Schulden können krank machen: Die Sorge um mehr Minus auf dem Konto kann zu Kreuz- oder Rückenschmerzen führen

Schulden machen krank informiert die Verbraucherberatung Dortmund. Foto von links: Dr. Frank Reken (Gesundheitsamt Dortmund), Andrea Nientiedt und Annette von Hadel (Schuldnerberaterinnen) und Dave Vargese, Sozialarbeiter im Klinikum Westfalen Lütgendortmund. Foto: Joachim vom Brocke
„Schulden machen krank“ informiert die Verbraucherberatung: Dr. Frank Renken (Gesundheitsamt), Andrea Nientiedt und Annette von Hadel (Schuldnerberaterinnen) und Dave Vargese (Klinikum Lütgendortmund). Foto: J. v. Brocke

Von Joachim vom Brocke

Drückende Schulden können krank machen. Die Sorgen um das immer mehr zunehmende Minus auf dem Konto können bei einigen schon zu Kreuz- und Rückenschmerzen führen, auch zu Depressionen, weiß die Verbraucherberatung Dortmund. Die Belastung sinkt allerdings deutlich, wenn die Erstberatung vorbei und etwas Land in Sicht ist.

Nach der Erstberatung werden viele Ängste genommen – Neue Perspektiven geben Hoffnung

Unter dem Motto „SCHULDEN MACHEN KRANKheit macht Schulden“ macht die Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung zur bundesweiten Aktionswoche der Schuldnerberatung vom 6. bis 10. Juni darauf aufmerksam, dass Krankheit und Schulden häufig eng miteinander zusammenhängen.

„Von 242 Befragten beklagten 70 Prozent eine erhebliche Belastung“, sagt Andrea Nientiedt, Schuldner- und Insolvenzberaterin im Büro an der Reinoldistraße. „Sie geht auf 4 % nach der Erstberatung zurück. Es wurden viele Ängste genommen“.

Das professionelle Schuldnerberatung das gesundheitliche Wohlbefinden fördert, fand sich in einer aktuellen Umfrage unter den 13 Schuldnerberatungsstellen der Verbraucherzentrale NRW bestätigt. „Ratsuchende bejahten durchgängig, dass sie schon nach der ausführlichen Erstberatung Hoffnung schöpften oder neue Perspektiven sahen und es ihnen deshalb deutlich besser ging“, zeigt Kollegin Annette von Hadel die gesundheitsfördernde Wirkung von Schuldnerberatung auf.

Kritik am Bildungssystem: Umgang mit Geld wird in keiner Schule richtig gelehrt

Die Verbraucherzentrale besteht in Dortmund seit 50 Jahren.
Die Verbraucherzentrale besteht in Dortmund seit 50 Jahren.

Oft gehe der Schuldner nicht zum Arzt, weil er Angst habe vor eventuellen Nachzahlungen. Oder aber der Verlust des Arbeitsplatzes mache sich negativ bemerkbar.

„Das Gefühl des Schams spielt eine große Rolle“, weiß Dave Vargese, Sozialarbeiter im Bereich Psychiatrie und Psychotherapie im Klinikum Westfalen, Knappschaftskrankenhaus Lütgendortmund.

Manche würden unter depressiven Neigungen oder mangelndem Antrieb leiden. Dr. Frank Renken, Amtsleiter im Gesundheitsamt Dortmund, bedauerte, dass „in den wenigsten Schulen der Umgang mit Geld unterrichtet werde“.

Seiner Meinung nach hätten „viele Menschen nie gelernt mit Geld richtig umzugehen“. Früher sei bei Schulden Alkohol ein Krankmacher gewesen, heute seien es Internet oder Spielhallen. Hinzu komme, so Renken, „ein sozialer Rückzug“. Doch es müsse niemandem peinlich sein, Hilfen anzunehmen.

Empfohlen wird allen Schuldnern:

Frühzeitig Hilfe suchen: Je länger sich Verbindlichkeiten, Unsicherheiten und Ängste vor drohenden Vollstreckungsversuchen auftürmen, desto größer die Gefahr, dass Schulden in gesundheitlichen Beeinträchtigungen enden. Frühzeitig bei Schuldnerberatungsstellen Hilfe zu suchen, wenn sich dauerhaft rote Zahlen anbahnen, ist das wirkungsvollste Rezept.

Unterlagen ordnen: Entlastende Wirkung hat auch, wenn Ratsuchende sich Überblick über laufende Verbindlichkeiten und Außenstände verschaffen. Wichtig ist zum Beispiel, eine Liste mit allen Gläubigern zu erstellen. Denn das ist der erste Schritt, um nach möglichen Auswegen zu suchen.

Forderungen prüfen: Geordnete Unterlagen helfen, Gläubigerforderungen rechtlich zu prüfen und gegebenenfalls windige Geschäftspraktiken, z.B. von Inkassounternehmen, zu entlarven. Denn nicht immer sind alle Forderungen berechtigt oder es werden teilweise auch zu hohe Gebühren verlangt. Vielfach sind Betroffene auch Einschüchterungsversuchen ausgesetzt.

Doch eines dauert immer noch: sofort einen Beratungstermin zu bekommen. „Ein wenig Zeit müssen sich Schuldner schon nehmen“, hieß es in der Dortmunder Beratungsstelle. Schneller geht es bei der Existenzsicherung, dem Einstieg.

Weitere Informationen:

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Reaktionen

  1. AWO WW

    AWO-Experten schlagen Alarm: Schulden machen krank – Bezirksverband beteiligt sich an Aktionswoche

    Schulden machen krank: Eine bundesweite Aktionswoche der Schuldnerberatungen beschäftigt sich bis zum 10. Juni mit dem Zusammenspiel von Existenzängsten und Schulden. Beteiligt ist auch der AWO Bezirksverband Westliches Westfalen, der Träger von zehn Schuldnerberatungsstellen an folgenden Standorten ist: Altena, Bocholt, Datteln, Dortmund, Hagen, Iserlohn, Lippstadt, Münster, Kamen, Unna und Werdohl. Pro Jahr betreut die AWO bezirksweit mehr als 3500 Ratsuchende längerfristig.

    Dort schlagen die Fachkräfte Alarm. Denn acht von zehn Bürgern, die sich wegen ihrer oft dramatischen finanziellen Situation von der AWO beraten lassen, berichten von gesundheitlichen Problemen.

    Als Reaktion auf die finanzielle Notlage kommt es oft zu psychischen, physischen oder psychosomatischen Leiden. Überschuldete Menschen haben ein zwei- bis dreifach höheres Risiko, krank zu werden und sind gesundheitlich beeinträchtigt.

    „Das Drama der Überschuldung offenbart sich, sobald medizinische Leistungen nicht angenommen oder ärztliche Rezepte wegen der Zuzahlungen nicht eingelöst werden“, so Xenja Winziger, Fachberaterin für die Schuldnerberatungsstellen. So mancher Kleinunternehmer, der am Rande der Existenz sein Dasein friste, sei durch säumige Beitragszahlungen im Krankheitsfall nicht ausreichend abgesichert und stürze ins Bodenlose.

    „Finanzielle Engpässe führen zu dauerhaftem Stress: schlechte Ernährung und Bewegungsmangel begünstigen Erkrankungen zusätzlich“, so Winziger weiter. Darüber hinaus fehle es meist an Kenntnissen über Präventionsangebote.

    Betroffene benötigten deshalb nicht nur Hilfe beim Schuldenabbau, sondern auch bei der Überwindung des gesundheitsschädigenden Verhaltens. Das erhöhte Krankheitsrisiko führt vielfach zur Isolation und schwäche die Selbsthilfekräfte der Betroffenen. „Damit ist eine erfolgreiche Beratung gefährdet“, so Winziger.

    Bei der Wechselwirkung von Krankheit und Schulden sind die Bildungs- und Sozialpolitik sowie der Gesundheitsbereich gleichermaßen gefordert. „Prävention spielt hier eine große Rolle“, so Winziger. Es sei sinnvoll, Kindern und Jugendlichen bereits in der Schule einen verantwortungsvollen Umgang mit Geld vermittelt werden.

    Im Gesundheitsbereich sollten maßgeschneiderte Präventionsangebote für Schuldner durchgeführt werden. „Kurse rund um kostengünstige und ausgewogene Ernährung, Stressbewältigung und Bewegung können Risiken minimieren“.

    Zudem müsse eine Ausgrenzung überschuldeter Menschen in der medizinischen Versorgung verhindert werden. Zuzahlungen für Betroffene müssten wegfallen.
    Gleichzeitig müsse der Zusammenhang von Krankheit und Schulden verstärkt bei den Schuldnerberatungsstellen berücksichtigt werden. Um nachhaltige Wirkungen zu erzielen, seien weitergehende Beratungskapazitäten erforderlich.

    „Sowohl die Krankenkassen, als auch die Schuldnerberatung brauchen für diese Aufgabe eine bedarfsgerechte Finanzierung. Denn Gesundheit und Existenzsicherung gehen Hand in Hand“, so Winziger.

    AWO auf einen Blick:
    Der Bezirksverband Westliches Westfalen e.V. mit Sitz in Dortmund ist Deutschlands größte AWO-Gliederung und Träger von über 1.000 Einrichtungen. Schwerpunkte sind die Bereiche Senioren, Kindertagesstätten, Ausbildung von Pflegekräften und Erziehern, Beratung und Betreuung sowie Hilfen für Menschen mit Behinderungen. Der Bezirksverband beschäftigt 18.000 Mitarbeiter. 35.000 Mitglieder bekennen sich zu den Werten der Arbeiterwohlfahrt: Solidarität, Toleranz, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit. Diese werden in 300 AWO-Ortsvereinen von Ehrenamtlichen in die Tat umgesetzt.

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