In der vergangenen Woche war bekanntgeworden, dass es innerhalb der Dortmunder Polizei 15 rechtsextreme Verdachtsfälle gab. Antifaschist*innen wollten deshalb am Samstagabend unter dem Motto „Lange Weggeschaut – Dortmund hat ein Polizeiproblem!“ demonstrieren. Damit wollten sie ihre Forderung nach einer Änderung der Informationspolitik und Konsequenzen unterstreichen.
Scharfe Kritik an der Informationspolitik des Dortmunder Polizeipräsidenten
Die 15 Verdachtsfälle waren erst durch einen Sonderbericht in einer Sitzung des Innenausschusses bekannt geworden und nicht dadurch, dass sich die Dortmunder Polizei selbst an die Öffentlichkeit gewandt hatte. Das hatte Polizeipräsident Gregor Lange am Freitag in einer ausführlichen Stellungnahme nachgeholt. (Bericht am Ende) ___STEADY_PAYWALL___
Für die Antifaschist*innen reicht das nicht: „Zentrale Fragen lässt dieser Versuch eines Befreiungsschlages offen. Wenn die Vorfälle teilweise seit langem bekannt sind, warum geraten sie dann erst jetzt an die Öffentlichkeit? Polizeipräsident Lange geriert sich in den Medien gerne als Kämpfer gegen Rechts. Über seine eigene Behörde hat er dabei bisher wenig gesprochen.“
Polizei verweist bei Demo-Untersagung auf Verstöße bei „Querdenker“-Protesten
Aus der Demonstration zum Polizeipräsidium wurde nichts – das soll vom Ordnungsamt mit Verweis auf die missachteten Infektionsschutzmaßnahmen bei Versammlungen der „Querdenker“ untersagt worden sein.
Bei dem antifaschistischen Bündnis, das zu der Demonstration aufgerufen hatte, sorgte das für Unverständnis: „Dieser Vergleich ist eine Farce. Seit Wochen wird aus dem Antifa-Spektrum gegen die Querdenker und ihre Corona-Leugnung demonstriert.“ Zudem betonten sie, dass bei ihren vergangenen Demonstrationen die Maßnahmen immer umgesetzt worden seien sollen.
Statt des Demonstrationszuges mussten sich die Antifaschist*innen mit einer Standkundgebung an der Reinoldikirche begnügen. Rund 30 Menschen wollten sich damit nicht abfinden und zogen in einem spontanen Demonstrationszug durch die Nordstadt zum Kundgebungsort. Lediglich ein Polizeiwagen begleitete die Demonstrierenden, die ihren Unmut mit polizeikritischen Parolen äußerten.
Von wegen „Einzelfälle“: Die bisherigen Vorfälle sind für die Antifa „nur die Spitze des Eisberges“
Zur Kundgebung an der Reinoldikirche kamen rund 100 Menschen. Einige von ihnen trugen Schilder mit der Aufschrift „Kein Einzelfall“. Im vergangenen Jahr musste NRWs Innenminister Herbert Reul einräumen, dass es sich bei rechten Umtrieben innerhalb seiner Polizei nicht mehr um Einzelfälle handle.
Einige davon zählte die Autonome Antifa 170 in ihrem Redebeitrag auf. „Dass 26 Polizist*innen in NRW nachweisbar Kontakte in die rechte Szene unterhalten, zeigt einmal mehr, dass wir dringend über extreme Rechte in der Polizei reden müssen“, erklärte ihr Redner. Die bekannten Fälle seien „nur die Spitze des Eisberges.“
Rechte Ideologien und ihre Vertreter*innen seien grundsätzlich überall ein Problem, so die AA170. Ob „in der Schule, hinter der Theke beim Bäcker oder als Feuerwehrchef.“ In Sicherheitsbehörden seien sie aber besonders gefährlich. „Neben dem Zugang zu Waffen, Munition und der Ausbildung im Umgang damit, haben sie Zugang zu Informationen“, so der Redner.
Die Gesellschaft dürfe bei diesem Problem nicht länger wegsehen oder es kleinreden. Als Konsequenz müssten alle bekanntgewordenen Fälle lückenlos und transparent von unabhängigen Kontrollstellen aufgeklärt werden.
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Stabsstelle „Rechtsextremistische Tendenzen in der Polizei Nordrhein-Westfalen“ legt Abschlussbericht mit Handlungsempfehlungen vor (PM Ministerium des Innern Nordrhein-Westfalen)
Ein Jahr nach Bekanntwerden der rechten Chatgruppen in der nordrhein-westfälischen Polizei stellte Innenminister Herbert Reul am Donnerstag, 2. September 2021, den Abschlussbericht der mit der Aufklärung befassten Stabsstelle vor. Gemeinsam mit dem Leiter der Stabstelle, Uwe Reichel-Offermann, präsentierte der Minister dem Landtag das 80-seitige Dokument. Darin enthalten: 18 Handlungsempfehlungen mit dem Ziel, die demokratische Resilienz zu stärken.
Innenminister Reul lobte den breiten Ansatz des Konzepts. Neben externen Experten waren zahlreiche Polizistinnen und Polizisten in die Entwicklung der Vorschläge eingebunden. Reul: „Dass das nicht über die Köpfe der Polizistinnen und Polizisten passiert ist, sondern mit ihnen zusammen erarbeitet worden ist, war mir wichtig.“
Die 18 Handlungsempfehlungen umfassen alle Phasen der polizeilichen Laufbahn von der Einstellung, über die Ausbildung bis hin zu berufsbegleitenden Maßnahmen. Ziel der Handlungsempfehlungen: die demokratische Resilienz und die Werteorientierung fördern. „Wir wollen die demokratischen Abwehrkräfte stärken“, so Minister Reul, „ihnen gewissermaßen eine Vitaminkur verabreichen. Ich bin zuversichtlich, dass das unserer Polizei zu neuer Stärke verhelfen wird.“
Zum Leiter der Stabsstelle „Rechtsextremistische Tendenzen in der nordrhein-westfälischen Polizei“ hatte Minister Reul den früheren stellvertretenden Leiter des Verfassungsschutzes, Uwe Reichel-Offermann, bestellt. Der Extremismus-Experte sieht im Abschlussbericht auch einen Beitrag zur Stärkung einer professionellen Polizeiarbeit sowie des Vertrauens in die Polizei. Reichel-Offermann: „Wir wollen mit unseren Handlungsempfehlungen einen Beitrag zur Stärkung des rechtsstaatlichen Wertefundaments der Polizei in Nordrhein-Westfalen und zur wirkungsvollen Entgegnung rechtsextremistischer und sonstiger menschenfeindlicher Tendenzen leisten. Unser Konzept steht nicht isoliert, sondern verzahnt sich mit zahlreichen Initiativen zur Extremismusprävention im Bereich der Polizei. Für eine Polizei, auf die sich die Menschen in Nordrhein-Westfalen verlassen können.“
Innenminister Reul hatte die Stabsstelle eingerichtet, nachdem im September 2020 bekanntgeworden war, dass Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte rechtsextremistische Inhalte in Chatgruppen verbreitet hatten. Im März 2021 veröffentlichte die Stabsstelle einen Zwischenbericht in Form eines landesweiten Lagebildes. Dieses betrachtet insgesamt 186 Verdachtsfälle, die sich auf den Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember 2020 beziehen. Es wurde deutlich, dass keine rechtsextremistischen Netzwerke in der Polizei Nordrhein-Westfalen erkennbar sind. Die geteilten Inhalte stellen allerdings Verstöße gegen die Menschenwürde sowie rassistische, antisemitische, Gewalt- und NS-verherrlichende Äußerungen dar.
Abschlussbericht der Stabsstelle http://www.im.nrw/stabsstelle-rechtsextremistische-tendenzen-der-polizei-nrw-stellt-abschlussbericht-im-landtag-vor