NGG Dortmund warnt vor Tarifflucht – Appell an 12.700 Betriebe in der Stadt zur Stärkung der Sozialpartnerschaft

Die Brauerei der Radeberger-Gruppe an der Steigerstraße in der Nordstadt.
Ein wirksames Mittel sind Flächentarifverträge: Diese hat man in Brauereien (wie Radeberger in der Nordstadt), in der Getränkeabfüllung und in der Nährmittel- und Süßwarenindustrie durchgesetzt. Archivbild: Alex Völkel

Schlechtere Bezahlung, längere Arbeitszeiten, weniger Urlaub: Beschäftigte, die in Dortmund in einem Unternehmen arbeiten, in dem kein Tarifvertrag gilt, sind im Job klar benachteiligt. Darauf hat die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in Dortmund  hingewiesen.

Nach Beobachtung der NGG greift die „Tarifflucht“ auch in Dortmund um sich

Konferenz der Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten (NGG) im Brauersaal der DAB mit Verleihung des Vorlesers an Alexander Völkel

Nach Einschätzung der NGG hält sich mittlerweile ein Großteil der rund 12.700 Betriebe in der Stadt nicht mehr an Tarifverträge.

Das habe auch Folgen für die Unternehmen selbst, warnt Gewerkschafter Manfred Sträter: „Tariflose Firmen haben in puncto Motivation und Produktivität der Mitarbeiter meist schlechtere Karten. Auch die Suche nach Fachkräften fällt ihnen schwerer“, so der Geschäftsführer der NGG Dortmund mit Blick auf aktuelle Studien der Hans-Böckler-Stiftung.

Sträter ruft die Firmen in der Region dazu auf, sich zur Sozialpartnerschaft und zur Mitbestimmung zu bekennen. „Gerade beim digitalen Wandel der Arbeitsplätze muss man die Belegschaften mitnehmen. Gewerkschaften und Betriebsräte sichern nicht nur Jobs. Sie helfen auch dabei, die Zukunft zu gestalten – von neuen Arbeitszeitmodellen bis hin zur Weiterbildung der Mitarbeiter.“

Nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) arbeiteten zuletzt 62 Prozent der Beschäftigten in Nordrhein-Westfalen in einem Betrieb mit Tarifvertrag. In ganz Westdeutschland liegt die Quote bei 57 Prozent – im Jahr 2000 waren es noch 70 Prozent.

Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten macht sich für die Flächentarifverträge stark

Der Dortmunder NGG-Gewerkschaftssekretär Manfred Sträter. Fotos (2): Klaus Hartmann

Nach Beobachtung von Gewerkschafter Sträter greift die „Tarifflucht“ auch in Dortmund um sich: „Immer mehr Betriebe versuchen, sich um Tarifverträge zu drücken. Damit setzen sie bewährte Standards aufs Spiel und bieten ein Einfallstor für Dumping-Konkurrenz.“

Besonders niedrig ist die Tarifbindung nach Angaben des IAB dabei in kleinen Firmen: Nur 26 Prozent der nordrhein-westfälischen Betriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern halten sich aktuell an einen Tarifvertrag. In Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten liegt die Quote hingegen bei 77 Prozent.

Um diesen Trend zu stoppen, macht sich die NGG insbesondere für Flächentarifverträge stark. Solche habe man etwa in Brauereien, in der Getränkeabfüllung und in der Nährmittel- und Süßwarenindustrie durchgesetzt. Zugleich sei die Politik gefordert.

Erleichterungen gefordert, Tarifverträge für ganze Branchen verpflichtend zu machen

Von Tarifverträgen profitiert am Ende auch der Staat – durch höhere Einnahmen etwa bei der Renten-, Kranken- und Sozialversicherung.
Von Tarifverträgen profitiert am Ende auch der Staat – durch höhere Einnahmen etwa bei der Renten-, Kranken- und Sozialversicherung.

Landes- und Bundesregierung sollten sich für eine höhere Tarifbindung einsetzen: „Wer sich um die Zukunft der sozialen Marktwirtschaft sorgt, muss sich darum kümmern, dass die Tarifpartner gestärkt werden“, sagt Sträter. Unternehmen, die im Arbeitgeberverband seien, müssten dazu verpflichtet werden, sich an Tarifabschlüsse zu halten.

Außerdem müsse es einfacher werden, Tarifverträge für ganze Branchen verpflichtend zu machen. Davon profitiere am Ende auch der Staat – durch höhere Einnahmen etwa bei der Renten-, Kranken- und Sozialversicherung.

Allerdings ist die Zahl der Tarifverträge, die für alle Betriebe einer Branche per Gesetz gelten, zuletzt stark gesunken. Eine sogenannte Allgemeinverbindlichkeit wurde im Jahr 2017 lediglich 25 Mal vom Bundesarbeitsministerium erteilt. Im Jahr 2000 waren es noch 133 Fälle. Das geht aus einer aktuellen Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hervor (Bundestags-Drucksache 19/8626).

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