Ausstellung im Hoeschmuseum: Hungrige Mitarbeiter-Kinder wurden im eigenen Heim in Schledehausen aufgepäppelt

Essensausgabe im Kinderheim - die „Raubtierfütterung“ lief ganz geordnet ab.
Essensausgabe im Kinderheim – die „Raubtierfütterung“ lief ganz geordnet ab. Archivbilder: Hoeschmuseum

Von Joachim vom Brocke

„Auf dem Berge“ hieß das Kindererholungsheim Schledehausen im Osnabrücker Land. Von 1921 bis 1935 wurde das Heim von der Dortmunder Hoesch AG betrieben. Kinder von Mitarbeitern, meist unterernährt, wurden hier aufgepäppelt. Anlass für das Hoesch-Museum mit einer Sonderausstellung an die Einrichtung zu erinnern. Eröffnung ist am Sonntag, 12. November, um 11 Uhr.

Betten machen und ihre Stube aufräumen war Pflicht für die Hoesch-Kinder

Mit-Kuratorin Brunhild Kanstein trug mit die Ausstellung über das Hoesch-Kindererholungsheim Schledehausen zusammen.
Mit-Kuratorin Brunhild Kanstein trug mit die Ausstellung über das Kindererholungsheim zusammen.

Museumsleiter Michael Dückershoff schilderte, wie es zu dieser Ausstellung gekommen ist: „Vor eineinhalb Jahren gab es Kontakt zum Historiker Paul Wahl aus Schledehausen, der bereits ein Buch über das Sanatorium geschrieben hatte“, so Dückershoff über die ersten Kontakte. Hier wurde die Idee geboren, eine Ausstellung über das Heim  zusammen zu stellen.

Bis zu 250 Kinder wurden für meist vier Wochen im Betriebskinderheim betreut. Sie wurden medizinisch untersucht, das Gewicht überwacht. Doch es gab auch Drill: Betten machen, Stuben aufräumen gehörte dazu. Spaziergänge und Tagesausflüge in die Umgebung und Spielen in der grünen Landschaft gehörte zu den angenehmen Seiten.

Für Kinder im schulpflichtigen Alter gab es Schulen und Waldschulen in denen Schwestern und Lehrkräfte aus der Umgebung unterrichteten. In Handwerksschulen erhielten die älteren und gewandteren Jungen Einblicke in einzelne Handwerke; für größere Mädchen gab es Näh- und Handarbeitsstunden.

Historiker Paul Wahl erinnert an die Geschichte – Ergiebige Spurensuche im Hoesch-Archiv 

Das Hoesch-Kindererholungsheim Schledehausen anno 1923 - Dr. Otto Quast untersucht Kinder.
Dr. Otto Quast untersucht Kinder: Das Hoesch-Kindererholungsheim Schledehausen anno 1923.

Historiker Paul Wahl will den Besuchern zur Eröffnung am Sonntag über seine Recherchen zum Kindererholungsheim erzählen. Mit dabei der heutige Inhaber von „Auf dem Berge“, denn die 117 Jahre alte Einrichtung gibt es immer noch im Osnabrücker Land. Welche Pläne er mit der fast fünf Hektar großen Anlage vorhat, möchte er den Ausstellungsbesuchern im Hoesch-Museum berichten.

Kurator Michael Dückershoff und Mit-Kuratorin Brunhild Kanstein, Mitarbeiterin im Hoesch-Museum, begaben sich auf Spurensuche. Im Konzernarchiv von ThyssenKrupp, in der das Hoesch-Archiv integriert ist, sowie im Stadtarchiv Dortmund wurde sie fündig.

Alte Pläne tauchten auf, ebenso einige Fotos. „Außerdem“, so Michael Dückershoff, „gab es noch eine betagte Zeitzeugin, die sich auf einen Aufruf in den Medien hin mit ihren Erinnerungen an das Kindererholungsheim gemeldet hatte“.

Geschichte wird auf 17 Bildtafeln erzählt – Oberin Frau Tilly führte ein strenges Regiment

Alte Spiele aus jenen Jahren sind in Vitrinen zu sehen. Fotos: Joachim vom Brocke
Alte Spiele aus jenen Jahren sind in Vitrinen zu sehen. Fotos: Joachim vom Brocke

Auf 17 Bildtafeln und in vier Themenbereichen wird die ehemalige Hoesch-Einrichtung in Schledehausen präsentiert. Knapp 30 MitarbeiterInnen standen im Kindererholungsheim bereit. Viele von ihnen kamen aus dem Dorf und der näheren Umgebung. Zudem arbeiteten Schledehausener Handwerker und Firmen mit dem Kinderheim zusammen.

So ein Schmiedemeister, ein Stellmacher und ein Fuhrunternehmer. Der Allgemeinmediziner Dr. Otto Quast war für die medizinische Betreuung unter Vertrag genommen worden. Darüber hinaus sind Pläne und historische Fotos, Spielzeuge, medizinisches Gerät und Kleidung aus jener Zeit zu sehen.

Über allem thronte Oberin Frau Tilly mit strengem Regiment. Sie und die Oberschwestern waren bei der Hoesch AG angestellt. Ihnen unterstanden die jeweiligen Schwestern, Kindergärtnerinnen, „Wärterinnen“, Köchin und Spülmädchen sowie Wäscherinnen. Doch in den 30iger Jahren wurde es durch die wirtschaftlichen Belastungen immer schwieriger, das Kindererholungsheim zu füllen. Möglicherweise lag es am Eigenanteil der Eltern, die eine Reichsmark pro Tag zuschießen mussten.

Schließlich versuchte die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV), auch für Kindererholungsheime Totalitätsansprüche durchzusetzen. Jedenfalls verpachtete Hoesch Gebäude und Gelände in Schledehausen ab 1. April 1935 an die NSDAP, die daraus ein Kinderheim der NSV machen wollte. 1937 wurde es ganz an die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt abgegeben.

Mehr Informationen:

  • Für Kinder wird ein museumspädagogisches Programm zusammengestellt. Mit Spielen wie damals, zum Beispiel. Interessierte Einrichtungen können sich mit dem Hoesch-Museum (Telefon 844 5856) in Verbindung setzen.
  • Die Ausstellung ist bis zum 18. Februar 2018 zu sehen. Öffnungszeiten: dienstags und mittwochs 13 bis 17 Uhr, Donnerstag 9 bis 17 Uhr, sonntags 10 bis 17 Uhr.
  • www.hoeschmuseum.dortmund.de
Das Hoesch-Kindererholungsheim Schledehausen war Ferienort hunderter Dortmunder Kinder.
Das Hoesch-Kindererholungsheim
Schledehausen war Ferienort hunderter Dortmunder Kinder.
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Reaktionen

  1. Irmgard Zachmann

    Ich finde grundsätzlich eine Auststellung und Berichterstattung, über die damalige Zeit und der Heimaufenthalte super, jedoch möchte ich nicht wissen was sich durch die oft lieblose Strenge der Heimleitung in der Seele jedes einzelnen Kindes abgespielt hat und für immer verletzt wurde.

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