Wie sich ein Friedhof in einen Park verwandelte – Historischer Verein veröffentlicht die Geschichte des Westparks

Grabanlage der Familie Brauns auf dem Westfriedhof um 1911 (Sammlung Klaus Winter)
Grabanlage der Familie Brauns auf dem Westfriedhof um 1911 (Sammlung Klaus Winter)

Von Klaus Winter

Im 149. Jahr seines Bestehens legt der Historische Verein für Dortmund und die Grafschaft Mark e. V. einen weiteren Band seiner „Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark“ vor. Rund die Hälfte des 366 Seiten starken Werks ist der Geschichte des heutigen Westparks gewidmet. Dass der Autor des Beitrages, Diplom-Archivar Hermann Josef Bausch, sich dem Thema ausführlich widmen konnte, ist zunächst dem langen Zeitraum geschuldet, über den sich die Entwicklung der Grünanlage bis heute erstreckt. Denn die „grüne Lunge des Westens“ ist inzwischen mehr als 200 Jahre alt.

Erster Friedhof vor der Stadt entstand neben der Hinrichtungsstätte

Die Geschichte des Westparks begann 1810. Damals pachtete die Stadt vor dem Westentor und in direkter Nachbarschaft zur alten Dortmunder Gerichts- und Hinrichtungsstätte ein Gelände in Form eines langgestreckten Rechtecks. Hier sollte der erste Friedhof Dortmunds außerhalb der Stadtmauern entstehen, der Westentodtenhof.

Die 1811 eingeweihte Begräbnisstätte stand allen christlichen Konfessionen für Bestattungen zur Verfügung, was zu der Zeit noch sehr ungewöhnlich war. Aber der Friedhof wurde kontinuierlich belegt, die Zahl der Bestattungen wuchs mit der Bevölkerungszunahme der Stadt. So musste das ursprüngliche Friedhofsgelände mehrfach erweitert werden, um den Bedarf decken zu können.

Beim 100-jährigen Jubiläum war der Friedhof schon teilweise geschlossen

Grabstätte Fam. Rellensmann vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg (Sammlung Klaus Winter)
Grabstätte Fam. Rellensmann vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg (Sammlung Klaus Winter)

Trotzdem erreichte er in den 1890er Jahren seine Auslastungsgrenze und wurde zunächst für Reihenbegräbnisse geschlossen.

1911, beim 100-jährigen Jubiläum des Westentotenhofs, fanden Bestattungen nur noch auf Erbbegräbnissen statt. Viele alte Grabstellen waren bereits verschwunden. Der Friedhof nahm allmählich den Charakter eines Parks an.

Die Umwandlung des Friedhofs in einen Park verlief nicht geradlinig. Am Ende des Ersten Weltkriegs wurden hier erneut Beisetzungen vorgenommen: An zentraler Stelle legte man einen Ehrenfriedhof für gefallene Soldaten des Ersten Weltkrieges an. Auch die Opfer der „Dortmunder Bartholomäusnacht“ wurden hier bestattet. Diese Grabstätte besteht noch heute.

In der Not nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in dem Park Gemüse angebaut

Soldatengräber des Ersten Weltkriegs (Hans Strobel: Dortmund. Bilder und Worte über Sein und Werden der Stadt, 1920)
Soldatengräber des Ersten Weltkriegs (Hans Strobel: Dortmund. Bilder und Worte über Sein und Werden der Stadt, 1920)

Zahlreiche Bomben fielen im Verlauf des Zweiten Weltkrieges auf das Gelände. In den Notjahren nach Kriegsende wurde hier Gemüse angebaut. Erst am Ende der 1940er Jahre wurde der Park als solcher wieder hergerichtet.

Er wurde wieder ein Aufenthaltsort für die nahe wie ferne Nachbarschaft. Und es entwickelten sich hier dieselben Probleme wie an Orten.

Durch Vandalismus wurden viele der letzten Grabmale zerstört, es trat eine Vermüllung ein. Der Westpark wurde sogar zu einem Angstraum, als die Drogen- und Stricherszene ihn in Besitz nahm.

 

Spaziergänger*innen im Westpark, 1957 (Stadtarchiv Dortmund)
Spaziergänger*innen im Westpark, 1957 (Stadtarchiv Dortmund)

Unbekannte Fotos und Pläne illustrieren den Text

Heute ist der Westpark ein viel besuchter Treffpunkt. Er wird auch genutzt als Grillplatz, Partyzone und für Trödelmärkte. An seinen Ursprung erinnern noch 120 mehr oder weniger vollständig und gut erhaltene Grabmale.

Die Entwicklung des 1811 geweihten Westentotenhofs bis zum heutigen Westpark sowie des angrenzenden alten jüdischen Friedhofs schildert Hermann Josef Bausch so umfassend wie detailreich. Viele spannende Details machen die Lektüre zu einer kurzweiligen Angelegenheit.

Der Text ist versehen mit zahlreichen, zum Teil bisher nicht veröffentlichten Bildern und Plänen. Am Ende findet sich eine Lageskizze der noch vorhandenen Grabmale mit biografischen Notizen zu den Personen, denen sie einst gewidmet waren.

Beitragsband 110 berichtet auch über weitere stadtgeschichtliche Themen

Band 110 der "Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark"
Band 110 der „Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark“

Der Beitragsband 110 des Historischen Vereins enthält neben der Geschichte des Westparks eine Arbeit über den 1874 nahe dem Burgtor gefundenen und einige Jahrzehnte später wieder verlorengegangenen mittelalterlichen Bleisarg für zwei Kleinkinder (Bernhard Sicherl).

Weiterhin über die „Huldigung der Weisen“ auf dem Altarretabel von St. Marien (Wolfgang Rinke), die „neulateinische Dichtung vor europäischem Horizont“ des Wilhelm Neuhaus, 1675-1744 (Matthias Laarmann), reform- und kulturgeschichtliche Aspekte der Gartenstadt (Martin Happ) und neue Quellen zum Alltag einer Dortmunder Arbeiterfamilie während des Zweiten Weltkriegs (Hannes Tutschku).

Weitere Informationen:

Der 110. Band der „Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark“, herausgegeben von Stefan Mühlhofer und Hartwig Kersken, ist im Klartext-Verlag, Essen, erschienen und kostet 24,95 Euro.

 

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Reaktionen

  1. Ursula Maria Wartmann

    sehr schöner und informativer beitrag zum dortmunder westpark und zur arbeit des historischen vereins.
    für menschen, die lyrik lieben, nachfolgend zwei tipps:
    es sind in den letzten monaten zwei lyrische arbeiten zum gräberfeld des westparks erschienen.
    für menschen, die lyrik lieben, nachfolgend also zwei tipps:
    ende 2020 erschien der band ritzelwellen von jürgen brôcan, hier: „winterlicht mit stilleben“, aphaia verlag münchen.
    anfang 2020 erschien der band gegen acht im park von ursula maria wartmann, hier: „altes grab. winterlicht“ , edition offenes feld dortmund.

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