Dringend benötigte Erweiterung des Angebots bei psychischen Problemen

Eingliederungshilfe: Der offene Treff der AWO-Assistenzagentur wird zum „Café Leuthardstraße“ 

Phillipp Schlüter und Marie-Christin Naujok freuen sich über die Erweiterung des Angebotes.
Phillipp Schlüter und Marie-Christin Naujok freuen sich über die Erweiterung des Angebotes in der Leuthardstraße. Foto: Alexander Völkel

Gelungener Startschuss für das „Café Leuthardstraße“: Es dient als Begegnungs-, Kultur- und Freizeitstätte für Menschen mit jeglicher Einschränkung in Dortmund. Die Räumlichkeiten der AWO-Assistenzagentur, die bisher den Klient*innen des ambulant betreuten Wohnens für geschlossene Gruppenangebote vorbehalten waren, werden seit Juni 2022 als „offener Raum“ genutzt – als Café und Begegnungsort für alle Menschen mit Bedarf. Möglich macht dies eine Finanzierung durch die „Aktion Mensch“.

Corona verschärft psychische und soziale Probleme

Ursprünglich war die Assistenzagentur 2007 ins Leben gerufen worden, um fast ausschließlich Menschen mit geistigen Behinderungen Hilfestellungen anzubieten. 2012 kamen auch Menschen mit psychischen Problemen hinzu und ab 2015 auch Suchterkrankte. ___STEADY_PAYWALL___

Psychische Problematiken machen mittlerweile 85 Prozent der Arbeit aus, häufig in Kombination mit Doppeldiagnosen – zum Beispiel psychische und Suchterkrankung in Kombination. Daher war es folgerichtig, das Arbeitsfeld zu erweitern und mit allen drei Zielgruppen zu arbeiten.

Die Klient*innen, die ambulant betreut wurden, haben in den mehr als zwei Jahren der Corona-Pandemie massiv gelitten. Vereinsamung, Zuspitzung der Probleme, Zunahme der Ängste und Verschärfung der Krankheitsbilder, dazu eingeschränkte Möglichkeiten der Begleitung.

Die „Aktion Mensch“ hilft bei der Erweiterung der Öffnungszeiten

Marie-Christin Naujok am Kaffeespender - jeder Mensch ist willkommen.
Marie-Christin Naujok am Kaffeespender – jeder Mensch ist in der Leuthardstraße willkommen. Foto: Alexander Völkel

Im Rahmen der Möglichkeiten versuchte das Team, im offenen Treff an der Leuthardstraße entsprechend der jeweiligen Corona-Regelungen Angebote zur Einsamkeitsvermeidung zu machen. „Das wurde gut angenommen“, berichtet Marie-Christin Naujok.

Eigentlich zu gut. Denn der Treff hat nur von 9 bis 14 Uhr geöffnet. 30 bis 40 Menschen kamen täglich. Eine Förderung für dieses spezielle Angebot gab es nicht, es musste mit Bordmitteln realisiert werden. Das sprengt den Rahmen, denn die Assistenzagentur betreut rund 250 Klient*innen.

Daher hat sich die AWO-Eingliederungshilfe an die „Aktion Mensch“ gewandt, um das Angebot ausweiten zu können. Mit Erfolg: fast 100.000 Euro stellte diese zur Verfügung, so dass der offene Treff nun für alle Interessierten öffnen kann – und das bis 18 Uhr.

Niederschwelliges Angebot wochentags und samstags

Phillipp Schlüter im kleinen Urban Gardeding-Bereich, der ausgebaut werden soll. Es ist eines von vielen Angeboten.
Phillipp Schlüter im kleinen Urban-Gardening-Bereich, der ausgebaut werden soll. Es ist eines von vielen Angeboten. Foto: Alexander Völkel

Das Café kann nun als niederschwelliges Angebot wochentags und samstags die Möglichkeit bieten, sich auszutauschen, aufzuhalten, andere Menschen kennenzulernen, sich lokal zu vernetzen, Angebote wahrzunehmen und sich u.a. sportlich auszuprobieren.

Mitarbeitende sollen in Café-Atmosphäre vor Ort sein, um für jedwede Belange ansprechbar zu sein und gegegebenfalls an die entsprechenden Stellen weiterzuleiten. Pädagogisch geschultes Personal organisiert zudem Nachmittagsangebote.

Nach einer Umfrage unter Nutzer*innen und potenziellen Gästen sind die ersten Angebote geplant worden: Literaturcafé, Männer- und Frauengruppen (gewünschte Themen: Kinderwunsch, Verhütung, etc.), Kreativangebote, Selbsthilfegruppen (Depression, Klinikaufenthalte etc.), Sport- und Fitnessangebote, Gartenprojekt, eine Band, Kochangebote, regelmäßiges Einladen von Institutionen und Personen aus Dortmund etc. gehören dazu, erklärt Phillipp Schlüter, der die pädagogische Leitung des Cafés übernommen hat.

Am 12. August ist ein großes Straßenfest geplant

Diese Aktivitäten sollen gemeinsam mit den Teilnehmenden geplant und durchgeführt werden. Essenspenden örtlich angesessener Supermärkte und des Schultenhofs der AWO in Kombination mit gekauften Lebensmitteln sollen umsonst oder so kostengünstig wie möglich ein tägliches Angebot einer zumindest kleinen Mahlzeit bzw. Snacks und Getränken sicherstellen. Diese sollen täglich im Vormittagsbereich zubereitet und mittags verteilt werden.

Zudem soll – gemeinsam mit den anderen Nachbar*innen aus der Eingliederungshilfe und dem sozialen engagierten Vermieter – dem Architekturbüro KFD – am 12. August ein Straßenfest stattfinden. Bereits vor fünf Jahren gab es ein solches Straßenfest – damals zum Zehnjährigen der Assistenzagentur.

Nun ist eine Neuauflage geplant, bei der auch die Leuthardstraße für den Autoverkehr gesperrt und für das Rahmen- und Bühnenprogramm genutzt werden soll. Damit wird sich das neue Café einer noch größeren Öffentlichkeit vorstellen.

Unterstütze uns auf Steady
Print Friendly, PDF & Email

Reaktionen

  1. Sommerfest mit Graffiti in der Leuthardstraße (PM AWO)

    Bunte Bilderkunst an den Wänden und glückliche Gesichter – das erwartet Besucher*innen in der Assistenzagentur an der Leuthardstraße 9 – 11. Dort soll am 12.08.2022 ab 15:00 Uhr ein großes Sommerfest anlässlich des 15-jährigen Bestehens in Kooperation mit dem Architekturbüro KFD stattfinden.

    Von den Mitarbeitenden und Gästen der Assistenzagentur (-Ambulant Betreutes Wohnen, -Beratungsstelle für Menschen mit Behinderungen & Angehörige, -Assistenz aus einer Hand, -offener Treff, -Soziotherapie) wurde bereits intensiv geplant und organisiert. Denn: Zum Sommerfest wird die Straße für den Verkehr gesperrt und es gibt eine Bühne, einen Getränkestand und viele Aktivitäten. So stellen sich die Literaturgruppe und eine Band vor und die Besucher*innen erwartet eine Tombola und Kreativangebote wie beispielsweise T-Shirt-Druck und Graffiti-Workshop. Für Kaffee und leckere Waffeln sorgt der Nutzerrat.

    Doch schon jetzt ist die Vorbereitung einer weiteren Attraktion in vollem Gange: eine Graffiti-Ausstellung. Jeden Donnerstag werden an der Leuthardstraße im Rahmen eines achtwöchigen Projektes Graffitis gesprüht und zwar mit 5.000,- € gefördert durch die Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie. „Ich bin sehr dankbar für die großzügige finanzielle Unterstützung“, so Marie Naujok. Die Leiterin der Assistenzagentur freut sich über die „gelebte Inklusion“, die damit möglich wird.

    Angeleitet durch den Profi, Mr. Dixon, können interessierte Besucher*innen von Treff und Beratungsstelle das Sprayen mit und ohne stencils (Schablonen) kennenlernen. Nach den ersten zwei, drei Stunden intensiver Anleitung geht es dann frisch und mit Unterstützung an die Umsetzung eigener Ideen – und zwar in der Tiefgarage der Einrichtung. Dort sollen dann zum Sommerfest am 12.08.2022 bereits die ersten Kunstwerke zu sehen sein. Im Herbst gibt es dann eine richtige Ausstellung mit einer Eröffnungsfeier.

    Möglich wird die ganze Aktion durch das tolle Verhältnis zum Vermieter der Räumlichkeiten bzw. der Tiefgarage, Andreas Vock. Er hat die Wände zur Verfügung gestellt und möchte, dass sie „Galerie“ bleiben – d. h. die Werke sollen auch nach Ende des Projektes dort zu sehen sein.

    „Wir bekommen Raum und wir nehmen uns Raum“, so beschreibt den Prozess Marie Naujok, die sich selbst gerne kreativ mit Sprühen betätigt. Gerade die Stadt Dortmund sei eine Graffiti-Hochburg, in der man in der Nordstadt an jeder Straßenecke Graffitis findet. „In einer durch Werbung vermüllten Welt ist es besonders wichtig, sich die Umwelt wieder anzueignen, zurückzuholen und die eigenen Spuren zu hinterlassen“, ist sie sich mit Mr. Dixon einig. Und: „Mehr Teilhabe geht eigentlich nicht!“

    Bestätigt werden die beiden durch die Reaktionen der Teilnehmenden. Für Yvonne beispielsweise hat das Projekt eine besondere Bedeutung – sie bezeichnet es als ihre Kunsttherapie. Sophie hat sich ebenfalls beteiligt und mittlerweile schon fünf Male mitgesprüht. „Mir hat es enorm geholfen und Mut gemacht.“ Und dann kommen Rita und andere aus dem Gesprächskreis oben im Treff, um die neu entstandenen Werke zu begutachten. So kommen die verschiedenen Gruppen ins Gespräch und wer weiß, was noch alles daraus entsteht …!

Reaktion schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert