Online-Diskussion mit Expert:innen und Bundestagsabgeordneten der "Ampelkoalition"

Statt Hartz IV: Was haben wir vom angekündigten „Bürgergeld“ zu erwarten?

Gibt es bald eine akzeptable Alternative? – Montagsdemo gegen Hartz IV, Mai 2020 Nordstadtblogger-Redaktion | Nordstadtblogger

Zwei Jahrzehnte ist es her, dass eine Regierung aus SPD und Grünen einen kompletten Paradigmenwechsel in der deutschen Arbeitsmarktpolitik durchgesetzt: Nach den damals verabschiedeten Hartz-Gesetzen wurde zu verstärkten Eigenbemühungen verpflichtet, wer künftig noch Arbeitslosenunterstützung beziehen wollte. Eine Zäsur für viele damals, verbunden mit einem Vertrauensverlust in den Sozialstaat. – Jetzt möchte die „Ampelkoalition“ Hartz IV durch ein „Bürgergeld“ ersetzen. Ist das mehr als nur ein Etikettenwechsel? – Zu einer Online-Diskussion zum Thema lädt das Sozialforum Dortmund in Kooperation mit attac und dem DGB Dortmund für kommenden Montag, den 25. Mai APRIL, um 19 Uhr ein. Anmeldungen zur Teilnahme sind ab sofort möglich (s.u.)

Scharfe Kritik an den von SPD und Grünen verabschiedeten Hartz-Gesetzen

Das Hartz IV-System steht seit langem in der Kritik. Ohne Eigenleistungen bei der Arbeitsplatzsuche keine staatliche Unterstützung mehr. Wobei allein die Arbeitsverwaltung darüber befinden sollte, was als Nachweis für diese Bemühungen ausreichte.

Groß war das Interesse an der ersten Dortmunder Montagsdemo. 15 Jahre ist das her.
Erste Dortmunder Montagsdemo Archivbild: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Gleichzeitig wurde per Gesetz der Kreis zumutbarer Beschäftigung massiv ausgeweitet, der bis dahin geltende Berufsschutz sukzessive ausgehebelt. Hauptsache Arbeit – egal, wo und zu welchen Konditionen.

Heute sind die Jüngeren längst daran gewöhnt, dass vom Jobcenter außer viel Bürokratie nicht viel zu erwarten ist. Der einzelne ist in dem System zur Nummer degradiert, die nach Gutdünken herumgeschubst werden kann. Und mit dem bißchen Geld allein, was Menschen von der Behörde erhalten, ist kaum über die Runden zu kommen – von einer Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben ganz zu schweigen.

Für die Älteren stellten die damaligen Arbeitsmarkt-“Reformen“ (Hartz-Gesetze) hingegen eine Zäsur dar: Der Stress und die permanenten Demütigungen, die sie seither im Kontakt mit der Arbeitsverwaltung erleben, haben ihr Vertrauen in den Sozialstaat nachhaltig erschüttert. Die für den Paradigmenwechsel verantwortlichen zwei Parteien verloren in den Folgejahren daher auch deutlich an Unterstützung.

„Ampelkoalition“ möchte Hartz IV durch ein „Bürgergeld“ ersetzen

Die aus den jüngsten Bundestagswahlen hervorgegangene „Ampelkoalition“ hat eine Revision der Arbeitsförderung angekündigt. Ein „Bürgergeld“ soll künftig die Hartz IV-Leistung ersetzen. Doch ist das „Bürgergeld“ mehr als ein Etikettenwechsel? Wohin steuert künftig die Arbeitsmarktpolitik?

Jobcenter - weniger Kunden
Nordstadtblogger-Redaktion | Nordstadtblogger
  • Werden berufliche Ausbildung und berufliche Vorerfahrungen im Rahmen der Vermittlung wieder hinreichend berücksichtigt? Wird das Vermittlungsprimat aufgegeben?
  • Wird es wieder vollwertige Umschulungen geben, wenn eine Qualifikation nicht mehr „marktgängig“ ist?
  • Werden die Sanktionstatbestände zurückgefahren?
  • Und, vielleicht am allerwichtigsten: Werden die Leistungen, die jemand erhält, wenn er/sie arbeitslos geworden ist oder wenn das Einkommen nicht ausreicht, auf ein Niveau angehoben, das die Betroffenen – auch mit Blick auf die aktuellen Teuerungen – hinreichend vor Armut und Ausgrenzung schützt?

Dies und einiges mehr wollen die Veranstalter – das Sozialforum Dortmund in Kooperation mit attac und dem DGB Dortmund – Bundestagsabgeordnete aus der Regierungskoalition fragen und gleichzeitig versuchen, ihnen Wünsche und Forderungen aus Sicht von Betroffenen sowie von Sozial- und Wohlfahrtsverbänden nahezubringen.

Teilnehmer:innen an der Online Diskussion:

aus der Politik:

  • MdB Jens Peick, Abgeordneter der SPD aus Dortmund, Mitglied im Ausschuss Arbeit und Soziales
  • MdB Markus Kurth, Abgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen aus Dortmund, Mitglied im Ausschuss Arbeit und Soziales
  • ein(e) Vertreter:im der FDP (angefragt)

als Expert:innen:

  • Martin Debener, Fachreferent Armut und Grundsicherung beim Paritätischen NRW
  • Helmut Szymanski, Sozialarbeiter und Dozent für Sozialrecht aus Dortmund
  • Julia Rumi, Betroffene und Teilnehmende mit Fragen und Beiträgen

Anmeldung zur Teilnahme ab sofort möglich

Bitte mit Vor- und Zuname und Anschrift per E-Mail an: Strucksberg@posteo.de

Die Daten benötigt das DGB-Bildungswerk für die Förderung der Veranstaltung. Sie werden nicht für Werbezwecke weitergegeben. Den Link zur Veranstaltung erhalten Sie dann am Tag zuvor (Sonntag) per E-mail.

 

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Reaktionen

  1. Menschen in Arbeit bringen statt „Bürgergeld“ ausweiten (PM CDU-Kreisverband Dortmund)

    Während in Deutschland einerseits Arbeitskräftemangel und andererseits eine moderat steigende Arbeitslosigkeit, die insbesondere im Ruhrgebiet überdurchschnittlich hoch liegt, herrschen, sinken die Reallöhne seit Jahren. Das alles hält die Ampelregierung im Bund nicht davon ab, das sog. „Bürgergeld“ kräftig zu erhöhen. Die neuen Regelsätze gelten ab 2024 und beinhalten Steigerungsraten von mehr als 10%. Hier können auch nicht Nominallöhne verschiedenster Branchen nicht mithalten.

    Diese Erhöhung sowie das gesamte Konstrukt des Bürgergeldes sind schwere Fehler, die zu spürbaren Fehlanreizen in einer wirtschaftlich fragilen Lage führen. So suggeriert das „Bürgergeld“, es stünde jedem Bürger bedingungslos zu, doch beides ist nicht der Fall. Auch Nichtdeutsche können u.U. diese Leistungen beziehen und selbstverständlich müssen gewisse Bedingungen erfüllt werden.

    Nicht einmal 1/5 der ukrainischen Flüchtlinge in Deutschland geht einer Erwerbstätigkeit nach, in Polen sind es über 70% und in Dänemark 3⁄4 aller ukrainischen Flüchtlinge.

    Einalleinerziehendes Elternteil mit einem Grundschulkind und einem Jugendlichen erhalten ab 2024 1.424€ monatlich Bürgergeld zzgl. der Kaltmiete der Wohnung sowie die Heiz- und Betriebskosten inkl. Wasser. In der Regel wären das dementsprechend monatlich über 2.000€ für einen dreiköpfigen Haushalt. Selbst mit einer Vollzeitstelle kann es sich demnach mehr lohnen, Leistungen aus dem SGB II zu beziehen als sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen.

    Sascha Mader, Kreisvorsitzender der CDU Dortmund, stellt klar: „Leistung muss sich lohnen und Arbeit muss ihren Wert haben. Die Solidargemeinschaft ist nur stark und willens, wenn sie im Gleichgewicht bleibt. Ansonsten ist der soziale Frieden bedroht. An offenen Stellen mangelt es nicht, an staatlicher Vernunft leider schon.“

    Es muss sichergestellt werden, dass nur diejenigen Bürgergeld empfangen, die nicht erwerbs- bzw. arbeitsfähig und somit bedürftig sind. Alle anderen haben bereits jetzt die moralische Verpflichtung gegenüber der einzahlenden Gesellschaft, ihren Teil beizutragen. Die CDU Dortmund fordert, dass nicht bedürftigen Bürgergeldempfängern, die keiner Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt nachgehen, nach spätestens sechs Monaten eine gemeinnützige Arbeit auferlegt wird.

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