiedliche Musiker: innen wie zum Beispiel Moh Kanim, seine Musik bewegt sich im Spektrum von Sprechgesang und Rap, er hat einen sudanischen Background und in seinen Texten befinden sich viele arabischsprachige Elemente.

Wir haben mehrere Kunst-Ausstellungen, unteranderem dabei ist die Design-Studentin Emiliana die auch ein eigenes Magazin rausgebracht hat, welches sie vorstellen wird.

Emiliana
Emiliana

Wir haben aber auch einen Hair-Workshop im Programm, bei dem die Besucher: innen ganz niedrigschwellig Fragen stellen können wie: „Wie komme ich mit meiner Haarstruktur zurecht, welche Produkte würdest du mir empfehlen?“ Also ganz einfache Fragen auf ganz niedrigschwelliger Ebene, ohne Judgement innerhalb sondern nur Community-Bezug.

Miggy Wattson
Miggy Wattson

Poetryslam steht auch in unserem Programm, hier tritt unteranderem der Künstler Miggy Wattson auf, er sagt von sich selber, er sei auf der Suche nach seinem inneren Kind und verarbeitet diesen Prozess auch in seinen Texten. Neben dem vielfältigen Kunst und Kulturangebot wird es ein Büffet
geben, mit traditionellen Gerichten aus unterschiedlichen Afrikanischen Ländern.

„Der Eintritt ist kostenlos und der ganze Abend läuft auf Spenden-Basis. Unser Ziel ist es, die akquirierten Spendeneinnahmen an die Familie von Mouhamed zu übergeben und wie hoffen so, dass wir ihnen dabei helfen können, ihre Schulden zu tilgen.

Auf euren Flyern steht in der Dachzeile „Justice4Mouhamed“. In was für einer Relation steht die Geschichte von Mouhamed zu eurem Festival?

Das Wandbild zeigt Mouhamed D.
Ein Wandbild am Dortmunder U zeigt(e) Mouhamed Lamin Dramé. Paulina Bermúdez | Nordstadtblogger

Mouhamed ist einer der Anlässe, weshalb wir das Ganze initiiert haben. Mit dem Festival wollen wir Mouhamed gedenken und wie bereits erwähnt mit den Spendeneinnahmen seiner Familie unter die Arme greifen.

Das Festival hat aber auch den Anspruch, Schwarze Kultur zu zelebrieren, schwarze Menschen zu empowern und zu vernetzen.

Weshalb habt ihr die Nordstadt als geeigneten Veranstaltung Ort gewählt?

Es gibt viele Leute, die haben Angst vor der Nordstadt und meiden es hier unterwegs zu sein. Dann gibt es viele Personen die die Nordstadt verurteilen.

Gerade was den Bezug zur Polizei und die Nordwache mit sich bringt, ist die Nordstadt nicht unbedingt der schönste Stadtteil in Dortmund, aber für viele Migras hier in Dortmund ist die Nordstadt eines der Orte, wo man unbekümmert frei sein kann und sich nicht verstellen muss, für die weiße Mehrheitsgesellschaft.

Deshalb haben wir uns bewusst für die Nordstadt entschieden, weil wir hier den Communitybezug wieder aufbauen wollen und auch nach dem Mord an Mouhamed ein Zeichen setzen wollen.

Mehr Informationen:

  • Emilie Jelinek ist „nur“ ein Teil des Organisationsteams.
  • Dazu gehören auch Naemi Mbemba, Zainab Lax, Ruben Meyong, Wlliam Dountio und Yaw.
  • Instagram-Kanal des Festivals: instagram.com/blackattitudefestival/
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Reaktionen

  1. Annette Kritzler

    In mir entsteht große Freude wenn ich das lese. Als „weiiße“ Person bin ich dankbar für die Möglichkeite des “ offenen“ Formats für alle Menschen. Die Arbeit an meiner eigenen „critical withness“ steht noch ganz am Anfang. Das Aufbrechen überkommener „kolonialer“ Machtstrukturen kann nur gemeinsam funktionieren. Dortmund wird sich in den nächsten Jahren noch sehr intensiv mit dem Thema Dekolonialsierung beschäftigen. Ab März eröffnet die Ausstelungswerkstatt „Das ist kolonial“ auf Zeche Zollern. Ich möchte das Team von “ Black Attitude“ hiermit herzlich einladen die Ausstellungswerkstatt zu besuchen. An jedem Sa. von 10-14 Uhr ist die Werkststt ein „safer space“ für BiPoCs. Nutzt den Ort und das Format für Eure Botschaften. Wir freuen uns auf Eure Duskussionsbeiträge!

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