Spitze des Jugendamtes neu besetzt: Expertin für Jugendschutz mit Wurzeln in Dortmund-Scharnhorst hat Dienst angetreten

Einführung Jugendamtsleiterin Dr. Annette Frenzke-Kulbach
Einführung der neuen Jugendamtsleiterin, Dr. Annette Frenzke-Kulbach, (noch) in Blau. Foto: Thomas Engel

Die neue Chefin des Jugendamts der Stadt hat ihren Dienst angetreten. Dr. Annette Frenzke-Kulbach soll mit Fachkompetenz und Führungserfahrung in jener kommunalen Behörde für frischen Wind sorgen, die in der Vergangenheit nicht nur für positive Schlagzeilen in Dortmund sorgte. Die Spezialistin für Jugendschutz sieht eine vordringliche Aufgabe in der Erarbeitung von strategischen Zieldefinitionen und setzt auf Multiprofessionalität im Alltagsgeschäft.

Leiterin des Jugendamtes Herne aus Dortmund besetzt bislang vakante Stelle in Dortmund

Klaus Burkholz, vormals Leiter des Jugendamtes: die Nachfolgerin ist da.

Ein neues Gesicht in der erweiterten Stadtspitze Dortmunds: Dr. Annette Frenzke-Kulbach tritt als Leiterin des Jugendamtes in die Fußstapfen von Klaus Burgholz, der in den Ruhestand gegangen ist. Die in Dortmund-Scharnhorst geborene, später zur Sozialarbeiterin ausgebildete Spezialistin für Kinderschutzfragen wurde von OB Ullrich Sierau nach eigenem Bekunden aus Herne losgeeist.

Wie üblich, ist die Kommunalpolitik gewissen Fan-Allüren aus Großvaters Zeiten meilenweit voraus.

Dabei sei der Stadt zupass gekommen, dass es nicht immer glückliche Zeiten mit seinem Jugendamt gegeben habe, erzählt der OB die Geschichte einer Akquise der etwas anderen Art. Weshalb seinerzeit Freunde aus benachbarten Städten eingeladen worden wären, um zu hören, wie dort mit bestimmten Fragen umgegangen würde, etwa bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen.

Und da sei eben eine dabei gewesen, die hätte es „drauf gehabt“, habe man ihm gesagt. Kurzum: der Kontakt blieb erhalten – und als nun die Neubesetzung der Fachbereichsleitung anstand, hätte er, Sierau, mit dem Kollegen aus Herne gesprochen. Konsequenz: der habe „nun einen gut“ bei ihm, weil sie die Jugendschutzexpertin als Leiterin des dortigen Jugendamtes schweren Herzens hätten ziehen lassen.

Passung zum Anforderungsprofil der Stadt: Fachkompetenz und Führungsqualitäten

Das Jugendamt befindet sich an der Ecke Ostwall und Ruhrallee.
Neue Wirkungsstätte für Annette Frenzke-Kulbach: das Jugendamt Ecke Ostwall/Ruhrallee.

Eigentlich versuche man in Dortmund, solche Stellen aus der eigenen Personalentwicklungspolitik heraus zu besetzen, macht Sierau klar. Zudem sei das Jugendamt nicht mehr in den Schlagzeilen – alle, die aktuell beschäftigt seien, arbeiteten mittlerweile auch dort, kann sich der OB einen kleinen ironischen Unterton mit Blick auf damalige Unebenheiten nicht verkneifen.

Aber eine interne Besetzung der vakanten Stelle in der Fachbereichsleitung – nun, da sei dennoch nicht der Eindruck entstanden, dass dies eine gute Idee gewesen wäre. Qualifizierte Menschen im Jugendbereich zu finden, das sei eben nicht ganz leicht, zumal ob der dort zunehmend komplexer werdenden Aufgaben.

Jetzt aber scheint es für die Stadt mit der Passung zum eigendefinierten Anforderungsprofil endlich zu stimmen: Mit der neuen Leiterin habe man eine Persönlichkeit gesucht und gefunden, die einerseits von der fachlichen Seite her gut aufgestellt sei, andererseits jene menschlichen wie sozialen Kompetenzen mitbrächte, die wichtig seien, um ein Gebilde wie das Jugendamt zu leiten, freut sich Sierau.

Aus Dortmund-Scharnhorst auf verschlungenen Pfaden an die Spitze des Jugendamtes

FerienIntensivTraining an der Kautsky-Grundschule in Dortmund-Scharnhorst
Kautsky-Grundschule, Frühjahr 2018, in Dortmund-Scharnhorst: ab 1969 konnten hier die Kinder endlich in ihrem eigenen Stadtteil unterrichtet werden.

Wer ist die verheiratete Frau mit zwei erwachsenen Kindern, die seit geraumer Zeit in Schwerte wohnt? – Sie kennt offenbar „das Leben“, die einfachen Verhältnisse. Denn das ist anders kaum vorstellbar für jemand wie sie, die in Scharnhorst groß wurde, wo bekanntlich Villen und damit Bildungschancen eher rar gesät sind.

Aber die heute 54-Jährige hat sich durchgewurschtelt: ist in ihrem Heimatstadtteil zur Grundschule, dann zur Gesamtschule gegangen, hat ab 1987 studiert – Soziale Arbeit an der Evangelischen Fachhochschule in Bochum.

Später kam ein berufsbegleitendes Studium an der Gesamthochschule Kassel hinzu, dann 2004 die Promotion, Titel/Thema: „Erfolgreiche Modelle multiprofessioneller Kooperation bei sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen unter besonderer Berücksichtigung binationaler Erfahrungen (Deutschland – Niederlande)“

Parallel dazu arbeitet sie beim Jugendamt der Stadt Bochum in unterschiedlichen Abteilungen und Funktionen: Allgemeiner Sozialer Dienst, Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche, Qualitätsmanagement und Kinderschutz beim Jugendamtsleiter; wechselt nach 20 Jahren als Fachdienstleiterin der Sozialen Dienste zum Märkischen Kreis, übernimmt anschließend die Jugendamtsleitung in Herne. – Aus einem solchen Werdegang kann nur Lebenserfahrung sprechen.

Singen im Chor – oder: Kooperationsfähigkeit als Schlüsselkompetenz für kommende Aufgaben

Singen wie im Chor als Kompetenz beim kommunalen Jugendschutz: ein Gemeinschaftswerk

Und singen kann die neue Dortmunder Jugendamtsleiterin auch, und zwar im Chor. Keine nicht ganz unwichtige Fähigkeit, wie ihre neue Chefin, Daniela Schneckenburger, als Voraussetzung zum Bestehen der nun anstehenden Aufgaben in der Stadt ausweist.

Denn es sei wichtig, den Kontakt mit den Kooperationspartnern in der Stadtgesellschaft zu suchen, mit verschiedenen Trägern, den Wohlfahrtsverbändern usf. – allen, die bereit oder damit beauftragt seien, sich für Kinder und Jugendliche zu engagieren – ein Gemeinschaftswerk, das auf verschiedenen Schultern getragen werden müsse, betont die Jugenddezernentin.

Da trifft die Grünenpolitikerin bei Annette Frenzke-Kulbach auf offene Ohren; ja, auch auf eine Haltung, die über solch pragmatische Imperative auf kommunaler Ebene einen Schritt hinausreicht: Sie dächte grundsätzlich interdisziplinär, so die neue Fachbereichsleiterin auf die Frage, wie es denn ihrer Erfahrung nach um Realisierungsmöglichkeiten gemeinsamer Sprachfindungen bei motiviert interdisziplinären oder multiprofessionellen Perspektiven bestellt sei.

Kinder entwickeln Problemlagen quer zu institutionell-administrativen Vorgaben ihrer Bewältigung

Kinderschutz, kommunale Akteure, unterschiedliche Sprachen, ein Ziel
Kinderschutz, kommunale Akteure, ggf. unterschiedliche Sprachen, ein Ziel

Der naheliegende Grund: Kinder entwickelten ihre Problemlagen nicht freundlicherweise nach Zuständigkeiten, etwa von Behörden oder Sachgebieten, erklärt Frenzke-Kulbach. Mit anderen Worten: Juveniles Querschießen folgt sozusagen keinerlei administrativen Vorgaben, wie es aufzufangen sei.

Daher, so die neue Jugendamtsleiterin, könnten viele Themen – von Schulabsentismus bis zur Kindeswohlgefährdung – nur in einer Verantwortungsgemeinschaft wahrgenommen werden. Eben jenes Chors, wo der gemeinsame Einsatz für den Jugendschutz Leitmotiv ist.

Und das scheint mitnichten immer leicht sein: Einzelne „Logiken“ in der Kinderschutzarbeit seien manchmal so unterschiedlich, vertieft Frenzke-Kulbach die zu bewältigende Problemlage weiter, dass es sich eigentlich fast ausschlösse, miteinander zu arbeiten.

Deshalb müsse man fachfremde Arbeitsabläufe kennen – und die Wirkungen des eigenen Handelns auf das jeweilig andere System. Mithin sei dessen unterschiedliche Funktionsweise einzuplanen, Eigenhandeln darin einzubetten.

Beispiel: Wenn etwa TherapeutInnen bei einem Kinderschutzthema die Strafverfolgungsbehörden einschalteten, dann müssten sie wissen, dass es dort Ermittlungszwänge gäbe, verdeutlicht sie praxisnah.

OB und Jugendamtsleiterin: Wichtig ist auf‘m Platz und mit Zielen, über die Einigkeit besteht

St. Vinzenz - Jugendhilfezentrum
Ein Beispiel, sichtbare Fläche: Jugendhilfezentrum, St. Vinzenz, Oesterholzstraße, Nähe Borsigplatz

Ullrich Sierau macht bei der Vorstellung der neuen Dortmunder Chefin in Sachen Schutz, Hilfen und Förderung für Kinder und Jugendliche noch auf ein zentrales Paradigma der kommunalen Anstrengungen aufmerksam: „Jugendamt vor Ort“, wird‘s genannt; oder, sportlich nach Lokalsprache: auf‘m Platz is wichtig.

Der Kontakt zu den jungen Menschen dürfe nicht verloren gehen. Das bedeute für die Jugendarbeit: flächendeckende Angebote zur Begleitung von hilfsbedürftigen Jugendlichen in der Stadt.

Und, als sei Missverständnissen vorzubeugen: Selbstverständlich, den jungen Menschen müssten Freiräume gelassen werden. Auch er wollte als Jugendlicher nicht auf einem lückenlosen Nagelteppich der ganz besonders hilfreichen Fürsorge leben, lässt sich raushören.

Aber den jungen Menschen müsse dort geholfen werden, wo nötig, weil die familiären oder sozialen Bedingungen nicht so günstig seien, um einen Fehlstart ins Leben zu vermeiden.

Das geht nicht ohne definierte Zwecksetzungen: Jugendarbeit müsse an gemeinsamen Zielen ausgerichtet sein; daher bräuchte es primär Prozesse zur Zielverständigung unter den relevanten Akteuren auf der strategischen Ebene, die dann über Projekte realisiert werden könnten/müssten, macht Annette Frenzke-Kulbach auf Nachfrage eine für sie vordringliche Aufgabe klar.

Zunächst aber möchte sie sich einfach ein Lagebild verschaffen: Sie wolle in der nächsten Zeit Institutionen und MitarbeiterInnen in den einzelnen Stadtbezirken kennenlernen. Hören, was gut läuft und wo es Verbesserungsbedarf gäbe. Wie eine Neuausrichtung an der ein oder anderen Stelle aussehen könnte. – Hört sich danach an, als sei frischer Wind angesagt.

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Reaktionen

  1. Neue Unterstützung für Fachkräfte – Jugendamt qualifiziert Personal zu Kinderschutz und Kindeswohlgefährdung (PM)

    Bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung in Dortmund sollen Fachkräfte des Jugendamts mehr Handlungssicherheit bekommen. Dafür setzt das Jugendamt auf ein neues Angebot; eine Qualifizierung für eigene Fachkräfte. Über diese haben sich bereits 23 Mitarbeitende weitergebildet, die in der Erziehungsberatung, in Familienbüros, in der Jugendförderung oder in der Kita-Sozialarbeit tätig sind.

    Konkret sind die Mitarbeitenden des Jugendamts nun eine „Insoweit erfahrene Kinderschutzfachkraft“ – kurz „InsoFa“ – und können damit wiederum andere Kolleg*innen beraten, die Hinweise auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung wahrnehmen. Ein Beispiel: Eine neu zur „InsoFa“ ausgebildete Fachkraft des Jugendamts kann Kolleg*innen mit Fachwissen zur Seite stehen, wenn diese vor Ort einen Fall von Kindeswohlgefährdung befürchten.

    Bis Jahresende läuft ein weiterer Kurs, in dem 15 zusätzliche Kräfte ausgebildet werden. Anschließend wird das Beratungsangebot in der Praxis erprobt. Sollte es weitere Bedarfe geben, kann die Qualifizierung ausgebaut werden. Eine Beratung durch „InsoFas“ soll ratsuchenden Mitarbeitenden innerhalb des Jugendamtes mehr Sicherheit im Einsatz geben. Ziel ist ein strukturierteres und koordinierteres Vorgehen für mehr Kinderschutz.

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