Vehemente Weckrufe von „Die Partei“ und „Bündnis gegen Rechts“

Keine „Querdenken-Demo“ mit „3G“-Kontrolle – Anmelderin sagt offizielle Versammlung ab

Die offizielle Demo der „Querdenker:innen“ ist abgesagt. Die Polizei rechnet dennoch mit „Spaziergängen“. Foto: Leopold Achilles für Nordstadtblogger.de

Keine Anti-Corona-Demo gibt es heute Abend in Dortmund – zumindest keine offizielle. Weil sich die Anmelderin an die landesseitig gültigen Corona-Auflagen halten soll, hat sie die Anmeldung der Demo zurückgezogen. Natürlich nicht, ohne gegen Stadt, Polizei und Land zu poltern. Indirekt ruft sie zu nicht-angemeldeten „Spaziergängen“ auf – die Polizei zeigt sich dennoch gut gerüstet.

Ab 750 Teilnehmenden muss die Versammlungsleitung den „3G“-Status kontrollieren

In der vergangenen Woche wurde der Demozug von der Polizei gestoppt, weil es mehr als 750 Teilnehmer:innen waren. Dies ist die Höchstzahl für angemeldete Veranstaltungen ohne Kontrollen. Wenn es mehr als 750 Menschen sind, müssen die Anmelder:innen den „3G“-Status kontrollieren – teilnehmen können nur Geimpfte, Genesene oder Personen mit einem gültigen Schnelltest. 

Foto: Leopold Achilles für Nordstadtblogger.de

In der vergangenen Woche wurde das noch mit einer Teilung des Demozugs umgangen – der hintere Teil wurde zur Standkundgebung, die sich dann auf dem Hansaplatz auflöste. Der vordere Teil konnte seinen Zug um den Wall fortsetzen.

Dies sollte sich am heutigen Montag (24. Januar 2022) nicht wiederholen. Daher war die „3G“-Kontrolle angeordnet worden. Damit will sich die Anmelderin Janine Beicht nicht abfinden. „Die Stadt DO hat scheinbar kein Interesse, an einer ordnungsgemäßen Anmeldung von Spaziergängen“, schreibt sie auf Telegram. 

Beicht ist keine Unbekannte: Sie war vor einem Jahr die Co-Gründungsvorsitzende des Dortmunder Stadtverbandes der Partei „Die Basis“, die sich zum Ziel gesetzt hat, Bürger:innen umfassend Gehör zu verschaffen und ihre Freiheits- und Grundrechte zu sichern.

Anmelderin sagt die offizielle Versammlung ab und wünscht einen „bewegten Abend“

„Die Auflagen, wie ich bei einer Anzahl von über 750 Personen 3G durchsetzen soll, sind nicht zu bewerkstelligen, noch zumutbar für die Teilnehmenden. Das mach ich nicht mit! Das kann und will ich mir und euch gegenüber nicht verantworten“, schreibt sie und teilt mit, dass sie „schweren Herzens“ die Versammlung abgesagt habe.

Foto: Leopold Achilles für Nordstadtblogger.de

Die Stadt hatte für den Fall eines Verstoßes gegen die bestehenden Verpflichtungen ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 EUR angedroht. „Dies ist ein probates Mittel, um der Einhaltung der gesetzlichen Verpflichtungen auch den notwendigen Nachdruck zu verleihen“, teilte Ordnungsdezernent Norbert Dahmen auf Nachfrage von Nordstadtblogger mit. 

Um gegen die aus ihrer Sicht „willkürlichen Auflagen zu klagen, die alleine dem Zweck dienen, den Protest auf der Straße zu unterbinden, fehlen mir leider schlichtweg, die finanziellen Mittel“, teilt Janine Beicht weiter mit – nicht ohne ihre Paypal-Verbindung mitzuteilen, um Geldspenden empfangen zu können. 

„Ich wünsche euch dennoch einen bewegten Montag Abend“, heißt es zum Abschluss von „Jay und Team“. Dies kann offenbar als Hinweis oder Aufforderung verstanden werden, dann „wie in anderen Städten“ ohne Anmeldung zu sogenannten „Spaziergängen“ auf die Straßen zu gehen, wie dies anfänglich auch in Dortmund passiert war.

An diesen sogenannten „Spaziergängen“ nehmen häufig nicht nur Kritiker:innen der Corona-Maßnahmen und Impfgegner:innen, sondern auch Antisemit:innen, Neonazis und Verkünder:innen von Verschwörungserzählungen teil. Doch dagegen gibt es aus der häufig zitierten „Zivilgesellschaft“ zumindest in Dortmund bisher kaum Gegenwind. Bislang ist es vor allem die Partei „Die Partei“ sowie Antifa-Gruppen, die gegen die „Querdenker:innen“ Zeichen setzen.

Offener Brief an alle demokratischen Parteien und Organisationen in Dortmund 

Daher hatte sich die Partei, die seit der Kommunalwahl auch in Fraktionsstärke im Rat der Stadt sitzt, mit einem offenen Brief an Oberbürgermeister Westphal, die demokratischen Parteien, die Gewerkschaften und die Zivilgesellschaft gewandt.

Seit einigen Wochen hat die Partei „Die Partei“ ihre Aktionen gegen die „Querdenker:innen“ wieder aufgenommen. Foto: Leopold Achilles für Nordstadtblogger.de

„Seit nunmehr einem Monat stellt sich Die Partei Dortmund zusammen mit der Antifa Montag für Montag gegen Verschwörungsidiologien, Antisemitismus und Nazis. Wir sind bestürzt und finden es beschämend, dass Dortmund es nicht schafft, ein klares Zeichen zu setzen, während der Querdenkerprotest immer größer wird“, heißt es in dem Brief.

„Wir verstehen, dass angesichts steigender Inzidenz es für die Vernünftigen schwer ist, großen Protest auf die Straße zu bringen. Allerdings ist es auch sehr gefährlich, sich wegzuducken und zu ignorieren. Hier tragen alle Dortmunder:innen und vor allem Sie als Oberbürgermeister eine demokratische Verantwortung“,betont die Partei.

„Die Querdenkenden skandieren auf der Straße Frieden und Freiheit, zusammen mit Nazis. In ihren Chatgruppen beobachten wir eine zunehmende Radikalisierung. Die demokratische Grundordnung wird infrage gestellt, krude antisemitische Verschwörungstheorien und gefährliche Falschinformationen verbreitet“, warnt die Partei „Die Partei“.

Massiver Vertrauensverlust in die Politik durch schlechte Kommunikation und Korruption

„Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Stimmung innerhalb der Bewegung endgültig kippt. Rechte Gruppierungen haben schon in anderen Städten längst die Bewegung gekapert oder sogar mitbegründet und nutzen die Mobilisation für ihr antidemokratisches Gedankengut, sie träumen von der Machtergreifung“, heißt es weiter.

Foto: Leopold Achilles für Nordstadtblogger.de

Soziale Ungleichheit (die durch Corona verdeutlicht wurde), schlechte Kommunikation in der Pandemie und Korruption hätten für einen enormen Vertrauensverlust in die Politik gesorgt. Dies und schweigende Mehrheiten seien der Nährboden für demokratiefeindliche Strukturen. Umso wichtiger wäre es jetzt, Bürgernähe zu zeigen und sich geschlossen gegen diese Ideologie zu stellen. 

„In unseren Nachbarstädten bilden sich Aktionsbündnisse, Bürgermeister:innen halten Reden, der Gegenprotest ist größer als die Zahl der Querdenkenden. Warum nicht hier?“, fragen sie und verweisen auf ihre nächste Versammlung am Montag, 24. Januar 2022, (ab 18 Uhr auf dem Platz der Deutschen Einheit). 

„Wir würden uns sehr freuen, möglichst viele Dortmunder:innen, Gruppierungen, demokratische Parteien, Gewerkschaften und den Oberbürgermeister begrüßen zu dürfen. Wir wollen viele verschiedene Fahnen sehen und gemeinsam ein Zeichen für unsere Demokratie und ein aufgeklärtes Dortmund setzen. Die schweigende Mehrheit darf nicht länger still sein!“, heißt es zum Abschluss. 

Weckruf: „Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer“

Antisemitismus gibt es in vielen Varianten - bei Anti-Israel-Protesten wie auch bei „Querdenkern“. Foto: David Peters
Antisemitismus gibt es in vielen Varianten – bei Anti-Israel-Protesten wie auch bei „Querdenker:innen“. Foto: David Peters für Nordstadtblogger.de

Auch das „Bündnis Dortmund gegen Rechts“ (BDgR) ist besorgt und alarmiert: „Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer“ hat der Maler Goya unter eine seiner Grafiken geschrieben. Dargestellt ist ein Schlafender, der von schaurigen Wesen umflattert wird. 

„Unvernunft und Wissenschaftsfeindlichkeit gekoppelt mit Verschwörungserzählungen machen sich jetzt im Zeichen der Pandemie breit und machen sich in sogenannten ,Spaziergängen’ Luft. Auch sinnvolle Maßnahmen wie z.B. zur Kontaktreduzierung werden teilweise verschwörungstheoretisch abstrus umgedeutet und mit antisemitischen Verhetzungen vermischt“, kritisiert Ula Richter im Namen des Bündnisses.

„Dass Neonazis sich diese Stimmung aus Angst und dumpfer Wut auf ,die da oben’ zunutze machen, wundert nicht. Dass stadtbekannte Nazis immer dabei sind, sogar die ,Spaziergänge’ von ihnen angemeldet werden, dass der AFD-Mann Helferich, ,das freundliche Gesicht des NS’ und ausgewiesener Rassist, mitläuft, ist mehr als beunruhigend. Es ist brandgefährlich“, so das Bündnis gegen Rechts.

Bündnis gegen Rechts: „Wir appellieren an die Vernunft“

Vereinzelt gab es Gegenproteste.
Bisher gab es nur vereinzelt Gegenproteste – größere Aktionen wie in anderen Städten gab es in Dortmund nicht.

Sicherlich gebe es unter den demonstrierenden Menschen, die Sorge vor der Entwicklung der Pandemie oder Kritik am Umgang der Bundesregierung mit der Krankheit hätten. Und das zu Recht. „Auch wir üben scharfe Kritik an dem Hin und Her der Maßnahmen und den Versäumnissen beim Kampf gegen Covid 19.“

„Insbesondere kritisieren wir, dass in der Pandemie Krankenhäuser geschlossen und das Pflegepersonal verheizt wird; dass Milliarden Euro zur Rettung der Auto- und Touristikkonzerne, der Luftfahrt- und Rüstungsindustrie fließen, während Kleingewerbe, kleine Selbstständige, Kopfarbeiter:innen und Künstler:innen, Kultur und Gastronomie in den Ruin getrieben werden; dass Arme noch ärmer werden und Milliardäre weiteren Reichtum und Macht anhäufen können; dass dem globalen Süden der Impfstoff vorenthalten wird, so dass das Virus mit immer neuen Mutationen weiterlebt“, schreibt das BDgR in einer Stellungnahme.

„Wir appellieren an die Vernunft. In einer Pandemie ist Impfstoff lebensnotwendig und muss weltweit zu Verfügung stehen und darf nicht nur dort verteilt werden, wo die höchsten Preise zu erzielen sind. Die Freigabe der Patente ist unerlässlich. Solidarität gilt es nicht nur innerhalb unseres Landes oder Kontinents mit den besonders Gefährdeten oder Belasteten zu üben, Solidarität muss global geübt werden über alle Grenzen hinweg. Die Bekämpfung der Pandemie geht uns alle an“, betont Ula Richter im Namen des Bündnisses.

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Reaktionen

  1. Versammlungen in Dortmund und Lünen: Polizei reagiert mit Anzeigen auf Verstöße gegen die Coronaschutz-Verordnung (PM POL-DO)

    In Dortmund und Lünen sind Gegner der Coronaschutz-Maßnahmen am Montag (24.1.2022) auf die Straßen gegangen. Das führte in beiden Städten zu Einsätzen der Polizei und der kommunalen Ordnungsdienste. In Lünen gab es zwei und in Dortmund 53 Ordnungswidrigkeiten-Anzeigen sowie sieben Strafanzeigen.

    In Lünen legte der Anmelder einer Versammlung am Abend aufgrund der Regelungen der Coronaschutz-Verordnung (Mund-Nasen-Schutz) kurzfristig seine Funktion als Versammlungsleiter ab. Eine weitere Person übernahm schließlich die Leitung der Demonstration, sodass diese mit einstündiger Verspätung wie ursprünglich geplant über mehrere Straßen der Innenstadt führen konnte.

    Dabei kam es in zwei Fällen zu Verstößen gegen die Auflagen zum Infektionsschutz (Maskenpflicht), was zu Ordnungswidrigkeiten-Anzeigen führte. Die Polizei sperrte die betroffenen Straßen kurzzeitig ab. An der Versammlung in Lünen nahmen mehrere der Polizei bekannte Rechtsextremisten teil.

    In Dortmund sagten die Anmelder von zwei Versammlungen diese wegen der städtischen Auflagen zum Infektionsschutz ab. Eine weitere Versammlung sagte der Leiter aus persönlichen Gründen ab. Dennoch erschienen gegen 18 Uhr einige Gegner der Coronaschutz-Maßnahmen in der Dortmunder Innenstadt und hielten sich dort in unterschiedlichen Kleingruppen auf. Dabei wechselten sie immer wieder ihre Positionen. Eine Personengruppe umrundete den Wall. Die Einsatzkräfte der Polizei und des Ordnungsamtes kontrollieren die Personen. Ab etwa 19.45 Uhr verließen die Personen nach und nach die Innenstadt.

    Das Ordnungsamt der Stadt Dortmund erteilte 34 Platzverweise. Auf Verstöße gegen die Coronaschutz-Verordnung (Maskenpflicht und Kontaktbeschränkungen) reagierte die Polizei konsequent mit insgesamt 50 Ordnungswidrigkeiten-Anzeigen. Drei Personen gaben falsche Personalien an oder weigerten sich, ihre Personalien zu nennen. Auch dieses Verhalten zog Ordnungswidrigkeiten-Anzeigen nach sich.

    In vier Fällen ermittelt die Polizei nach Verstößen gegen das Versammlungsgesetz (Durchführen von nicht angemeldeten Versammlungen). Zwei weitere Strafanzeigen erfolgten nach einer Beleidigung gegen einen Polizeibeamten sowie nach einer gefährlichen Körperverletzung. Dabei blendete ein Mann aus dem Querdenker-Milieu einen Polizeibeamten mit einem Laserpointer.

  2. Micha Sass

    „..Sicherlich gebe es unter den demonstrierenden Menschen, die Sorge vor der Entwicklung der Pandemie oder Kritik am Umgang der Bundesregierung mit der Krankheit hätten. Und das zu Recht. „Auch wir üben scharfe Kritik an dem Hin und Her der Maßnahmen und den Versäumnissen beim Kampf gegen Covid 19.“

    .. komplett falsche Einschätzung weil der überwiegend große Anteil sich versammelt hat unter der Einladung“ fucknazis“ und für einen guten Diskurs zwischen verschiedenen Positionen ..habt ihr diese Einladung mal gelesen?- als grün Linker demonstriere ich Montags gerne und verwunderte mich wenn ich rufe“ nazis raus !“und eure Gegendemo nicht mit kandiert.. einfach mal von eurem Feindbild abrücken und die Augen aufmachen liebe grüße an euch.. als ein Musikerlehrer aus der Szene..

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