In zwei Jahren wird der Dortmunder Hafen 120 Jahre alt, Kaiser Wilhelm II hat ihn noch eingeweiht. Bis zum Geburtstag sollen sich im Hafenquartier die Kräne drehen. Es herrscht Aufbruchstimmung: bei der Stadt, bei Planern, bei Investoren, bei Nutzern, bei Nachbarn.
Heimathafen als multifunktionales Bildung- und Beratungszentrum mit Musikkellern
Wohl auch deshalb trifft der Bund Deutscher Architekten (BDA) mit seinem Thema „Die Mischung macht’s“ und der passenden Veranstaltung dazu voll ins Schwarze. Schon zum Hafenrundgang strömen die Gäste.
Hinterher im „Heimathafen“, heute noch Ruine, bald schon ein multifunktionales Bildung- und Beratungszentrum mit Musikkellern, herrscht drangvolle Enge und eine tolle Stimmung.
Der lange schon leer stehende Backsteinbau Speicherstraße 15, früher einmal ein Fuhrunternehmen, das noch mit Pferd und Wagen unterwegs war, wird zu einem ungewöhnlichen stimmungsvoll illuminierten Veranstaltungsort. Das Publikum – eine bunte Mischung von Menschen – ist begeistert.
Wenn vom neuen Hafenquartier die Rede ist, geht’s um zwei Teile: um die südliche und die nördliche Speicherstraße. Der Süden soll das neue Tor zur Stadt werden, ein lebendiges Quartier mit Hafen-Feeling, öffentlichen Bereichen, schönen Plätzen und dem Herzstück Hafenpromenade.
Platz für Gründer, Co-Working, IT-Tüftler und viele junge neue Unternehmen
Die großen Speicherhäuser bieten Platz für Gründer, Co-Working, IT-Tüftler und viele junge neue Unternehmen. Eine gute Mischung eben, die wünscht sich nicht nur Thomas Westphal, Chef der Wirtschaftsförderung. Auch das Amt für Wohnen und Stadterneuerung setzt auf Vielfalt.
Projektleiterin Heike Lindenblatt betont noch einmal, dass allein 43 Projekte im Programm „Soziale Stadt“ den Dortmunder Norden stärken sollen. 45 Millionen Euro Fördermittel fließen.
Allein 3,5 Millionen Euro in den „Heimathafen“, das von der Dortmunder Stiftung Soziale Stadt und der gemeinnützigen Gesellschaft GrünBau jetzt umgebaut wird.
Integratives Zentrum als Begegnungsort für Menschen unterschiedlicher Kulturen
Das integrative Zentrum soll auch Begegnungsortes für Menschen unterschiedlicher Kulturen werden, betont Andreas Koch, Grünbau-Geschäftsführer, denn mit einer Lehr- und Lernküche gibt’s nicht nur dringend benötigte Ausbildungsplätze in der Gastronomie, sondern am Hafen auch „was auf die Gabel“, wie man hier so schön sagt.
Quartiersmanager Didi Stahlschmidt sieht schon jetzt die Begriffe Heimat und Hafen nicht nur als gelungene Verbindung, die Menschen im Hafenquartier werden an der Entwicklung kräftig mitwirken, weiß der Insider auch um das kreative und kulturelle Milieu, das nur auf den Startschuss wartet.
Vier große „As“ stehen auf der Wunschliste von Wirtschaftsförderer Thomas Westphal: Arbeit, heißt neue Arbeitsplätze – bis zu 3000.
A wie Attraktivität, A wie Anziehungskraft und schließlich A wie Akzeptanz. Wohnen, Leben und Arbeiten im Quartier: Das wäre eine gelungene Mischung für die Menschen.
Hafenchef zollt dem BDA Respekt für den Umbau der Gebäuderuine
Auch im Norden der Speicherstraße wird mit einer nie dagewesener Dynamik in die Zukunft geplant, stellt Hafen-Chef Uwe Büscher fest. Hier wird die Straße verschwenkt, um attraktive Grundstücke am Kanal zu schneiden. Denn Investoren wollen auch kaufen.
Schließlich zollt Büscher dem BDA und den Mitstreitern, die um den „Heimathafen“ gekämpft haben, Respekt. Der Bau stand längst auf der Liste „prekär gefallener Immobilien“. Büscher: „Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie sich in das Haus verliebt haben.“
2020 soll der „Heimathafen“ endlich vor Anker gehen. Bis dahin wird hier ganz sicher noch eine Menge Staub aufgewirbelt.
Der leerstehende Backsteinbau Speicherstraße 15 zu einem ungewöhnlichen Ausstellungsraum
Dabei wird der lange schon leerstehende Backsteinbau Speicherstraße 15 zu einem ungewöhnlichen Ausstellungsraum. Input liefern werden Andreas Koch (GrünBau gGmbH), Thomas Westphal (Wirtschaftsförderung Dortmund), Uwe Büscher (Hafen AG) und Didi Stahlschmidt (Quartiersmanager Hafen).
Ideen präsentieren werden das Amt für Wohnen und Stadterneuerung, Quartiersmanagement Nordstadt, Gerber Architekten BDA und Post Welters + Partner mbB Architekten & Stadtplaner.
Reaktionen
Wiebke Claussen
Außen hui – innen pfui: das Hafenareal wird auf der ExpoReal vermakelt
Die Stadt Dortmund promoted auf der Exporeal in München den Hafen, als den optimalen Standort für Firmen in Dortmund und beschwört dessen einzigartige Stadtentwicklungschancen. Es werden Szenarien gemalt von gläsernen Bürotürmen: dem „Port Tower“ am Hafen-Eingang und Kreativfirmen und Gastronomie in alten Speichergebäuden am Wasser.
Bei dem heutigen Bild von steigenden Lkw-Belastungen und den ansässigen Schrottverwertern muss da noch ordentlich was passieren an Substanzaufwertung. Skandalös ist das Verschweigen des Envio-Skandals im Hafen. Denn die Sanierung der Flächen des PCB-Recyclers Envio ist seit 2010 immer noch nicht abgeschlossen. Die Sanierung des höchst belasteten Bereichs verzögert sich nach der Landtagswahl gerade mal wieder. Die PCB-verseuchten Stäube werden also weiter ins Umfeld verweht.
Bei Bauarbeiten in der Speicherstraße, in Sichtweite des Envio-Geländes, wären also ebenfalls Beprobungen, und ggf. Sanierungsmaßnahmen notwendig. Und Luftmessungen gaben dem Landesumweltinstitut LANUV jüngst Anlass, einen weiteren PCB-Emittent im Hafengebiet zu suchen: bisher eher zögerlich und ohne rechten Erfolg. Wann wird im Hafen endlich ernst gemacht mit einem vorsorgeorientierten Umwelt- und Gesundheitsschutz in der Gewerbepolitik zum Nutzen der Arbeitskräfte und der Anwohner?
Wir erinnern uns: der Umweltskandal um Envio, der PCB verseuchte Großtransformationen und Kondensatoren aus der ganzen Welt in den Dortmunder Hafen schleppte und hier mit vorsintflutlichen Methoden und viel Leiharbeit zerlegte, wurde 2010 losgetreten und gilt als einer der größten Umweltskandale der letzten Jahrzehnte im Lande.
Etliche Arbeiter, auch der Nachbarbetriebe und Kleingärtner, tragen das PCB-Megaumweltgift mit den entsprechenden Gesundheitsfolgen in ihren Körpern, ihr Leben lang. Der Strafprozess versandete, ohne Folgen für die Envio-Verantwortlichen.
In anderer Hinsicht wirkt die angekündigte Perspektive der Immobilienaufwertung im Hafen à la Phoenixsee als schiere Bedrohung für die Nordstadtbewohner, die zu Leidtragenden von in Gang gesetzten Gentrifizierungs- und Verdrängungsprozessen würden.