Marcus Bensmann nahm den Preis für die Redaktion entgegen

Gesellschaftlich relevante Recherchen: NGG verleiht Correctiv den Preis „Der Vorleser“

Die Vorstandvorsitzenden Berthold Hanebrink und Frank Neumann, Marcus Bensmann (MItte), Jutta Reiter und Torsten Gebehart, Geschäftsführer NGG Dortmund
Die NGG-Vorstandvorsitzenden Berthold Hanebrink und Frank Neumann mit Correctiv-Vertreter Marcus Bensmann (MItte), DGB-Chefin Jutta Reiter und Torsten Gebehart, dem Geschäftsführer der NGG Region Dortmund. Imran Topouz für NGG

Wer nicht versteht, warum auf der Jahreskonferenz der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) ein Preis für guten Journalismus verliehen wird, erhält eine Antwort von Jutta Reiter (DGB): „Die ersten Vorleser gab es in der Wirklichkeit schon Mitte des 19.Jahrhunderts, es waren die Zigarrenmacher tatsächlich, die ihren Arbeitskollegen während der überlangen Arbeitszeit aus Zeitungen und politischen und ökonomischen Schritten vorlasen. Dafür erhielten sie einen Lohn von den Zuhörern, nämlich von den Zigarrenmachern, die auf einen Teil ihres Lohns für dieses Vorgehen verzichteten.“

„Deutscher Cigarrenarbeiter-Verein“ war der Vorläufer der heutigen NGG

Konferenz der Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten (NGG) im Brauersaal der DAB mit Verleihung des Vorlesers an Alexander Völkel
Der NGG- Preis „Der Vorleser“ Klaus Hartmann | Nordstadtblogger

Der „Deutsche Cigarrenarbeiter-Verein“ war der Vorläufer der heutigen NGG, Deutschlands ältester Gewerkschaft. Das war 1865.

Jutta Reiter meint: „Von heute aus betrachtet, wenn ich zurückgucke, finde ich das eine sehr, sehr gute und kluge Entscheidung der damalige Kolleg:innen. Denn wer um Fakten weiß, der kann gesellschaftliche Realität verändern. Wer nichts weiß, ist häufig den ökonomischen Zusammenhängen hoffnungslos ausgeliefert.“

Darum gilt „Der Vorleser“ für die Gewerkschaft als ein Symbol für Solidarität. Dieses Jahr wurde das Netzwerk Correctiv ausgezeichnet: „In diesem Jahr hat sich die NGG entschieden, Menschen aus einem Netzwerk auszuzeichnen und zwar aus einem Netzwerk, das schon seit langer Zeit für unsere Demokratie unverzichtbar ist.“

Marcus Bensmann von Correctiv
Marcus Bensmann von Correctiv Imran Topouz für NGG

Der Investigativjournalist Marcus Bensmann hielt in der Kantine der DAB-Brauerei in der Steigerstraße ein leidenschaftliches, politisches Plädoyer, das die Konferenzteilnehmer:innen mit Standing Ovations honorierten.

Der Preisträger sprach über die Vorgeschichte zur Investigativrecherche, die zur großen „Enthüllung“ der Vertreibungsfantasien auf dem Treffen von Rechtsextremisten in Potsdam 2023 führte.

Correctiv liefert Hintergründe und Fakten für alle

„Correctiv macht keinen schnellen Journalismus, der auf Klickzahlen setzt und nur mit Schlagzeilen die Menschen erreichen will, sondern der tatsächlich in der Tiefe und im Hintergrund die Konflikte und Problemlagen aufdecken will“, so Reiter

Jutta Reiter auf der Konferenz der NGG
Jutta Reiter auf der Konferenz der NGG Imran Topouz für NGG

„Es geht darum, tatsächlich strukturelle Misstände, Korruption, Machtmissbrauch und unethisches Verhalten aufzudecken. Und Correktiv will auch, dass Journalismus für alle Menschen zugänglich ist, wenn möglich auch kostenlos“, begründet Reiter die Entscheidung für das Netzwerk in ihrer Laudatio.

Und Fakten seien „die Grundlage informierter Entscheidungen in unserer Gesellschaft“. Zudem mache sich Correctiv auch in anderen Bereichen wie der Schulung von Medienkompetenz und in der Bildung stark.

Marcus Bensmann über das „Jahrhundertprojekt“ der Rechten

„Wir wollen mit den Menschen reden“, machte Marcus Bensmann klar. „Wir sind Journalismus im Schaufenster“, im Gegensatz zum Journalismus in den Hinterzimmern. Dabei gucke das Netzwerk „in die dunklen Ecken“. Sehr dunkel wurde es beim Treffen hochrangiger Politiker:innen und Geschäftsmenschen, die die Vertreibung von Millionen Menschen beschlossen und dazu schon die Logistik vorbereiteten.

Marcus Bensmann nimmt für Correctiv den Preis „Der Vorleser“ entgegen.
Marcus Bensmann nimmt für Correctiv den Preis „Der Vorleser“ entgegen. Anna Tenholt | Nordstadtblogger

„Den Begriff Remigration übersetzen wir mit Vertreibung“, so Bensmann. Die extreme Rechte in Europe werfe ihre Netze aus, denn 2024 sei ein wichtiges Wahljahr. Mit den Überlegungen würde ein Bedrohungsszenario geschaffen vom „großen Bevölkerungsaustausch“.

Die Rechten verfolgten eine Idee von „ethnischer Reinheit“, die wiederhergestellt werden solle. Durch die ersten Recherchen sei dem Team von Correctiv schnell klar geworden, dass es kein Treffen sei „wo sich verrückte Völkische treffen, sondern hochrangige Leute aus der AFD“, so Bensmann. „Unter anderem einer hier aus NRW, der Herr Hartwig, früher Bayer Manager.“

„Die AFD wählt man nicht, weil man irgendwie mit dem Heizungsgesetz unzufrieden ist“

Eingeladen in das Gasthaus am See hatte ein rechtsextremer Aktivist, der seit den 70er Jahren als Netzwerker aktiv ist, Gernot Mörig. Marcus Bensmann schilderte anschaulich die Arbeit des Rechercheteams: „Dieses Gasthaus hat eine offene Seite zu einem See, unweit von Potsdam. Und da war ein Saunabootverleih. Da haben wir gedacht: Super, es ist November, in der Nacht fahren wir mit dem Saunaboot vor dieses Gasthaus, wo die Veranstaltung stattfindet. Da können wir gucken, wer alles da war.“

Standing Ovations für Marcus Bensmanns klare Worte zur Gefahr von Rechts. Anna Tenholt | Nordstadtblogger

Der Plan zur „Remigration“ sei ein Jahrhundertprojekt der Rechten, bei den Gesprächen wurde u.a. die Bildung einer Expertenkommission vorgeschlagen. Damit „schon was in der Schublade liegt“, sollte eine rechte Partei an die Macht kommen. „Die AFD wählt man nicht, weil man irgendwie mit dem Heizungsgesetz unzufrieden ist oder mit irgendwelchen Spinnereien aus dem grün-linken Lager. sondern wenman diese Partei wählt, dann bedrohen die Kollegen oder Menschen, die in unserer Nachbarschaft wohnen.“

Entscheidender Punkt sei die Trennung zwischen dem „Eigenen“ und dem „Fremden“. Nach dieser Logik erkläre die Partei und Unterstützer:innen 25 Millionen Menschen zum Problem. Mit einem Blick auf Björn Höcke und seine Familiengeschichte, stellte Bensmann fest, dass der sich „ein System wie in der DDR“ wünsche. Wer nicht ins Konzept passe, solle in eine der fiktiven Städte in Nordafrika gehen. Bensmann zog das deutliche Fazit: „Wenn sie einmal die politische Gestaltungsmöglichkeit haben, dann ist es sehr schwer, das zurückzudrehen.“

DGB spricht sich unter #noAfD gegen die rechte Partei aus

Florian Neuß, Schriftführer Imran Topouz für NGG

Im Vorhinein der Preisverleihung diskutierten die Gewerkschaftsmitglieder über die Themen Inflation und den Alleingang eines Betriebsratsvorsitzenden in Witten, bei Lieken. Aber auch in diesem Rahmen wurde die rassistische und arbeitnehmer:innenfeindliche Politik der AfD thematisiert.

Der DGB will online und mit einem Flyer deutlich machen, „warum die AfD der Feind der Beschäftigten ist“.

Und zwei Mitglieder fanden bei der Jahreskonferenz besondere Erwähnung: Das älteste Mitglied der NGG in Dortmund, Heinz Lehmacher mit 92 Jahren und das jüngste Mitglied, die Tochter von Vorstandsmitglied Florian Neuß, Karla, die seit ihrer Geburt vor einem Jahr dabei ist.

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Reaktionen

  1. Verkehrsunfallflucht mit Personenschaden in Dortmund-Mitte: Autofahrer flüchtet, nachdem er einen Radfahrer gefährdete, in einen Hinterhof (PM)

    Nach ersten Erkenntnissen fuhr ein 36-jähriger Radfahrer aus Dortmund mit seinem Fahrrad am Montag gegen 16.20 Uhr auf dem Radweg der Kaiserstraße (Dortmund-Mitte) in Richtung Stadtteil Körne.

    Mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit fuhr ein Auto die Lippestraße in Richtung Kaiserstraße entlang. Dabei verursachte der Fahrer beinahe eine Kollision mit dem Radfahrer. Einen Zusammenstoß verhinderte der Radfahrer nur durch eine starke Bremsung. Der Autofahrer fuhr weiter in Richtung Kaiserstraße. Dort bog er dann in eine Hofeinfahrt ein.

    Der Dortmunder stellte das Fahrrad ab und lief in die Hofeinfahrt, um mit dem Autofahrer zu sprechen. Dieser saß noch im Pkw und rangierte diesen. Als der Radfahrer sich vor das Fahrzeug stellte, fuhr der Autofahrer wieder an und kollidierte mit dem Radfahrer.

    Der Dortmunder stürzte auf die Motorhaube und blieb darauf liegen. Der Autofahrer beschleunigte nun erneut und bremste mehrfach abrupt ab. Dabei stürzte der Radfahrer dann von der Motorhaube auf den Boden. Der Dortmunder wurde hierbei leicht verletzt. Mit einem Besen bewaffnet, schlug der Autofahrer dann auf den Dortmunder ein. Dabei beleidigte und bedrohte er diesen.

    Als die alarmierten Polizisten eintrafen, rannte der Angreifer in aggressiver Art und Weise auf die Beamten zu. Er konnte im weiteren Verlauf beruhigt werden. Die Beamten stellen den Führerschein nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft sicher. Ein Rettungswagen wurde nicht benötigt.

    Den 49-jährigen Autofahrer aus Dortmund erwarten nun Strafverfahren wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, unerlaubtem Entfernen vom Unfallort, gefährliche Körperverletzung und Beleidigung.

  2. NGG Dortmund: „Den Hut beim ‚Deutschen Betriebsräte-Preis‘ in den Ring werfen“: Welcher Betriebsrat in Dortmund stellt die originellsten Sachen auf die Beine? (PM)

    Engagierte Betriebsräte aus Dortmund gesucht: Bis zum 30. April können sich Arbeitnehmervertreter, die sich in ihrem Betrieb besonders um die Belange von Beschäftigten kümmern, beim „Deutschen Betriebsräte-Preis“ bewerben. Darauf weist die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hin. Preisverdächtig sind innovative Projekte und gute Ideen rund um das Thema Mitbestimmung. Die NGG hofft, dass möglichst viele Betriebsräte aus Dortmund ihren Hut in den Ring werfen.

    „In vielen Unternehmen setzen sich Betriebsräte für gute Arbeitsbedingungen ein. Sie haben originelle Ideen und stellen eine Menge auf die Beine. Und sie spielen eine wichtige Rolle, wenn es um das Erhalten von Arbeitsplätzen und um das Schaffen neuer Jobs geht. Auch die Krisen der letzten Jahre wären ohne Betriebsräte so nicht zu stemmen gewesen“, sagt Torsten Gebehart, Geschäftsführer der NGG Dortmund.

    Ganz egal, ob bei großen Firmen der Getränke- und Lebensmittelindustrie oder bei Familienbetrieben wie Bäckereien und Fleischereien: Ab fünf Beschäftigten könne ein Betriebsrat gegründet werden: „Und das zahlt sich aus. Denn die Betriebsräte regeln vieles im Hintergrund. Sie sorgen vor allem dafür, dass das Betriebsklima gut ist. Eine zufriedene Belegschaft ist dann immer auch ein entscheidender Garant dafür, dass die Produktivität der Firma passt. Betriebsräte sind das Scharnier zwischen den Chefs und den Mitarbeitern“, so Gebehart.

    Umso wichtiger sei es, das Engagement und die Erfolge von guter Betriebsratsarbeit beim Betriebsrätepreis in den Fokus zu rücken. „Das ist dann für Beschäftigte auch ein Ansporn, selbst eine Arbeitnehmervertretung zu gründen. Gerade in kleinen Betrieben ist auch in Dortmund in puncto Mitbestimmung noch viel Luft nach oben“, so Torsten Gebehart.

    Die NGG bietet Belegschaften aus Ernährungsindustrie, Gastronomie, Bäckereien und Fleischereien in Dortmund eine Art „Starthilfe Betriebsrat“, wenn es darum geht, eine Arbeitnehmervertretung zu gründen. Hier der Kontakt zur NGG: (0231) 55 79 79-0 oder region.dortmund@ngg.net.

    Der „Deutsche Betriebsräte-Preis“ bietet preisverdächtigen Betriebsräten aus Dortmund die Chance auf die große Bühne. Torsten Gebehart: „Es wäre natürlich prima, wenn Arbeitnehmervertretungen von hier mit ihren besonderen Projekten bundesweit Schule machen würden.“

    Prämiert werden können Projekte in Sachen Mitbestimmung, die in den letzten zwei Jahren angestoßen und umgesetzt wurden. Der „Deutsche Betriebsräte-Preis“ wird dieses Jahr zum 15. Mal verliehen und steht unter der Schirmherrschaft von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. Bühne für die Preisverleihung ist übrigens der ehemalige Plenarsaal des Deutschen Bundestages in Bonn. Der Preis ist eine Initiative der Fachzeitschrift „Arbeitsrecht im Betrieb“. Mehr Infos unter:

    https://www.bund-verlag.de/betriebsrat/deutscher-betriebsraete-preis/einfach-bewerben

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