In zwölf Städten Brasiliens beginnt am 12. Juni 2014 die Fußball-Weltmeisterschaft (WM). In Dortmund war 100 Tage vor dem ersten Anpfiff die aktuelle Situation Brasiliens Thema: Auf Einladung des Host-City-Programms diskutierten über 70 Fußballbegeisterte und Fachleute in Dortmund unter anderem die Fragen, welche Rolle die WM bei den sozialen Protesten im letzten Jahr spielte und was sie zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung beitragen kann.
Spannende Veranstaltung mit Experten in der Fußballstadt Dortmund
Auf dem Podium diskutierten Thomas Fatheuer vom Vorstand KoBra – Kooperation Brasilien e.V., Norbert Kersting, Professor für Kommunal- und Regionalpolitik an der Universität Münster und Gerd Kolbe, der ehemalige WM-Beauftragte der Stadt Dortmund für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 und Kommunalberater im Host City Programm.
Die Diskussion zwischen den Referenten drehte sich unter anderem um die Hintergründe und Auswirkungen der Proteste während des Confederation Cups. So stellte beispielsweise Thomas Fatheuer fest: „Die WM hat eine breite Debatte über die sozialen Probleme in Brasilien auf die Straße getragen, das ist eine sehr positive Auswirkung der Weltmeisterschaft.
WM leistet keinen nachhaltigen Beitrag zur Infrastruktur
Allerdings wird die WM keinen wirklich nachhaltigen Beitrag zur infrastrukturellen Entwicklung leisten können.“ So seien die infrastrukturellen Maßnahmen im Zuge der WM zwar oftmals sinnvoll, aber setzten nicht die richtigen städtebaulichen Prioritäten, um einen sozialen Ausgleich zu schaffen. Weiterhin wurde die aktuelle Entwicklung von Sportgroßveranstaltungen weltweit von den Referenten kritisch betrachtet: „Megaevents sind eine Art von Schönheitswettbewerb für Schwellenländer geworden, die sich global positionieren und ihre ökonomische Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen wollen“, so Professor Kersting.
Scharfe Kritik an der FIFA
Auch zur Rolle der FIFA äußerten sich die Referenten kritisch. Auf die Frage, wie man sich der FIFA gegenüber als potentielles Austragungsland positionieren könne, antwortete Gerd Kolbe, Beauftragter der Stadt Dortmund für die Fußball-WM 2006: „Alle Länder, die sich bewerben, sollten sich zusammentun, um ihre Bedingungen zu artikulieren“. Als begeisterter Fußball-Fan freut sich Kolbe dennoch auf die WM und würde jedem empfehlen, nach Brasilien zu reisen.
Durch die Veranstaltung führte Erich G. Fritz. Fritz war bis September 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages und dort Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und ist heute Vizepräsident der Auslandsgesellschaft Nordrhein-Westfalen.
Das Host City Programm „WM Brasilien 2014 – Deutschland 2006/2011 Partner für nachhaltige Stadtentwicklung“ wird von der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt bei Engagement Global gGmbH durchgeführt. Die Dortmunder Veranstaltung wurde organisiert von Engagement Global gGmbH in Kooperation mit der Stadt Dortmund und der Auslandsgesellschaft NRW, mit Unterstützung von Sozialinstitut Kommende und Fan Projekt Dortmund e.V.
Reaktionen
VHS
VHS-Vortrag: Brasilien in der Krise
Der Vortrag findet am Montag, 4. Juli, um 19 Uhr in der Auslandsgesellschaft NRW e.V., Steinstraße 48, statt.
Trotz oder auch wegen der Fußball-WM 2014 und der Olympischen Spiele im Sommer 2016 taumelt das Schwellenland Brasilien in eine schwere politische und wirtschaftliche Krise.
Eine Verschärfung der Krise drückt sich in der Eröffnung des Amtsenthebungsverfahrens und der vorläufigen Suspendierung der Präsidentin Dilma Rousseffs aus. Mit der Übergangsregierung des (ehemaligen) Vize-Präsidenten Michel Temer ist die Krise keineswegs beendet, sondern nur in eine neue Phase eingetreten.
Prof. Dr. Franz-Josef Brüseke, in den 1980er Jahren pädagogischer Mitarbeiter der VHS Hamm, Soziologie-Professor an der Universität Sergipe und seit 25 Jahren in Brasilien, wird eine kritische Bilanz der brasilianischen Regierung im Vorfeld der Olympiade ziehen.
Eine Kooperationsveranstaltung von Auslandsgesellschaft NRW e.V. und Volkshochschule Dortmund.