Diskussionsveranstaltung, Workshop und Ausstellungs-Präsentation

30 Jahre Mahn- und Gedenkstätte Steinwache: Jubiläumsprogramm blickt voraus und zurück

Mahn- und Gedenkstätte Steinwache
Das ehemalige Gestapo-Gefängnis Steinwache in Dortmund ist heute eine Mahn- und Gedenkstätte. Foto: Alex Völkel

Vor 30 Jahren eröffnete die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache: Seit Oktober 1992 ist in dem ehemaligen Polizeigefängnis an der Steinstraße die ständige Ausstellung „Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933-1945“ zu sehen. Derzeit entsteht eine inhaltlich und gestalterisch neue Ausstellung für die Steinwache, zudem erhält das Haus für seine Vermittlungsarbeit einen dringend benötigten Neubau. Zum Jubiläum bietet die Steinwache einige Einblicke hinter die Kulissen der Neugestaltung und lädt zur Diskussion.

 „Die neue Steinwache“ stellte Haus und Insass:innen in den Mittelpunkt

Vortrag „Die neue Steinwache“ am Donnerstag, 27. Oktober, 19 Uhr: Ein Team von Kurator:innen arbeitet derzeit an einer neuen Präsentation. Sie will das Haus und seine Insass:innen in den Vordergrund stellen – politisch und rassistisch Verfolgte des Nationalsozialismus ebenso wie Angehörige gesellschaftlicher Gruppen, deren Verfolgung bisher nicht thematisiert wurde.

Dr. Stefan Mühlhofer, Direktor des Stadtarchivs und Markus Günnewig, Leiter der Steinwache informieren gemeinsam mit den beteiligten Architekten und Ausstellungsgestalter:innen im Keuninghaus (Leopoldstr. 50-58) über die inhaltliche Neuausrichtung, aber auch über den Stand der Bauarbeiten.

Dort, wo bis zum Zweiten Weltkrieg weitere Teile der Steinwache standen, entsteht nun ein neues Gebäude mit Seminar- und Veranstaltungsräumen. Der Eintritt ist frei, Anmeldung unter (0231) 50-22156 oder stadtarchiv-dortmund@stadtdo.de.

Podiumsdiskussion: „Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der NS-Erinnerung“

Podiumsdiskussion am Montag, 31. Oktober, 19 Uhr zu „Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der NS-Erinnerung“: Die Erinnerung an den Nationalsozialismus war lange Zeit nicht selbstverständlich. Bereits kurz nach dem Krieg wollte eine Mehrheit der deutschen Gesellschaft einen Schlussstrich ziehen. Dass lokale Verbrechen thematisiert wurden, mussten vor allem Betroffene vielerorts erkämpfen.

Die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache bei Nacht.
Die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache bei Nacht. Foto: Arnd Lülfing/ Stadtarchiv Dortmund

Die mittlerweile deutlich stärkere Präsenz des Themas geht aber mit einem überraschenden Mangel an Wissen über den NS und dessen Funktionieren einher. Was bedeutet das für das vielbeschworene „Nie wieder!“? Welche Rolle spielt das „Ende der Zeitzeug*innenschaft“? Welche Konsequenzen ergeben sich für die NS-Gedenkstätten und Erinnerungsorte?

Darüber diskutieren im Museum für Kunst und Kulturgeschichte (Hansastraße 3) :Prof. Dr. Jens-Christian Wagner (Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora), Dr. Elke Gryglewski (Leiterin der Gedenkstätte Bergen-Belsen), Cornelia Siebeck (Publizistin und Mitarbeiterin der KZ-Gedenkstätte Neuengamme) und  Dr. Stefan Mühlhofer (Direktor der Kulturbetriebe der Stadt Dortmund und Vorsitzender des Arbeitskreises der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte in NRW e.V.).

Es moderiert Markus Günnewig, Leiter der Gedenkstätte Steinwache. Der Eintritt ist frei, Anmeldung unter (0231) 50-22156 oder stadtarchiv-dortmund@stadtdo.de.

Workshop: Neue Bildungsformate der Gedenkstätte Steinwache

Zum Jubiläumsprogramm gehört außerdem ein Workshop am 25. Oktober von 14.30 bis18.30 Uhr, bei dem sich Lehrer:innen und Multiplikator:innen über neue Bildungsformate der Gedenkstätte Steinwache informieren und austauschen können.

Welche Bedeutung haben Geschichten der NS-Verfolgung heute? Welche sind in der Stadt sichtbar, welche werden selten erzählt? Was interessiert mich an diesen Geschichten? Welche will ich erzählen? Was für ein Ort war das Polizeigefängnis „Steinwache“ direkt am Dortmunder Hauptbahnhof? Wer war dem Terror durch die Polizei ausgesetzt? Wie wirkte polizeiliches Handeln in die Stadtgesellschaft und umgekehrt? Wie wirken diese Geschichten in die Gegenwart?

Über diese und viele weitere Fragen wird mit Jugendlichen und Erwachsenen bei Bildungsprogrammen gesprochen. Ziel ist es, einen Raum für gemeinsame und individuelle Auseinandersetzungen mit der Geschichte der „Steinwache“, mit der NS-Geschichte und ihren Nachwirkungen in Dortmund zu eröffnen.

In dem Workshop werden neu entwickelte Halbtages- und Tagesprogramme vorgestellt. Über deren Konzepte, Ziele und inhaltliche Schwerpunkte sollen exemplarisch an einzelnen Stationen in der Gedenkstätte und im Stadtraum gesprochen werden. Infos und Anmeldung: (0231) 50-22156 oder stadtarchiv-dortmund@stadtdo.de.

Hintergrund: Erinnern und Gedenken in Dortmund

Mahn- und Gedenkstätte Steinwache
Mahn- und Gedenkstätte Steinwache – die Steinwache nach dem Zweiten Weltkrieg. Foto: Stadtarchiv Dortmund

Schon kurz nach Kriegsende fand im August 1945 auf dem Hansaplatz eine erste „Trauerkundgebung“ für die „Gemordeten des Faschismus“ statt, bei der die beiden Verfolgten Fritz Henßler (SPD) und Josef Smektala (KPD) sprachen. Vor allem das Gedenken in der Bittermark an die über 200 von der Gestapo Ermordeten war seitdem ein zentraler Kristallisationspunkt der NS-Erinnerung in Dortmund.

Ein weiterer Meilenstein: Der Ratsbeschluss zur Schaffung der Ausstellung „Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933-1945“ im Jahr 1978. Die Ausstellung wurde zunächst im Foyer des Rathauses und anschließend an zahlreichen Schulen und in Dortmunder Partnerstädten gezeigt. Sie war Ausdruck eines wachsenden Interesses der Stadtgesellschaft vor allem am Thema des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus.

Parallel entstanden verschiedene Initiativen zum Erhalt des zwischen 1928 und 1958 als Polizeigefängnis genutzten Gebäudes an der Steinstraße, der „Steinwache“. Schließlich öffnete hier, am Ort historischer Verfolgung, im Oktober 1992 die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache mit einer erweiterten Version von „Widerstand und Verfolgung“ als Dauerausstellung. Sie ist seit nunmehr 30 Jahren der zentrale Ort zur Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus in Dortmund.

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Reaktionen

  1. Ulrich Sander, Herausgeber von Dokumentationen zu Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945

    Der Rat hat am 2.10.2014 einstimmig (Stimmenthaltung NPD/Die Rechte) den Beschluss zur Umgestaltung der Steinwachen-Gedenkstätte gefasst. Darin ist die „Einbindung der Zivilgesellschaft“ vorgesehen. Zwischenergebnisse sollen regelmäßig mit der interessierten Dortmunder Zivilgesellschaft im Kuratorium Widerstand und Verfolgung diskutiert werden. Weiter heißt es: „Zudem ist angestrebt, ein eigenes partizipatives Gremium mit Dortmunder Jugendlichen einzurichten, das den Prozess begleitet. “ Das Kuratorium wurde einmal informiert, das Jugendgremium nie eingerichtet. – Das Protokoll vermerkte vor acht Jahren: „Der Rat beschließt die Sanierung der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache unter dem Vorbehalt, dass die Maßnahme durch die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien gefördert wird. Er beauftragt die Verwaltung, zur Finanzierung der Maßnahme Anträge zu stellen: über die Landeszentrale für politische Bildung NRW, bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL).“ Jetzt nach acht Jahren wird nun endlich „diskutiert“. Es wird jedoch ein Konzept vorgelegt, das unabänderlich erscheint. Vor allem soll über das Geschehen in der Steinwache von 1933 bis 1945 informiert werden. Dortmund spielte aber eine historische Rolle. Man kann über den Faschismus nicht reden, ohne über die Industriellen Fritz Springorum und Albert Vögler, über die Ruhrlade, die in Dortmund tagte, zu reden. Geschichte auf die Räume eines Gebäudes zu reduzieren, das ist höchst fragwürdig. Welche Rolle spielten die Gremien, die das Projekt finanziell fördern? Verlangten sie, dass die ökonomischen Eliten und ihre Rolle in der Zeit von Krieg und NS-Regimes nicht behandelt wird? Kriegsverbrecher wie Krupp in Essen und Abs in Bonn wurden in Essen und Bonn zu Lichtgestalten gemacht. Was ist in dieser Hinsicht in Dortmund zu erwarten? Die Kirdorf-Ehrung in Eving wurde nie beendet. – Eine Gedenkstätte sollte Antworten geben auf die Fragen: Wie konnte es geschehen, wo kann es künftig verhindert werden? Bisher wurde die Gedenkstätte „Widerstand und Verfolgung 1933-1945“ in 30 Jahren ihrer Existenz diesem Anspruch weitgehend gerecht.

  2. Urban Sketching in der Gedenkstätte Steinwache (PM)

    Die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache ist das nächste Ziel der Dortmunder Urban Sketchers: Am Sonntag, 6. November, 11 bis 14 Uhr treffen sich interessierte Zeichner*innen an der Steinstraße 50, um den Ort gemeinsam zu erkunden und vor Ort zu zeichnen. Im Anschluss wird um 14.30 Uhr eine Führung durch die Steinwache angeboten.

    Jeder kann mitmachen, Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Die Dortmunder Urban Sketches Birgit Encke und Guido Wessel stehen den Teilnehmer*innen mit Rat und Tat zur Seite. Einfaches Zeichenmaterial und ein kleiner Hocker sollten mitgebracht werden. Die Veranstaltung gehört zur Reihe „Spaziergänge zur Kunst im öffentlichen Raum“ und ist kostenlos. facebook.com/kunstimoeffentlichenraumdortmund

  3. Die SPD und die NS-Vergangenheit: Kristina Meyer referiert in der Steinwache (PM)

    Aus den Trümmern des „Dritten Reiches“ eine demokratische und sozial gerechte Gesellschaft aufzubauen, dies war das erklärte Ziel der SPD nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Dafür jedoch waren ihre vielfach aus Haft und Emigration zurückgekehrten Funktionäre auf die Unterstützung von Millionen ehemaliger „Volksgenossen“ angewiesen.

    In einem Vortrag am Donnerstag, 24. November, 19 Uhr in der Gedenkstätte Steinwache (Steinstraße 50) legt Dr. Kristina Meyer den Fokus auf die Auseinandersetzung der Nachkriegs-SPD mit den Widerstands- und Verfolgungserfahrungen ihrer Mitglieder.

    Den vergangenheitspolitischen Weg der SPD in der alten Bundesrepublik beschreibt sie als eine permanente Gratwanderung zwischen dem Streben nach Aufarbeitung der NS-Geschichte und den Bedürfnissen nach „innerer Versöhnung“.

    Dr. Kristina Meyer bekam 2015 den Willy-Brandt-Preis für Zeitgeschichte für ihre Dissertationsschrift „Die SPD und die NS-Vergangenheit 1945-1974“. Sie ist Co-Sprecherin des SPD-Geschichtsforums und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung in Berlin.

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