Das Amtsgericht teilt das Verfahren wegen der Zahl der Angeklagten

Nach fünfeinhalb Jahren beginnt der Prozess zur Besetzung des Reinoldikirchturms durch Neonazis

Mit der Besetzungsaktion in der Reinoldikirche gelang ihnen ein PR-Coup. Aber die Aktion hatten sie geklaut. Bild: Marcus Arndt
Mit der Besetzungsaktion in der Reinoldikirche gelang ihnen ein PR-Coup. Aber die Aktion hatten sie geklaut. Bild: Marcus Arndt

Rund fünfeinhalb (!) Jahre nach der kurzzeitigen Besetzung des Reinoldikirchturms durch Neonazis im Dezember 2016 beginnt in der kommenden Woche der Prozess vor dem Amtsgericht in Dortmund. Dort müsste das „Who is Who“ der heimischen Neonazi-Szene vor Gericht stehen. Eigentlich. Doch das Gericht hat das Verfahren wegen der Vielzahl der Angeklagten gesplittet – verhandelt wird nun zunächst gegen die „zweite und dritte Reihe“ der Beteiligten.

Sven Skoda, Klaus Schäfer, Steven F. und Alexander Deptolla angeklagt

Auch Ex-Feuerwehr-Chef Klaus Schäfer war bei der Aktion zur Kirchenbesetzung dabei.
Auch Ex-Feuerwehr-Chef Klaus Schäfer war bei der Aktion zur Kirchenbesetzung dabei. Foto: Tomasz Niemiec

Acht Neonazis wurden wegen Hausfriedensbruchs und Nötigung angeklagt. Genötigt wurden durch die Verbarrikadierung der Kirchturmstür die anderen Besucher:innen, die zwar Eintritt bezahlt hatten, aber den Kirchturm bzw. die Aussichtsplattform nicht betreten bzw. verlassen konnten.Gegen drei weitere Aktivisten, die am Boden vor der Reinoldikirche Flugblätter zu der Aktion verteilten, wird wegen Beihilfe ermittelt.

Unter den Angeklagten befinden sich bekannte Gesichter wie der „Kampf der Nibelungen“-Organisator Alexander Deptolla, der Co-Bundesvorsitzende der Partei „Die Rechte“, Sven Skoda, Dortmunds ehemaliger Feuerwehrchef Klaus Schäfer und der mehrfach vorbestrafte Aktivist Steven Feldmann. 

Ihnen wird vorgeworfen, im Rahmen der Besetzung des Reinoldi-Kirchturmes am 16. Dezember 2016 einen Hausfriedensbruch begangen (bzw. Beihilfe dazu geleistet), sowie durch das Verschließen der Kirchturmstür eine gemeinschaftliche Nötigung begangen zu haben. 

Verfahren wird gesplittet – Auftakt vor dem Jugendschöffengericht

Nach langem hin und her – das Amtsgericht hatte versucht, das Verfahren wegen der Vielzahl von Verfahrensbeteiligten und zu erwartenden Verhandlungstagen ans Landgericht abzutreten – wird nun das Verfahren eröffnet. Bereits im Mai 2020 sollte das Verfahren stattfinden, wurde aber Corona-bedingt abgesagt. 

Nach der Aktion klickten die Handschellen - aber große Strafen sind nicht zu erwarten. Foto: Tomasz Niemic
Nach der Aktion klickten die Handschellen – aber große Strafen sind nicht zu erwarten. Foto: Tomasz Niemic

Nun wird es am kommenden Dienstag (12. April 2022) einen neuen Anlauf geben. Die Hauptverhandlung vor dem Jugendschöffengericht – einer der Beteiligten war zum Tatzeitpunkt noch minderjährig – beginnt um 9 Uhr im Saal 1.101. Allerdings werden dann nicht die bekannten Akteure vor Gericht stehen. 

Das Gericht hat das Verfahren gesplittet. Verhandelt wird dann „nur“ gegen die vergleichsweise unbekannten Akteure. Der bekannteste Angeklagte ist Tom. N. – der frühere Neonazi und Kampfsportler war jüngst zu mehr als sieben Jahren Haft verurteilt worden, weil er gemeinschaftlich mit seiner Freundin Freier ausgeraubt hatte. 

Zudem machte er jüngst Schlagzeilen, weil er  – wie viele Neonazis und Kampfsportler – jetzt in der Ukraine in den Krieg ziehen wollte. Doch bei Tom N. war dies offenbar nur ein „kurzes Vergnügen“: Wenige Tage war er zurück in Deutschland und wird sich kommende Woche erneut vor Gericht verantworten müssen.

Verfahren gegen die Pfarrerin wurde zwischenzeitlich eingestellt

Nicht verhandelt wird gegen Susanne Karmeier, die Pfarrerin der Reinoldikirche. Das Verfahren war 13 Monate nach der Aktion eingestellt worden. Der damalige Ratsvertreter der Partei „Die Rechte“, Michael Brück hatte Anzeige gegen sie erstattet und so seinerseits das Verfahren gegen die Pfarrerin in Gang gebracht. Sie wurde der Körperverletzung beschuldigt, weil die die Kirchenglocken angeschaltet hatte. 

Staatsanwaltschaft Dortmund
Vor dem Dortmunder Amtsgericht wird Verfahren am kommenden Dienstag verhandelt. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Da aber die Polizei den Neonazis Handschellen angelegt hatte, konnten diese sich nicht die Ohren zuhalten, als sie vom Kirchturm abgeführt wurden. Die Ermittlungen gegen die Pfarrerin waren von verschiedenen Seiten kritisiert worden. Nach 13 Monaten stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein und bewertete das Läuten der Turmglocken als eine Notwehrhandlung gegen die rechtswidrige Besetzung des Kirchturms.

Zudem war Brück – er hatte Anzeige erstattet – selbst kein „Geschädigter“. Doch auch seine Kameraden, die von der Polizei mit gefesselten Händen abgeführt wurden, hatten keine Schäden vorgebracht. „Die gesondert Verfolgten haben selbst keine Strafanzeige erstattet. Es sind keine ärztlichen Atteste eingereicht worden. Es wurden auch keine Strafanträge gestellt“, heißt es in der Einstellungsverfügung. 

Sie hätten zudem den Turm in „Form einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung“ betreten. Warnhinweise, dass das Betreten auf eigene Gefahr erfolge und es laut schlagende Glocken gibt, waren deutlich sichtbar, machte Staatsanwalt Henner Kruse damals auf Nachfrage von nordstadtblogger.de deutlich.

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