Ein Dachboden voller Bilder, eine ganze Welt aus Farben, Formen, Figuren, bunt und manchmal auch melancholisch – das ist der Nachlass des Dortmunder Malers Walter Liggesmeyer. Er befindet sich an einem ungewöhnlichen Ort – und ist doch gerade dort wirklich zuhause.
Durch das Malen gewinnt Liggesmeyer seine Freiheit zurück
Walter Liggesmeyer (1938-2017) lebte und arbeitete seit 1958 in Dortmund und war eine „ganz besondere Persönlichkeit“, schildert sein langjähriger Weggefährte und aktueller Nachlassverwalter Georg Deventer.
Er schätzt den Fundus auf dem Dachboden auf 800 Gemälde und bis zu 1000 Papierarbeiten. „Der Walter hat ständig gemalt“, so Deventer. Es war wohl sein Weg und sein Mittel mit seiner manisch-depressiven Erkrankung umzugehen: „Ich glaube, ich muss rein aus mir heraus malen, wie man sagt, aus dem Bauch, damit gewinnt man seine völlige Freiheit“, so Liggesmeyer einmal in einem Interview.
Ein Ausweg aus der Krankheit, den der gelernte Jurist während eines Aufenthalts in der LWL-Klinik in Dortmund-Aplerbeck für sich entdeckte. Hier war er als Patient, hier kam er 1985 mit der Maltherapie in Berührung und die Kunst wurde für ihn zum Schlüssel. Neben der Malerei, schrieb er Gedichte, Romane, Theaterstücke.
Der Klinik blieb er zeitlebens verbunden. Neben seinem Atelier in der Sonnenstraße arbeitete Liggesmeyer dort weiter auf „seinem“ Dachboden, stellte in den Klinikgebäuden aus und bis heute sind zahlreiche seiner Bilder auf den Fluren und in den Räumen zu sehen.
Heilende Umgebung: Die Kunst unterstützt das therapeutische Konzept
Die Verbundenheit des Künstlers mit der Klinik, ihrer Arbeit und den Patient:innen beruht auf Gegenseitigkeit. Nach seinem Tod wurde der Dachboden erhalten und das Gebäude der Trauma-Ambulanz zum „Liggesmeyer Haus“ ernannt.
18 Bilder schmücken dort die Räume, weitere 100 Bilder sind auf den Etagen im neuen Phönix-Haus der Klinik zu sehen.
Die Kunst unterstützt das therapeutische Konzept des „Healing Environment“, der „heilungsfördernden Umgebung“. Demnach kann „eine positive Behandlungsumgebung den Genesungsprozess nachhaltig beeinflussen“, heißt es in der Info-Broschüre zum Therapiekonzept. Dabei umfasst die heilende Umgebung landschaftliche Aspekte, aber auch Architektur und Gestaltung, denn all dies verändert die Haltung der Patient:innen und beeinflusst die Therapie positiv.
Manchmal bunt und fröhlich, dann wieder kühl und melancholisch
Liggesmeyers Bildthemen sind vielfältig – häufig malt er Blumen, Landschaften aus Nord-Afrika oder der Toskana. Manche der Bilder sind aber auch ungegenständlich und setzen allein auf die Wirkung der Farben und Formen.
Es sind im Wesentlichen diese Farben, denen auch eine bestimmte therapeutische Wirkung zugesprochen wird. Grün strahlt demnach Entspannung und Geborgenheit aus, Blau wirkt beruhigend, Gelbtöne stimmen fröhlich. Entsprechend wird die Malerei auf den unterschiedlichen Stationen der Klinik eingesetzt.
Die meisten Bilder sind eher heiter, doch manche, vor allem die Portraits der Engel, haben auch melancholische Züge. „Der Engel war für Walter nicht nur das Gute“, erklärt Georg Deventer, „es gab immer auch Trauer und eine dunkle Seite.“
Eine Ambivalenz, die man gut verstehen kann, wenn man sie vielleicht selbst in sich spürt. „Es gab Patienten, die haben sich für diese Bilder bedankt“, weiß Deventer, „die Betrachtung habe ihnen geholfen zu sich zu kommen und aus der Klink zurück in den Alltag zu finden.“
Sichtbarkeit und Wertschätzung auch über den Tod hinaus
Was wird nun mit diesem Bilderkosmos? Ein Drittel des Werks ist gerade erst erfasst – eine Mammutaufgabe, aber vielleicht auch spannend für interessierte Kunsthistoriker:innen. Wichtiger als ein umfassender Katalog ist Deventer aber, dass sie wieder gesehen werden und Wertschätzung erfahren.
„Walter hat früher gut verkauft, seine Bilder hängen in Botschaften, in Dortmunder Unternehmen oder auch bei der IHK“, berichtet er. Sein wichtiger Bild-Zyklus zum Konzentrationslager Ausschwitz ist in Besitz der Dortmunder Stadtwerke und auch der ehemalige Oberbürgermeister Ulrich Sierau schätzte den Künstler und bekam bei seinem Abschied von den Kolleg:innen ein Bild geschenkt.
Deventer geht es nicht ums große Geld – genau wie Liggesmeyer ist er mit Herzblut bei der Sache und möchte vor allem, dass die Bilder gesehen werden. Vielleicht in einer Retrospektive an einem schönen Ort in der Stadt? Die Bilder sollen Freude bereiten und Deventer möchte, dass so viele wie möglich nicht im Verborgenen bleiben, sondern in „gute Hände“ kommen.
„Auch für Walter war Geld nicht alles – viele seiner Werke wurden für einen guten Zweck versteigert, die Verkaufserlöse wurden gespendet“, erinnert sich Deventer. Liggesmeyer beteiligte sich an Aktionen zugunsten der Obdachlosen Hilfe, Unicef und „engagierte sich aktiv für Solidarität, Toleranz und gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus.“ Ein Anliegen, das bis heute nicht an Aktualität verloren hat. Auch dieses Erbe gilt es lebendig zu halten.
Mehr Informationen: Wer Interesse an der Besichtigung des Dachbodens hat oder ein Bild erwerben möchte, kann sich bei Georg Deventer melden: Per Telefon 0172 2714863 oder per Mail an gus.deventer@arcor.de
Reaktionen
H.J. Thimm
Hallo Liebe Redaktion,
vielen Dank für Euren tollen Bericht über Walter Liggesmeyer. Euer Einverständnis voraussetzend, habe ich den Bericht auf der HomePage der LWL-Klinik Dortmund verlinkt.
https://www.lwl-klinik-dortmund.de/de/aktuelles/
Freundliche Grüße aus der LWL-Klinik Dortmund.
Hans Joachim Thimm
Oberarzt
Beauftragter für den Internetauftritt
Nordstadtblogger-Redaktion
Aber gerne doch! 🙂