Laurie Larmer – Bomberpilot über Dortmund während des Zweiten Weltkrieges: Versöhnung für Frieden und Freiheit

Bernadette und Laurie Larmer (v.l.) statteten Dortmund einen Besuch ab. Foto: Alex Völkel

Von Gerd Wüsthoff

Lawrence (Laurie) Larmer, ehemaliger Bomberkommandopilot der RAAF (Royal Australian Air Force), zu Besuch in Dortmund. Der heute 95-Jährige spricht an der Droste-Hülshoff-Realschule über seine Erfahrungen während des Zweiten Weltkrieges, persönliche Schlussfolgerungen und den Wunsch nach Frieden in der Welt. Begleitet von seiner Tochter Bernadette, zeigen sich die Besucher aus Australien tief bewegt von der Ausstellung „Weil Hannlore Jüdin war“, welche in der Realschule zu besichtigen ist.

Erlösung von der Gewissenslast führt über die Nachkommen der Opfer

Laurie Larmer Faxcimile Druck von seinen Bombereinsätzen
Faksimile-Druck der Bombereinsätze.

Erlösung von der Last des Gewissens zu finden, ist nicht leicht – selbst für einen, welcher auf der Seite der Guten gegen Nazi-Deutschland und das Terror-Regime des österreichischen Anstreichers sein Leben riskiert hatte.

Während seines Kriegseinsatzes dachte Laurie zwischen den Einsätzen an seine Familie in Melbourne nach: „Ich musste daran denken, wie es gewesen wäre, wenn, während ich über Deutschland war, die Japaner über Melbourne sind – sie hätten vermutlich meine Mutter und Vater getötet.“

Dieser Gedanke verfolgte Laurie sein Leben lang, und ließ ihn erahnen, welches Leid und Zerstörung er mit seinen Einsätzen über den Städten in Deutschland während des Zweiten Weltkrieges verursacht haben musste. „Ich habe bei meinen Einsätzen über Deutschland gewiss unschuldige Kinder, ihre Eltern und Großeltern getötet.“

„Erlösung konnte ich nur durch meine Schreiben an die Oberbürgermeister der von mir damals bombardierten Städte mit der Bitte um Vergebung finden,“ sagt Laurie den interessierten SchülerInnen des Geschichtsarbeitskreises der Droste-Hülshoff-Realschule.

„Versöhnung“ wurde das Lebens-Thema von Laurie Larmer

Laurie Larmer ist heute 94 Jahre alt. Fotos: St. Patrick’s College
Laurie Larmer ist heute 94 Jahre alt. Foto: St. Patrick’s College

Auf die Frage, ob Laurie jemals mit seinen Kameraden über die Einsätze an sich oder deren „Sinn“ gesprochen habe, antwortet er wehmütig: „Nein, leider nie. Das, wie auch der Verlust von Kameraden bei diesen Einsätzen, wurde nie besprochen … Genauso, wie wir Falschmeldungen des Bomber Kommandos, über Abschüsse durch deutsche Flieger oder Flakgeschütze, nicht diskutiert haben.“

Während im Krieg die Wahrheit als erstes stirbt, wie Winston Churchill eingestand, lässt der Selbstschutz der Täter die Folgen ihres Handelns verdrängen – Don´t ask, don´t tell (Nicht fragen, nichts sagen). „Hätten wir uns untereinander über die Einsätze und mit den Verlusten auseinander gesetzt, wir hätten keine Einsätze mehr fliegen können,“ erklärt Laurie.

Erst Jahre später konnte Laurie sich mit seinem Kriegseinsatz wieder auseinandersetzen. „Ich habe keine ehemaligen Kameraden getroffen, und bin auch keinem Ehemaligen-Verband beigetreten“, antwortet Laurie auf eine dahin zielende Frage einer der Schüler. Laurie hatte versucht, auf sich gestellt, sich mit dem Erlebten auseinander zu setzen, offenbar ohne an expliziten Symptomen einer posttraumatischen Belastungsreaktion zu leiden.

Briefe an Oberbürgermeister ehemaliger Einsatzorte lösen großes Medienecho aus

Mit handschriftlichen Briefen entschuldigte sich Larmer für die Luftangriffe.
Mit handschriftlichen Briefen entschuldigte sich Larmer für die Luftangriffe.

Im Rahmen einer Veranstaltung zum ANZAC DAY (ein Kürzel für Australian and New Zealand Army Corps) im St. Patrick´s College berichtete Larmer über seine Einsätze und daraus resultierender Probleme damit. Er erzählte den tief bewegten Schülern und Eltern damals auch über seine Briefe an die Bürgermeister der Städte, über denen er damals Einsätze geflogen hatte.

Diese Briefe lösten in Australien und Deutschland ein großes Medienecho hervor. „Ja, Ich habe viele Deutsche, unschuldige Zivilisten, Männer, Frauen und Kinder getötet. Ich dachte, ich sollte an die Städte schreiben, die ich bombardiert habe, nicht nur, um mein Mitgefühl auszudrücken“, erklärte Laurie damals.

Seine Briefe und seine Rede hatten die Schüler des College und deren Eltern tief bewegt. Resultat: sie starteten eine Friedensinitiative. „Laurie Larmer ist unser Held. Nicht als Kriegsheld, auch wenn er für seinen Einsatz vielfach – auch mit dem Légion d´Honneur (Kreuz der Ehrenlegion) – ausgezeichnet wurde, erklärte die Schuldirektorin des St. Patricks Colleges, Elizabeth Ryan, anlässlich eines Schülerbesuches Anfang April in Dortmund bewegt.

Und fährt fort: „Sondern er ist unser Held als Symbol für Versöhnung und Einsatz für den Frieden […] Sein Ziel ist es, dass diese Welt ein friedlicherer Ort werden soll.“

Laurie Larmer erlebt an Droste-Hülshoff-Realschule ein Beispiel Deutscher Erinnerungskultur

von Schülern der AG angefertigtes Model des Lager Theresienstadt
Von SchülerInnen der Arbeitsgemeinschaft angefertigtes Modell des Ghettos Theresienstadt.

Der Besuch von Laurie in Dortmund beschränkte sich nicht nur auf ein Treffen mit Bürgermeister Manfred Sauer und den Besuch des Bert-Brecht-Gymnasium. Sondern beinhaltete auch eine Auseinandersetzung mit der deutschen Erinnerungskultur.

An der Droste-Hülshoff-Realschule wurden Laurie und seine Tochter Bernadette von SchülerInnen der „AG gegen Rechts“ durch die bemerkenswerte Ausstellung „Weil Hannelore Jüdin war“ geführt, die sich im ehemaligen Bunker des Schulzentrums befindet.

Diese Ausstellung dokumentiert anschaulich, womit sich jüdische BürgerInnen während der NS-Zeit konfrontiert sahen, ihre Entrechtung, was sie erdulden und erleiden mussten. Zugleich zeigt sich in dieser Ausstellung eindringlich, wie subtil und mit welchen geschickten Tabubrüchen die Nazis den Holocaust vorbereiteten, einleiteten und industriell umsetzten.

Kommentar: Niemals vergessen – immer daran erinnern – immer wieder verhindern

Bernadette und Laurie Larmer verfolgen bewegt die Erkklärungen der Ausstellung Weil Hannelore Jüdin war
Bernadette und Laurie Larmer verfolgen bewegt die Erklärungen zu „Weil Hannelore Jüdin war“.

Die deutsche Erinnerungskultur betont den Wunsch nach Frieden, um sich damit gegen Rassismus zu positionieren, Fremde freundlich Willkommen zu heißen, unm sich – besonders in Gedenken unserer Vergangenheit und Schuld – weltweit für Ausgleich und Aussöhnung einzusetzen. Es ist ein Teil unserer historischen und demokratischen politischen DNA. Um so entsetzlicher ist die Existenz von Parteien rechts einer CSU.

Wann beginnt Versöhnung? Braucht sie Vergebung? Kann sie einseitig sein? Um mit dem Gegner von einst eine Freundschaft aufzubauen: Ja! Es muss gegenseitig sein, nur so kann eine Freundschaft entstehen. Auch wenn es, wie im Fall von Laurie, durch den Einsatz über Nazi-Deutschland zu Schuldgefühlen kam: Wir können ihm vergeben und müssen, trotz aller Zerstörung und Leid, am Ende dankbar sein. Dankbar, weil Laurie und seine Kameraden mit dazu beigetragen haben, dass wir von dem Terrorregime des österreichischen Anstreichers befreit wurden.

Zitat von Heinrich Heine als Mahnung
Zitat von Heinrich Heine als Mahnung.

Nur durch miteinander Reden, sich gegenseitig kennenlernen und respektieren, kann man Frieden schaffen. Deutschland hat sich gewaltig gewandelt und wird mittlerweile in der in der Welt als ein Hort der Demokratie und Freiheit wahrgenommen. Jede Generation hat daran nach 1945 gearbeitet und jede zukünftige muss daran weiter arbeiten.

Versöhnung kann ein schmerzhafter, aber erlösender Prozess sein – für beide Seiten. Der erste Schritt dazu ist die Anerkenntnis der eigen Schuld. Das gilt besonders für Deutschland mit seiner problematischen Geschichte in den Jahren der Dunkelheit von 1933 bis 1945. Das Volk der Dichter und Denker verlor seine Humanitas – ein Sündenfall. Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 und besonders seit den 68ern ist es ein essentieller Bestandteil der deutschen Politik und Kultur, sich mit der Geschichte auseinander zu setzen und eine Wiederholung zu verhindern.

Laurie Larmer und die Schüler der AG gegen Rechts
Laurie Larmer und die SchülerInnen der AG gegen Rechts. Fotos (5): Gerd Wüsthoff

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