Ratsvertreter besuchen das Protest-Camp der Syrer und erleben dort das zermürbende Warten auf den Tod mit

Zermürbend: Seit teilweise acht Monaten warten die Syrer auf die Bearbeitung ihrer Asylanträge.
Zermürbend: Seit teilweise acht Monaten warten die Syrer auf die Bearbeitung ihrer Asylanträge.

Es ist ein zermürbendes Warten an der Katharinentreppe. Tag um Tag, Nacht um Nacht. Waren die ersten Nächte bitterkalt, war es danach wegen der Hitze im Flüchtlingscamp kaum auszuhalten. Doch das ist nicht das Schlimmste für die syrischen Flüchtlinge. Sie haben bisher vergeblich dafür protestiert, dass ihre Asylanträge schneller bearbeitet werden. Statt drei warten sie teilweise schon acht Monate darauf. Nach spätestens drei Monaten sollte das eigentlich erledigt sein…

Ohne eine Bearbeitung ihres Asylantrags können sie die Familien nicht nachholen

Seit einem Monat protestieren syrische Flüchtlinge für eine schnellere Bearbeitung ihrer Asylanträge.
Seit einem Monat protestieren syrische Flüchtlinge für eine schnellere Bearbeitung ihrer Asylanträge.

Ohne die Bewilligung – die Anerkennungsquote liegt bei 100 Prozent – können sie ihre Familien nicht nachholen. Sie haben sich alleine auf die beschwerliche und gefährliche Reise ins Herzen Europa gemacht.

Nun wollen sie endlich ihre Familien aus der syrischen Hölle nachholen, wo es schon so viele Opfer zu beklagen gibt. Jeder Tag mehr schürt die Angst. Jeder Anruf aus der Heimat kann eine schlechte Nachricht bedeuten.

Seit einem Monat campieren die Flüchtlinge nun hier – in wechselnder Besetzung. 30 bis 50 sind täglich da. Insgesamt 250 Flüchtlinge haben sich schon im Camp gemeldet. Acht Syrer hatten schon traurige Nachrichten aus der Heimat, weiß Fadi Khatib, einer der Sprecher der Protestierer.

Ihre Familien wurden attackiert, haben Bombardierungen oder Angriffe erlebt. Teilweise wurden die Kinder verletzt. Zwei Angehörige wurden bereits getötet, während die Väter, Söhne oder Brüder in Dortmund vergeblich darauf drängen, dass ihre Asylanträge schneller bearbeitet werden.

Besonders prekäre Situation bei der BAMF-Außenstelle in Dortmund

Eine Ratsdelegation mit Bürgermeisterin Birgit Jörder an der Spitze überbrachte den Flüchtlingen die Resolution.
Eine Ratsdelegation mit Bürgermeisterin Birgit Jörder an der Spitze überbrachte den Flüchtlingen die Resolution.

Nirgends hängt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) länger durch, nirgends stapeln sich mehr unbearbeitete Anträge.

Eine untragbare Situation, wie die Dortmunder Ratsmitglieder mit Bürgermeisterin Birgit Jörder an der Spitze bei ihrem Besuch im Camp betonten.

Sie übergaben „im Namen der demokratischen Fraktionen“ die Resolution, die der Rat in seiner letzten Sitzung beschlossen hat. Vertreter von SPD, CDU, Grünen, FDP/Bürgerliste sowie Linken und Piraten erkundigten sich vor Ort nach den Flüchtlingen.

Sie unterstützen das Ansinnen der Syrer. „Es ist gut, dass die Bürgerinnen und Bürger das Camp nicht nur tolerieren, sondern so tatkräftig unterstützen“, freute sich Birgit Jörder. (mehr zur Resolution am Ende des Artikels)

Große Unterstützung durch die Dortmunder Bevölkerung

Die Ratsmitglieder informierten sich vor Ort über die Situation der Flüchtlinge.
Die Ratsmitglieder informierten sich vor Ort über die Situation der Flüchtlinge.

So sorgen beispielweise die Moscheevereine abends für Verpflegung, wenn es an das Fastenbrechen während des Ramadans geht. Aber auch viele Deutsche helfen – mit Sach- und Geldspenden.

Denn viele Aktionen gehen schnell ins Geld, weiß Robert Rutkowski. Seit einem Monat ist der Pirat zehn und mehr Stunden am Tag vor Ort, um als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen, Hilfe zu leisten und Probleme zu lösen.

Manches geht dabei nicht ohne Geld – Beispiel Toilettenhäuschen. Miete und Reinigung haben bisher schon mehr als 800 Euro verschlungen. „Das ist fast teurer als die Verpflegung der Menschen“, sagt Rutkowski. Zumindest in diesem Punkt sagte Jörder im Namen der Ratskollegen eine Lösung zu.

Kommunalpolitiker wollen den Druck auf Bundesebene erhöhen

Ratsmitglieder wie Norbert Schilff unterschrieben eine Petition, um Druck auf das Bundesamt zu machen.
Ratsmitglieder wie Norbert Schilff unterschrieben eine Petition, um Druck auf das Bundesamt zu machen.

Sie wollen auch den Druck auf die Bundesebene forcieren, endlich mehr Personal einzusetzen, um den Antragsrückstau schneller zu bearbeiten.

„Ich habe zwar Verständnis dafür, dass sich auch eine Bundesbehörde kein Personal aus den Rippen schneiden kann. Aber in einer so brenzligen Situation muss man einfach schneller reagieren und Prioritäten anders setzen“, kritisierte SPD-Fraktionschef Norbert Schilff.

Auch Ingrid Reuter (Grüne) und Thorsten Hoffmann (CDU) kritisierten das Bundesamt scharf. „Die Situation der syrischen Flüchtlinge ist entsetzlich. Es muss doch endlich Möglichkeiten zur Bearbeitung der Anträge geben“, sagte Reuter. Die Stadt habe es ja auch geschafft, ihr Personal schnell aufzustocken.

„Das Bundesamt muss endlich die Kräfte bündeln und Leute nach Dortmund abordnen. Das Verhalten ist nicht nachvollziehbar“, sagte Hoffmann, der auch für die CDU im Bundestag sitzt.

Es könne doch nicht sein, dass da keine Überstunden oder Wochenendschichten gefahren würden.

Kritik an symbolischem Aktionismus des CDU-Bundestagsabgeordneten

Die Ratsmitglieder informierten sich vor Ort über die Situation der Flüchtlinge.
Die Ratsmitglieder informierten sich vor Ort über die Situation der Flüchtlinge.

Er griff deshalb auch gleich zum Telefon, um mit seinem Berliner Büro zu sprechen, die Kontakt aufnehmen sollten zu den zuständigen Stellen.

Das löste nur Kopfschütteln bei Nadja Reigl aus. Sie begrüßt zwar jede Unterstützung. Allerdings hatte Hoffmann am Vortag den Bundesinnenminister zu Gast in Dortmund.

Doch statt mit ihm zu den Flüchtlingen zu gehen – Hoffmann war bereits drei Mal im Camp und wusste über die Situation Bescheid – , hielt er mit ihm nur eine Pressekonferenz zum Thema Rechtsextremismus ab. „Sein Verhalten ist purer Aktionismus“, ärgerte sich Reigl.

Ganz abgesehen davon, dass die Bundes-CDU alle Flüchtlinge, die mit einem Schlepper nach Deutschland gekommen seien, kriminalisieren wolle.

Die Flüchtlinge sammeln Unterschriften und warten auf schlechte Nachrichten

„Jeder Tag mehr kann das Leben unserer Familien kosten“, betont Fadi Khatib (Mitte, weißer Pulli).
„Jeder Tag mehr kann das Leben unserer Familien kosten“, betont Fadi Khatib (Mitte, weißer Pulli).

So auch die syrischen Flüchtlinge, denen er nun helfen wolle. „Ich finde das alles nur noch gruselig“, so Reigl. Die syrischen Flüchtlinge sammeln derweil Unterschriften und Unterstützerkontakte.

Oder sie sitzen in ihren improvisierten Zelten, malen Protestbilder oder spielen Schach und hoffen, dass sie keine schlechten Nachrichten aus der Heimat erreichen.

„Jeder Tag mehr kann das Leben unserer Familien kosten“, gab Fadi Khatib den Ratsmitgliedern mit auf den Heimweg. Ein Ende ihres Protests und des Leidens ihres Volkes ist nicht absehbar.

Print Friendly, PDF & Email

Reaktionen

  1. Thorsten Hoffmann (CDU)

    CDU-MdB Thorsten Hoffmann besucht das BAMF in Dortmund

    Seit mehreren Wochen protestieren syrische Flüchtlinge mit einem Protestcamp an der Katharinentreppe für eine schnellere Bearbeitung ihrer Asylanträge durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).

    Gestern hat der neue Dortmunder Bundestagsabgeordnete Thorsten Hoffmann die Dortmunder Außenstelle des BAMF besucht um über Probleme und Lösungen zu sprechen.

    Dabei gab es auch positive Nachrichten: Bereits ein Viertel der 2.000 aufgelaufenen Asylanträge seien im vergangenen Monat abgearbeitet worden, erklärten im Mitarbeiter des Bundesamtes. Allerdings müsse die personelle Ausstattung des Amtes weiter verbessert werden, um der Anzahl der Flüchtlinge begegnen zu können.

    Hoffmann sieht dies genauso: „In der Schweiz dauert die Bearbeitung von Asylanträgen in der Regel 48 Stunden, in Deutschland 5,3 Monate.“ Das langsame Verfahren sei nicht nur eine massive Hürde bei der Integration und erschwere eine schnelle Eingliederung in den Arbeitsmarkt, sondern ziehe auch die Menschen an, die in Deutschland keinen Asylanspruch haben.

    In Berlin will Hoffmann nun Gespräche mit dem Leiter des BAMF, Manfred Schmidt, und dem zuständigen parlamentarischen Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Ole Schröder, über die Situation in Dortmund führen.

Reaktion schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert