Der 3. Dezember ist Internationaler Tag der Menschen mit Behinderung

Gute Erfahrungen gemacht: Eine Kanzlei in Brackel ist offen für Azubis und Beschäftigte mit Handicap

Ein barrierefreier Zugang wird im öffentlichen Raum immer selbstverständlicher – auf dem Arbeitsmarkt aber noch lange nicht. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

„Schau mal, Celina“, das könnte doch was sein“. Als Celina Efselmanns Mutter das Stellenangebot der Anwaltskanzlei Kisters & Spielvogel entdeckt, nimmt eine Geschichte ihren Anfang, der viele Nachahmer zu wünschen sind: Seit Anfang August 2021 absolviert Celina Efselmann in Brackel eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten. Die junge Frau lebt seit ihrer Geburt mit einer Bewegungseinschränkung der linken Körperhälfte, wobei die „Hemiparese links“ sie in ihrer Arbeit in keiner Weise einschränkt.

Die Ausbildung wird durch die Agentur für Arbeit gefördert

„Sie schreibt mit einer Hand schneller als ich mit zweien“ erklärt Thomas Kisters, gemeinsam mit Jochen Spielvogel Inhaber der Kanzlei. Spezielles Arbeitsgerät benötigt Celina Efselmann nicht; auch das vereinbarte Probearbeiten verlief so reibungslos, dass einem Ausbildungsvertrag nichts im Wege stand.

Sehen Perspektiven (v.li.): Jochen Spielvogel, Celina Efselmann und Thomas Kisters.
Sehen Perspektiven (v.li.): Jochen Spielvogel, Celina Efselmann und Thomas Kisters. Foto: Tobias Käsler für die Kanzlei Spielvogel & Kisters

Die Ausbildung wird durch die Agentur für Arbeit gefördert – ein Umstand, der mehr Betriebe dazu bringen soll, Menschen mit Behinderung einzustellen. Bei Kisters & Spielvogel wurde mithilfe der Fördermittel umgehend eine zweite Ausbildungsstelle geschaffen. Jana Lokat hat sie bekommen, eine junge Frau, die auf den Rollstuhl angewiesen ist.

„Dass wir mit einem früheren Mitarbeiter, einem teilweise erblindeten jungen Mann, sehr gute Erfahrungen gemacht hatten, hat uns geprägt und ermutigt“, so Jochen Spielvogel. Sein Kompagnon Thomas Kisters stimmt zu und ergänzt, dass sich auch der Blickwinkel auf die eigene Unversehrtheit verändert habe. Und so sind nicht nur Anfragen von Arbeitsagentur-Mitarbeiterin Kerstin Artmann stets willkommen, die passende Arbeitsstellen für Menschen mit Behinderung sucht.

Ziel ist es, die Auszubildenden nach ihrem Abschluss zu übernehmen

Die beiden Dortmunder Anwälte zögerten auch nicht, ihre Kanzlei durch Anmietung weiterer ebenerdiger Räume möglichst barrierefrei zu gestalten, als sich die Möglichkeit dazu ergab. Letztlich zählt die Leistung, da sind sie sich einig. Ziel ist es, die Auszubildenden nach ihrem Abschluss zu übernehmen und ohne Förderung weiterzubeschäftigen. Und das trauen sie Celina Efselmann und Lana Lokat auch zu. „Beide Kolleginnen müssen sich vor dem ersten Arbeitsmarkt nicht verstecken, im Gegenteil: Sie sind eine Bereicherung für unser Team.“

Am 3. Dezember wird alljährlich international auf die Situation von Menschen mit Behinderung aufmerksam gemacht. Einen Schwerpunkt in diesem Jahr bilden Infoveranstaltungen für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Inklusion soll einerseits Beschäftigten mit Beeinträchtigungen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen, kann aber darüber hinaus auch Unternehmen mit Fachkräftebedarf wichtige Chancen eröffnen.


HINTERGRUND:

Schwerbehinderte Menschen auf dem Dortmunder Arbeitsmarkt

  • Gesunkene Beschäftigung: Die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen in Dortmund befindet sich im Jahr 2019 in etwa auf dem Niveau von 2015, wobei sie zwischenzeitlich auch deutlich höher lag. Insgesamt ist jedoch festzuhalten, dass die Tendenz schwächer ausgeprägt ist als das Beschäftigungswachstum bei allen Beschäftigten.
    Barrierefreiheit für Menschen mit Sehbehinderungen. Hier sind die Öffnungszeiten zu ertasten.
    Barrierefreiheit ist nicht nur für Menschen mit Geh-, sondern auch mit Sehbehinderungen wichtig. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de
  • Viele Chancen in der öffentlichen Verwaltung: Die höchste Zahl an schwerbehinderten Menschen war im Jahr 2019 in der öffentlichen Verwaltung, Verteidigung und Sozialversicherung beschäftigt, gefolgt vom Gesundheits- und Sozialwesen. Hier sind schon rund ein Drittel aller schwerbehinderten Beschäftigten in Dortmund beschäftigt. Nimmt man die Beschäftigten aus der Verkehrs- und Logistikbranche hinzu, so wird hier annähernd die Hälfte der beschäftigten schwerbehinderten Menschen in Dortmund abgebildet.
  • Mehr als fünf Prozent der Arbeitsplätze betroffen: Die Ist-Quote gibt den Anteil der schwerbehinderten und gleichgestellten Menschen, gemessen an den zu zählenden Arbeitsplätzen an. 2019 waren in Dortmund 8.687 Pflichtarbeitsplätze besetzt. Dies entsprach bei 170.220 zu zählenden Arbeitsplätzen einer Quote von 5,12 Prozent. 1.523 Pflichtarbeitsplätze waren unbesetzt. Bei öffentlichen Arbeitgebern betrug die Quote 6,4 Prozent, bei privaten Arbeitgebern lag sie bei 4,7 Prozent.
  • Steigende Dauer der Arbeitslosigkeit: Die Dauer der Arbeitslosigkeit liegt für schwerbehinderte Menschen rund ein Drittel über der von nicht-schwerbehinderten Arbeitslosen. Zwischen 2017 und 2021 sank die Arbeitslosigkeit bei beiden Personengruppen, jedoch konnten schwerbehinderte Menschen deutlich weniger profitieren. Die Corona-Pandemie führte insgesamt wieder zu einer Verlängerung der Arbeitslosenzeiten. Jedoch sind schwerbehinderte Menschen im Jahr 2021 länger arbeitslos als noch 2017.
    Barrierefreiheit für Menschen mit Sehbehinderungen. Hier sind die Öffnungszeiten zu ertasten.
    Hier sind die Öffnungszeiten zu ertasten. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de
  • Überwiegend Helfertätigkeiten gefragt: Wenn Menschen eine Helfertätigkeit suchen, liegt im Regelfall kein adäquater Berufsabschluss vor, oder der ursprüngliche Beruf kann aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht mehr ausgeübt werden. Für die Suche nach Helfertätigkeiten bestehen schon aufgrund der großen Konkurrenzsituation auf dem Arbeitsmarkt rechnerisch geringere Chancen auf eine Beschäftigungsaufnahme.
  • Sinkender Anteil schwerbehinderter Menschen an der Arbeitslosigkeit: Die Zahl der schwerbehinderten Arbeitslosen stieg innerhalb der Corona-Pandemie stärker an als zuvor. Von November 2020 bis Oktober 2021 waren in Dortmund durchschnittlich 3.046 schwerbehinderte Menschen arbeitslos gemeldet. Das waren 54 oder 1,8 Prozent mehr als im Jahresdurchschnitt 2020. Jedoch sank der Anteil der schwerbehinderten Menschen an allen Arbeitslosen in den beiden Coronajahren, was bedeutet, dass die Arbeitslosigkeit der schwerbehinderten Menschen schwächer stieg.
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