Unternehmensverantwortung: Organisationen in Dortmund unterstützen Forderung nach Lieferkettengesetz

Eva-Maria Reinwald ist Fachpromotorin und Referentin für Globale Wirtschaft und Menschenrechte beim Südwind-Institut für Ökonomie und Ökumene in Bonn und informierte im Offenen Zentrum Dortmund. Foto: Anna Lena Samborski

Von Anna Lena Samborski

Ein Gesetz, das in Deutschland tätige Unternehmen zur Verantwortung für Menschenrechte und Umwelt in den eigenen Lieferketten heranzieht – darüber soll laut Koalitionsvertrag im nächsten Jahr entschieden werden. Um die Politik von der Dringlichkeit dieses gesetzlichen Rahmens zu überzeugen, schlossen sich deutschlandweit 72 Nichtregierungs-Organisationen zur „Initiative Lieferkettengesetz“ zusammen. Auch in Dortmund möchten sich Aktive für das Thema einsetzen: Zum Auftakt luden das Offene Zentrum und die Dortmunder Werkstatt für globales Lernen die Referentin Eva-Maria Reinwald vom Südwind-Institut in Bonn ein.

Informationsveranstaltung im Rahmen vom „SWAP-IT!“-Tauschabend

Das Team von „SWAP-IT! – tauschen statt kaufen“ hat die Infoveranstaltung zum Thema Lieferkettengesetz organisiert. Foto: Eva-Maria Reinwald

Eingebettet war die Informations- und Vernetzungsveranstaltung in den monatlich stattfindenden „SWAP-IT!“-Tauschabend (organisiert vom Rekorder, Tante Albert und der Werkstatt für Globales Lernen, s. angehängten Bericht). Das Offene Zentrum stellte seine neuen Räumlichkeiten in der Dortmunder Nordstadt in der Schleswiger Str. 12 zur Verfügung.

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Die Eine-Welt-Regionalpromotorin Elisabeth Brachem von der Dortmunder Werkstatt für Globales Lernen erklärt: „Den VeranstalterInnen der Tauschabende geht es darum aufzuzeigen „dass man auch anders konsumieren und dabei Ressourcen schonen kann“.

Brachem weiter: „Wir möchten nicht nur tauschen, sondern auch politisch gestalten und bei unseren Veranstaltungen regelmäßig zum Thema Menschenrechte informieren.“ Mit der anstehenden politischen Entscheidung zum Lieferkettengesetzt sei nun die perfekte Gelegenheit, „um gezielt etwas zu bewegen.“

Freiwillige Ansätze reichen nicht aus: Forderung nach gesetzlichem Rahmen

In Brasilien sterben 2019 durch den Dammbruch bei einer Eisenerzmine 270 Menschen, obwohl der TÜV Süd Brasilien kurz zuvor die Sicherheit des Damms zertifiziert hat. Foto: Ricardo Sturk /Movimento dos Atingidos por Barragens

Auch für Reinwald und die Initiative Lieferkettengesetz ist ein verpflichtender rechtlicher Rahmen für unternehmerische Sorgfaltspflicht entlang der gesamten Lieferkette dringend notwendig: „Denn wir machen immer wieder die Erfahrung, dass wir mit freiwilligen Ansätzen wenig voran kommen“, so die Expertin.

Und auf Freiwilligkeit setze zunächst auch der Nationale Aktionsplan „Wirtschaft und Menschenrechte 2016“. Dieser hielt Unternehmen zunächst dazu an, selbstständig Strukturen zur Einhaltung von Menschenrechten bei Auslandsgeschäften zu etablieren.

Der Aktionsplan sowie der Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung sehen jedoch eine Evaluation der freiwilligen Maßnahmen für das Jahr 2020 vor: Sollten die freiwilligen Ansätze nicht ausreichen, soll erneut über einen verpflichtenden gesetzlichen Rahmen entschieden werden.

Bußgelder und Haftung bei Verstößen gegen Menschenrechte gefordert

Das abgebrannte Firmengebäude von Ali Enterprise. Foto: Ayesha Mir/ The Express Tribune
Auch beim KiK-Prozess Anfang des Jahres ging es um die Verantwortung des Unternehmens für die Arbeitsbedingungen in einem Zulieferbetrieb in Pakistan. Foto: Ayesha Mir/ The Express Tribune

Mit Blick auf weltweite Katastrophen in den letzten Jahren, an denen auch deutsche Unternehmen mit ihren Geschäften beteiligt waren – wie zum Beispiel der Dammbruch um brasilianischen Brumadinho – ist für die Initiative Lieferkettengesetz klar: Es ist Zeit für ein starkes deutsches Gesetz!

Die Initiative fordert konkret, dass deutsche und in Deutschland tätige Unternehmen gesetzlich zur Einhaltung der Menschenreche auch im Ausland verpflichtet werden. Dazu gehören zum Beispiel das Recht auf Leben, das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit und die Versammlungsfreiheit.

Verstöße sollen mit Sanktionen – also Bußgeldern – geahndet werden. Außerdem fordert die Initiative, dass Unternehmen für entstehende Schäden haften. Hierzu muss Betroffenen die Klage vor deutschen Gerichten ermöglicht werden.

Immer mehr große Unternehmen sprechen sich für ein Gesetz aus

Ein eindrucksvolles Foto der größten Tagebaumine El Cerrejón in Kolumbien.
Die  größte Tagebaumine El Cerrejón in Kolumbien. Von hier werden auch RWE und STEAG beliefert.

Reinwald gibt an, dass die großen Industrie- und Wirtschaftsverbände aus verschiedenen Branchen ein entsprechendes Gesetz ablehnten. Zunehmend sprächen sich jedoch große Unternehmen wie BMW, VAUDE und KiK für eine einheitliche gesetzliche Regelung aus.

„Bei vielen Unternehmen wächst die Einsicht, dass eine Regelung auch Möglichkeiten zum Handeln darstellt“, so Reinwald weiter. Denn ohne einen gesetzlichen Rahmen ergeben sich Wettbewerbsnachteile für Unternehmen, die ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen – Unternehmen, die auf Kosten von Mensch und Natur ihre Profite maximieren werden hingegen bevorzugt.

Mit einer gesetzlichen Regelung wäre Deutschland in Europa nicht alleine: Die Niederlande haben in diesem Jahr ein Gesetz gegen Kinderarbeit in Lieferketten erlassen –  sowie Frankreich 2017 das Gesetz zur Sorgfaltspflicht für französische Unternehmen. Die Initiative Lieferkettengesetz hat somit die Hoffnung, dass ein starkes deutsches Gesetz auch die Diskussion und Bemühungen auf EU- und UN-Ebene vorantreibt.

Beteiligungsmöglichkeiten in Dortmund über das OZ und die Werkstatt für Globales Lernen

Bild vom Auftakt der „Initiative Lieferkettengesetz“ im September in Berlin. Foto: Initiative Lieferkettengesetz

Dass das Thema auch bei der Zivilgesellschaft einen Nerv trifft, zeigt die hohe Unterschriften-Zahl bei der Petition (s. unten) für das Lieferkettengesetz: Binnen kürzester Zeit unterschrieben 50.000 Menschen die Forderungen der Initiative an die Bundesregierung.

Aber auch auf lokaler Ebene können sich Interessierte zusammen mit dem Offenen Zentrum und der Werkstatt für globales Lernen für das Thema stark machen: Weitere öffentlichkeitswirksame Informationsveranstaltungen sind in Planung.

Einzelpersonen und Vereine sind herzlich eingeladen, sich zu beteiligen und aktiv einzubringen. Bei Interesse steht Elisabeth Brachem per Telefon (0231/ 286620-63) oder per Email (elisabeth.brachem@iz3wdo.de) für mehr Informationen zu Beteiligungs- und Kooperationsmöglichkeiten zur Verfügung.

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Weitere Informationen:

  • Homepage der „Initiative Lieferkettengesetz“ mit Petition, hier:
  • Homepage Südwind-Institut für Ökonomie und Ökumene, hier:
  • Homepage der Dortmunder Werkstatt für Globales Lernen des Informationszentrum Dritte Welt e. V., hier:
  • Homepages des Offenen Zentrums Dortmund, hier:
  • Das Offene Zentrum lädt alle Interessierten zur Eröffnungsfeier am Samstag, den 26.10.2019 ab 16:30 Uhr in die Schleswiger Str. 12 ein. Weitere Informationen zu der Veranstaltung gibt es auf Facebook, hier:

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Reaktionen

  1. 6. Deutsch-afrikanisches Wirtschaftsforum: Deutsche Unternehmer reden über Investitionsmöglichkeiten in Afrika – Nordstadtblogger

    […] Anmerkung der Redaktion: Der Nationale Aktionsplan arbeitete mit freiwilligen Maßnahmen von Unternehmen zur Einhaltung der Menschenrechte in Lieferketten. Dieses Jahr sollen die Maßnahmen evaluiert und über eine verbindliche Gesetzgebung entschieden werden. Im Zuge dessen hat sich ein deutschlandweites Bündnis von 72 Nichtregierungs-Organisationen – die „Initiative Lieferkettengesetz“ – gebildet. Die Initiative beurteilt die erfolgten freiwilligen Maßnahmen der Unternehmen als unzureichend und setzt sich für ein starkes deutsches Gesetz in Sachen Menschenrechte in Lieferketten ein. Nordstatblogger berichtete bereits hier. […]

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