Dortmund: Festnahme nach Messerstecherei in der Münsterstraße – Massive Vorwürfe gegen Polizeieinsatz

Zu einem großen Polizeieinsatz kam es in der Münsterstraße. (Archivbild)
Zu einem großen Polizeieinsatz kam es in der Nacht zu Samstag in der Münsterstraße. (Archivbild)

Ein Polizeieinsatz in der Münsterstraße führt zu Diskussionen. Während die Polizei von Ausschreitungen gegen einen Polizeieinsatz berichtet, sprechen AnwohnerInnen sowie das „Nordpol“-Kollektiv von massivem Gewalteinsatz und einer rassistischen Vorgehensweise.

Festnahme nach Messerstecherei in einer Flüchtlingsunterkunft

In der Nacht zu Samstag (14. Oktober 2017) nahm die Polizei, nachdem ein Mann mit einer Messer in der Nordstadt verletzt worden war, einen Tatverdächtigen fest. Zu der Verletzung kam es in Wohnräumlichkeiten auf der Mallinckrodtstraße in Dortmund.

Alarmierte Polizisten kamen laut Polizeibericht gegen 1.20 Uhr einem 28-Jährigen zu Hilfe. Er war durch einen Messerstich in einer Unterkunft für Flüchtlinge schwer verletzt worden. Ein Rettungswagen fuhr ihn umgehend ins Krankenhaus.

Kurz darauf gelang den Beamten die Festnahme des mutmaßlichen Täters. Während der Ermittlungen vor Ort führten Blutspuren die Polizisten zu einem Wohnraum an der Mallinckrodtstraße. Hier trafen die Beamten auf den 19-jährigen Tatverdächtigen. Zeitgleich fahndeten  weitere Polizisten auf der Mallinckrodtstraße nach möglichen Tatverdächtigen.

Polizei spricht von Störungen der Fahndungsmaßnahmen und aggressiven Angriffen

„Eine Personengruppe von circa 40 Menschen sammelte sich plötzlich an der Münsterstraße und störte die Fahndungsmaßnahmen und Polizeikontrollen massiv. Die eigentlich zu Hilfe gerufenen Polizisten mussten sich gegen aggressive Angriffe durchsetzen, die sich gegen die Maßnahmen der Polizeibeamten richteten“, heißt es dazu von der Polizei.

„Neben Beleidigungen griffen die Personen die Beamten auch körperlich an oder versuchten, sie teils mit Glasflaschen zu bewerfen. Ein Diensthundeführer wurde mit seinem Tier ebenfalls stark bedrängt. Der eingesetzte Diensthund biss auf Anordnung und verletzte eine Person nach jetzigem Kenntnisstand leicht“, heißt es weiter.

Die Polizisten hätten „die Ausschreitungen konsequent beendet“, um weitere Auseinandersetzungen und Verletzungen zu vermeiden. Währenddessen nahmen die Beamten vier Dortmunder (22, 22, 25 und 27 Jahre) in Gewahrsam.

Der 28-jährige Verletzte sei augenscheinlich stark alkoholisiert gewesen und habe bislang nicht genauer zum Tatgeschehen und zu seiner Messerverletzung vernommen werden. Das mutmaßliche Tatmesser beschlagnahmten die Beamten zur Beweissicherung. Die Ermittlungen dazu dauern daher an.

AnwohnerInnen und „Nordpol“-Team verurteilen den Einsatz scharf

Der „Nordpol“ ist eine linke Szene-Kneipe in der Münsterstraße.
Der „Nordpol“ ist eine links-autonome Szene-Kneipe in der Münsterstraße.

AnwohnerInnen und das Betreiber-Team des links-alternativen „Nordpol“ schildern die Auseinandersetzungen jedoch ganz anders: Sie kritisieren den Polizeieinsatz, „der in massiver Gewalt und willkürlichen Festnahmen mündete. Das Betreiberkollektiv der Kneipe verurteilt diesen Einsatz scharf.“

Auf der Münsterstraße hätten rauchende Gäste der Kneipe „Nordpol“ eine Polizeikontrolle schwarzer Passanten wahrgenommen. Einige der Gäste hätten diese Kontrolle als rassistisch wahrgenommen und sich daher verbal bei den Polizeibeamten beschwert. „Unsere Gäste sind die täglichen herabwürdigenden Kontrollen schwarzer Passanten gewohnt. Oft beschweren sich da auch Anwohner oder unsere Gäste. So auch am gestrigen Abend“, sagt Bärbel Hof vom Betreiberkollektiv. „Über diese Beschwerde hinaus ist die Arbeit der Polizei nicht gestört worden.“

Bis zu diesem Zeitpunkt sei die Situation von den Betreibern und Gästen übereinstimmend als ruhig wahrgenommen worden. „Plötzlich sah einer der Beamten wütend aus und sprach aufgeregt in sein Funkgerät“, beschreibt einer der Gäste den weiteren Verlauf. Kurze Zeit später seien mehrere Streifenwagen zügig vorgefahren.

Herbeigerufene Verstärkung soll sofort auf die Anwesenden losgegangen sein

Unvermittelt seien die hinzugekommenen Beamten schreiend auf die Ansammlung zugelaufen. „Es kam mir vor wie ein Überfall. Ich wurde völlig überrascht. Die Polizisten rannten wie von Sinnen auf uns zu und schlugen auf alle ein“, schildert eine der Geschädigten laut Mitteilung des „Nordpol“ die Vorfälle.

„Neben den zahlreichen Schlägen mit Schlagstöcken wurden die schlimmsten Verletzungen durch den Einsatz eines Diensthundes verursacht. Dieser wurde nach dem Verlassen des Polizeiwagens direkt und ohne Maulkorb in die Menschenmenge gejagt. Nachdem er eine Person mit Bissen zu Boden brachte, nahm der Hundeführer ihn an die kurze Leine“, heißt es in den Schilderungen.

„Plötzlich und ohne ersichtlichen Grund ließ der Beamte den Hund erneut auf die wehrlose und am Boden liegende Person los. Der Hund schnappte mehrfach in Gesichtsnähe zu. So wurde es mir von mehreren verschiedenen Zeugen geschildert“, berichtet Hof.

Das Betreiberkollektiv des Nordpols verurteilt die gestrige Polizeigewalt scharf. „Was wir gestern Abend erlebt haben, ist eine neue Eskalationsstufe. Die Polizei ist mit quietschenden Reifen vorgefahren. Die Polizeibeamten sind überfallartig aus ihren Wagen gesprungen und haben alle Menschen auf der Münsterstraße unterschiedslos angegriffen – ob Gäste, Anwohner oder zufällig anwesende Nachtschwärmer.“

Polizei und Staatsanwaltschaft konnten zu diesen Vorwürfen nicht befragt werden. Dort steht man erst am Montag wieder für Rückfragen zur Verfügung.

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Reaktionen

  1. Polizei Dortmund

    Die Polizei hat sich am Montagmittag zu Wort gemeldet. Hier die Stellungnahme:

    Die Polizei ermittelt in fünf Fällen wegen eines besonders schweren Falles des Landfriedensbruchs. Ermittelt wird ebenfalls wegen des Verdachts des Widerstandes, der Gefangenenbefreiung und der Beleidung.

    Der Dortmunder Polizeipräsident Gregor Lange formuliert sein Unverständnis über die Gewalt und die Anfeindungen von linksautonomen Gruppen gegen seine Einsatzkräfte: „Nach einer sehr schweren Ursprungstat, einer Messerattacke mit einer schweren Verletzung war es der Auftrag der Beamten, nach dem Verbrecher zu fahnden. Mir ist wichtig, dass die Menschen sich darauf verlassen können, dass ihre Polizei in der Nordstadt konsequent die erforderlichen und angemessenen Maßnahmen trifft, die zur Durchsetzung rechtstaatlicher Regeln erforderlich sind. Genau dafür treten wir an.“

    Die Dortmunder Polizei weist im Zusammenhang mit der teilweise in der Öffentlichkeit geäußerten Kritik darauf hin, dass bislang keine konkreten Zeugenaussagen oder anderweitiges Beweismaterial zu Fehlverhalten von Einsatzkräften der Polizei vorliegen. Anonyme Hinweise oder allgemein geäußerte Gruppenansichten entziehen sich hingegen einer rechtstaatlichen Überprüfung. Jeder konkreten Strafanzeige, auch gegen die eingesetzten Kräfte, geht die Polizei selbstverständlich nach, vorgelegte Beweise werden gesichert und überprüft.

    Der Dortmunder Polizeipräsident stellt eindeutig fest: „Unsere Maßnahmen bezogen sich auf eine konkrete Verdachtslage nach einer schweren Straftat. Das Opfer war ein Zuwanderer und meine Beamten haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Straftat zu seinem Nachteil aufzuklären. Der Polizei dabei rassistische Motive zu unterstellen, ist nicht überzeugend.“ Der Polizei liegt derzeit ein im Internet öffentlich zugängliches Video vor. In einer Sequenz behindert und bedrängt eine Person den Filmemacher massiv. Die dort ersichtliche Person ist kein Polizeibeamter. Die Ermittlungen dauern an.

  2. Dorian Marius Vornweg

    Mal wieder gab es einen größeren Polizeieinsatz in der Nordstadt und mal wieder wird von einschlägiger Seite versucht die Polizei und ihre Arbeit zu desavouieren. Da ist die Rede von nicht näher beschriebenen „AnwohnerInnen“, von „Gästen“ die etwas gesehen haben wollen, was vertuscht werden solle, da wird „verurteilt“, „Kollektiv“ und „rassistisch“ dürfen natürlich auch nicht fehlen. Wer sich in den sozialen Netzwerken umschaut, stellt schnell fest, dass es sich auch in diesem Fall um eine ähnliche Gruppe von selbsternannten oder sogenannten Aktivist*Innen handelt, die es sich augenscheinlich zur Augabe gemacht haben stets bei solchen Ereignissen Staatswillkür und Polizeigewalt zu behaupten. Medial werden diese, Verschwörungstheorien nicht unähnlichen Behauptungen bereitwillig aufgegriffen und ausgebreitet – selbstredend kritisch und investigativ. Was dabei stets in den Hintergrund tritt und immer weniger Raum in der Berichterstattung einnimmt ist die eigentliche Tat. Sogar Täter*Innen werden so zu vermeintlichen Opfern eines Staates verklärt, den die Urheber*Innen der Vorwürfe vermutlich am liebsten abgeschafft sehen würden. Empören wir uns besser über solche Taten und kümmern uns um die Opfer, als ideologisch motivierten und zweifelhaften Behauptungen zuviel Aufmerksamkeit einzuräumen.

  3. Cornelia Wimmer

    Herr Vornweg war nicht dabei – sonst hätte er diesen Umstand erwähnt – aber er weiß, was sich abgespielt hat. Ich war auch nicht dabei, und auch ich weiß nicht, was sich abgespielt hat. So weit, so alltäglich. – Aber es ist dann eben korrekter, die Klärung des Sachverhalts abzuwarten und sich bis dahin ausladender, Schuld zuweisender und Stimmung machender Einschätzungen zu enthalten.

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