Fünf Jahre NWDO-Verbot – ein lustloses Schaulaufen für Nazi-Devotionalien aus dem „antisem.it“-Versandhandel 

250 AntifaschistInnen demonstrierten gegen Nazi-Umtriebe, 70 Neonazis gegen das NWDO-Verbot. Fotos: Alex Völkel
250 AntifaschistInnen demonstrierten gegen Nazi-Umtriebe, 70 Neonazis gegen das NWDO-Verbot. Fotos: Alex Völkel

Von Marcus Arndt

The same procedure as last year?“ – „The same procedure as every year“ heißt es im Silvester-Klassiker „Dinner for One“. So ähnlich ist es auch bei den Veranstaltungen zum Jahrestag des Verbots des Nationalen Widerstandes Dortmund (NWDO) am 23. August 2012. Der Unterschied ist nur, dass die NWDO-Veranstaltungen gefühlt immer lustloser werden. 70 Nazis fanden sich an der Katharinentreppe in der Dortmunder City ein – 250 AntifaschistInnen – aufgerufen von „BlockaDO“ – demonstrierten dagegen.

Italienische Vergabestelle löschte die Dorstfelder Versandhandelsseite

Der frühere Feuerwehrchef Klaus Schäfer und Demoanmelder und Versandhändler Michael Brück.
Der frühere Feuerwehrchef Klaus Schäfer mit Demoanmelder und Versandhändler Michael Brück.

Obwohl sie für sich reklamieren können, dass es sie noch gibt, den SPD-Politiker Ralf Jäger in seiner Funktion als NRW-Innenminister aber nicht mehr, ist die Kundgebung der Neonazis kein Triumphzug. Geradezu lustlos wirkt die Versammlung. Die immergleichen Reden, Anekdoten und Parolen. Der Applaus der Teilnehmenden nach den Wortbeiträgen der altbekannten Redner ist verhalten.

Fast scheint es so, dass solche Aktionen der Partei „Die Rechte“ nur noch dazu dienen, weitere Nazi-Devotionalien aus dem Versandhandel des Kundgebungsanmelders und „Die Rechte“-Ratsherren Michael Brück zu verkaufen. Doch der hat jüngst einen Dämpfer verpasst bekommen: Seine Internetseite mit dem geschmacklosen Namen „antisem.it-Versand“ wurde von den Behörden gelöscht.

Die italienische Vergabestelle für italienische Internetseiten (IIT)  mit der Endung „.it“ löschte zum 20.08.2017 die Domain „www.antisem.it“. Darunter war der rechtsextremistische Online-Versandhandel des Dortmunder Neonazis Michael Brück im Internet erreichbar.

Der Name „Antisem“ ist von dem Neonazi natürlich nicht zufällig gewählt worden: Dieser ergibt zusammen mit der italienischen Endung „.it“ das Wort „Antisemit“, ein Synonym u.a. für Judenhasser und entlarvt abermals die kranke Ideologie des Neonazis, der erst kürzlich Vater eines Sohnes wurde.

„antisem.it-Versand steht in der Tradition des „Resistore“-Versandes

Neonaziaufmarsch in Dortmund
Der frühere „Resistore“-Versandhändler Dennis Giemsch blieb erstmals der NWDO-Kundgebung fern.

Es ist nicht der erste Versandhandel für Nazi-Devotionalien in Dortmund: Zusätzlich zu den Geschäften auf der Rheinischen Straße in den 2000er-Jahren hatte Dennis Giemsch, einer der führenden Köpfe des verbotenen NWDO und zweite Ratsherr der Partei „Die Rechte“, den Online-Shop „Resistore“ (Widerstand) auf die Beine gestellt. Dafür hatte er im Jahr 2006 sogar Fördergelder der Agentur für Arbeit und bekommen.

Hier bot Giemsch in seinem Online-Versand Plakate, T-Shirts, Aufkleber usw. mit rechtsextremen Parolen an, aber auch Waffen und Stahlkugelmunition sowie Pfefferspray. Neonazis aus der ganzen Welt konnten auf das Sortiment des geschäftstüchtigen Informatikers zurückgreifen.

Die Bundestagsabgeordnete der Partei „Die Linke“ Ulla Jelpke sagte damals in einer Stellungnahme für die Westfälischen Rundschau (WR): „Als Giemsch die Förderung beantragte, war er längst ein stadtbekannter Neonazi, der neonazistische Aufmärsche angemeldet sowie Flugblätter zu verantworten hatte.” Er sei zudem schon bundesweit in den Medien als Führungsperson der „autonomen Nationalisten” bekannt gewesen. Daher sei es vollkommen unverständlich, warum Giemsch die Förderung erhalten habe.

„Angesichts der Gewaltbereitschaft der Dortmunder Neonaziszene erscheint es besonders brisant, dass die Szene sich mit Unterstützung der öffentlichen Hand mit potenziell tödlichen Waffen ausstatten kann“, zitierte die WR die damalige Sprecherin der Antifa-Union Dortmund, Kerstin Wiedemann.

Nachdem der öffentliche Druck auf die Dortmunder Agentur für Arbeit immer größer wurde, forderten diese Monate später den Förderbetrag zurück. Die Behörde teilte damals dem WDR auf Anfrage mit, dass aus den Unterlagen zur Beantragung der Fördergelder der rechtsradikale Hintergrund nicht ersichtlich gewesen sei.

Verbot des NWDO bedeutete auch das Ende des „Resistore“-Naziversands

Fast alle KundgebungsteilnehmerInnen hatten sich mit Hemden aus Brück Versand eingedeckt.
Fast alle KundgebungsteilnehmerInnen hatten sich mit Hemden aus Versand von Brück eingedeckt.

Nach dem der ehemalige Innenminister Ralf Jäger (SPD) am 23.08.2012, neben anderen rechtsextremistischen Vereinigungen in NRW, auch den NWDO verbot, kam es auch zu einem Verbot des Neonazi-Versandhandels „Resistore“.

Nur wenige Wochen nach dem Verbot registrierte Michael Brück die Domain „Antisem“ bei der italienischen Vergabestelle. Ab Dezember 2012 begannen die Aktiven um Giemsch und Brück den Online-Versand „antisem.it“ fleißig zu bewerben. Aufgrund des judenfeindlichen Namens verbreitete sich die Nachricht damals innerhalb der rechten Szene rasant.

Neuer Name, alte Strukturen – und das nicht nur beim Versandhandel, sondern auch bei den Neonazis, welche größtenteils nach dem Vereinsverbot des Innenministers in die Partei „Die Rechte“ wechselten und somit unter den Deckmantel und Schutz des Parteiengesetzes schlüpften.

Rechtsextremistische Propaganda in Form von T-Shirts, Aufklebern und Flyern fanden sich binnen kürzester Zeit genauso wieder, wie auch die Steinschleudern, Stahlkugeln und Pfeffersprays.

„Heidenau-Rabatt“: Brück ist immer auf Provokation und Öffentlichkeit aus

Die Neonazis nutzten die Zeit, um möglichst viele Fotos der AntifaschistInnen zu machen.
Die Neonazis nutzten die Zeit, um möglichst viele Fotos der AntifaschistInnen zu machen.

Immer am Rande der Legalität, aber zumeist geschmacklos und auf Provokation aus, warb Brück mit seinem Versandhandel. Als Rechtsextreme in Heidenau gegen Flüchtlinge hetzten, Unterkünfte in verschiedenen Städten brannten und die sogenannten „besorgten Bürger“ auf die Straße gingen, bot der geschäftige Neonazi Stahlkugeln, Pfefferspray, Sturmhauben usw. zum sogenannten „Heidenau-Rabatt“ an.

Zur Steinschleuder gab es als Rabatt 50 Stahlkugeln gratis dazu. Nach vorliegenden Informationen soll der geschäftige Brück kaum nachgekommen sein, die Bestellungen abzuarbeiten.

Dieses dürfte sich jetzt erstmal ändern, nachdem die italienische Vergabestelle die provokative Internetseite gesperrt und die Seite gelöscht hat. Zwar ist das rechtsextreme Onlineversandhaus weiterhin über eine andere – deutlich unattraktivere – Webadresse erreichbar. Doch leichter macht es das Geschäft für Brück nicht. Zumal die meisten Aktiven mittlerweile mit T-Shirts und anderen Devotionalien ausgestattet sind.

So auch beim fünften Jahrestag des NWDO-Verbots, wo fast alle TeilnehmerInnen und Redner entsprechende Shirts aus dem Versand von Brück trugen. Selbst der frühere Dortmunder Feuerwehr-Chef hatte sich „zu Ehren des Tages“ in eines der gelben Motto-Shirts gezwängt, bevor er zum Mikro griff und auch erneut und bereitwillig Interviews für die Nachrichten-Agentur „ruply“ gab – diese gehört zu Putins Propaganda-Maschine „Russia Today“.

Demonstrationsgeschehen blieb friedlich und zum Glück ereignislos

Selbst als die Antifa-Demo von „BlockaDO“ auf dem Wilhelmplatz in Dorstfeld ankam, wirkten die Nazis fast schon lethargisch. Einige Fahnen an den Häusern, das mittlerweile obligatorische „HTLR“-Banner als Anspielung auf „Hitler“ am Haus. Die mittlerweile aus der City zurückgekehrten KundgebungsteilnehmerInnen verstärkten sich mit einigen KameradInnen, die als „Stallwache“ zu Hause geblieben waren.

„Früher war mehr Lametta“: Zum Glück ereignislos blieb der Großeinsatz für die Polizei.
„Früher war mehr Lametta“: Zum Glück ereignislos blieb der Großeinsatz für die Polizei.

Rund 90 Neonazis verfolgten, wie die 250 AntifaschistInnen ihre Abschlusskundgebung abhielten. Sie machten deutlich, dass Dorstfeld nicht ein „Nazi-Kiez“ sei und sie die BürgerInnen nicht alleine lassen würden mit den Neonazis. Sie machten deutlich, dass sie jederzeit die Bevökerung unterstützen würden. Außerdem erinnerten sie an die Ausschreitungen vor 25 Jahren in Rostock-Lichtenhagen und Naziverbrechen in Dortmund während des Dritten Reiches.

Doch große Provokationen durch die Neonazis blieben aus. Kaum Wortgefechte, kaum Störmanöver, keine Pyrotechnik. Nur die Fotografen der Neonazis waren fleißig im Einsatz, die GegendemonstrantInnen zu fotografieren, um diese Bilder dann erneut für „Outing“-Aktionen zu nutzen. Dies konnten sie – wie immer – fast ungehindert durch die Polizei tun. Ein entsprechendes Plakat mit dutzenden Namen und Gesichtern von AntifaschistInnen wurde erst in den vergangenen Tagen wieder illegal in der Stadt plakatiert.

„Früher war mehr Lametta“, scherzte ein gelangweilter Polizeibeamter – sichtlich froh darüber, dass es ein so ruhiger und ereignisloser Abend war. Es scheinen fast nur noch Rituale zu sein. Nur – anders als bei „Dinner for One“ – wesentlich lustloser.

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Reaktionen

  1. Sarah Rißmann – Direktkandidatin der internationalistischen Liste/MLPD Dortmund 1

    Behinderung des Wahlkampfs der internationalistischen Liste/MLPD durch Faschisten

    Am 15.08.17 habe ich gemeinsam mit einem Wahlhelfer Plakate der internationalistischen Liste/MLPD in Dortmund Dorstfeld aufgehangen. Auf der Höhe der Tankstelle am Ende der Wittenerstraße wurden wir von zwei Faschisten angegriffen. Sie traten meinen Kollegen und entrissen uns zwei Plakate, knickten sie ein und nahmen sie mit. Wir machten eine Anzeige bei der Polizei. Die Polizei wollte uns beim weiteren Plakatieren nicht begleiten.

    Hiermit spreche ich mich entschieden dagegen aus, dass von diesen Faschisten im Vorfeld des Bundestagswahlkampfes massiv versucht wird Antifaschisten einzuschüchtern. Ich fordere auch die Polizei und die Stadt Dortmund auf wirksame Maßnahmen zu ergreifen, ein Verbot der Organisation „die Rechte“ wäre auf Grundlage des Postdamer Abkommens möglich! Am 6.Mai diesen Jahres demonstrierten wir von der internationalistischen Liste MLPD erfolgreich auf dem Wilhelmsplatz anlässlich des Tags der Befreiung vom Hitlerfaschismus. Während der Landtagswahl NRW stellten ich und Gerd Pfisterer, damals auch Kandidat zur Landtagswahl, Strafanzeige gegen die Plakate „Nazi Kiez“ und „Wir hängen nicht nur Plakate“. Dem wurde von der Staatsanwaltschaft nicht nachgegangen.

    Ich spreche alle Demokraten und Antifaschisten an. Lasst uns während des Bundestagswahlkampfes zeigen, dass Dorstfeld kein Nazi Kiez ist. Auch wenn wir uns in vielen Fragen nicht einig sind in dieser Frage müssen wir zusammen stehen und zur Bevölkerung in Dorstfeld. Keinen Fußbreit den Faschisten!

    Ich lade euch daher ein zu einem Vorbereitungstreffen, damit wir beraten können was wir machen am 27.8 um 19 Uhr im Haus der Vielfalt. Bitte gebt mir Rückmeldung ob ihr teilnehmen könnt. Wenn ihr nicht teilnehmen könnt, gebt mir trotzdem eine Rückmeldung ob ihr Interesse habt an einer gemeinsamen Aktion in Dortmund Dorstfeld oder einen anderen Termin vorschlagt.

    Weiterhin möchte ich euch einladen: am 1.9 17 Uhr machen wir nach dem DGB Gedenken zum Antikriegstag eine Kundgebung von der internationalistischen Liste/MLPD für Frieden und Freiheit – gegen Krieg und Faschismus – voraussichtlich am Europabrunnen. Dort gibt es ein offenes Mikrofon, wo jeder sprechen kann – natürlich auf antifaschistischer Grundlage.

  2. Evangelischer Kirchenkreis

    „Wehret den Anfängen“: Veranstaltung gegen Rechtspopulismus und Rückschritte in der Gleichstellung

    Gegen Rechtspopulismus und Rückschritte in der Gleichstellung setzt sich die Veranstaltung „Wehret den Anfängen“ ein. Zu ihr laden der Evangelische Kirchenkreis Dortmund, das Gleichstellungsbüro der Stadt Dortmund, die Arbeitsgemeinschaft Dortmunder Frauenverbände und das Evangelische Bildungswerk Dortmund am 5. September von 17 bis 20 Uhr ins Dortmunder Rathaus ein.

    „Rechtspopulisten werben für eine rückwärtsgerichtete Gleichstellungspolitik und konservative Rollenzuweisungen“, heißt es in der Einladung. Antifeministische Ansichten würden auch in Teilen der Gesellschaft salonfähig werden. Dagegen brauche es ein starkes Bündnis aus der Zivilgesellschaft.

    „Wehret den Anfängen“ befasst sich mit Vorträgen, Podiumsdiskussion und einer Ausstellung aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit dem Thema. Prof. Dr. Esther Lehnert von der Alice-Salomon-Hochschule Berlin referiert über „Mädchen und Frauen im modernen Rechtsextremismus“ „Rechtspopulismus und organisierter Antifeminismus“ ist Thema des Vortrags von Andreas Kemper, Publizist und Soziologe. Auf dem Podium diskutieren Jutta Reiter (Vorsitzende des DGB Dortmund), Dr. Kerstin Schiffner (evangelische Pfarrerin), Chantal Louis von der Zeitschrift „Emma“ und Prof. Dr. Katja Sabisch von der Ruhr-Uni Bochum.

    Die Veranstaltung ist kostenfrei. Eine Anmeldung unter christel.schuermann@ekkdo.de oder telefonisch unter 0231/50-23300 ist notwendig. Die Veranstaltenden behalten sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtenden Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder von dieser auszuschließen.

    http://www.wehretdenanfaengen.dortmund.de

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