„Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm“ – Wie kann ein Hitler dargestellt werden? Oder: Revierkämpfe unter Schauspielern

Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm - das Ensemble: Alexandra Sinelnikova, Uwe Rohbeck, Ekkehard Freye. Fotos: Birgit Hupfeld
„Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm“ – das Ensemble: Alexandra Sinelnikova, Uwe Rohbeck, Ekkehard Freye. Fotos: Birgit Hupfeld

Von Gerd Wüsthoff

Das Schauspielhaus Dortmund bringt am Freitag, den 25. Mai, im Studio die Komödie von Theresia Walser „Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm“ auf die Bühne. Eine beißende Vorstellung mit Wortwitz und rasanten Dialogen. Und gerade im Studio ist der Zuschauer hautnah im Geschehen – besonders in dieser Komödie, welche sich mit Darstellungsweisen Hitlers auf den Brettern der Welt auseinandersetzt. Zugleich stellt das Stück auch das Platzhirsch-Gehabe unter SchauspielerInnen dar, inklusive der aktuellen #MeToo Debatte, denn eine der drei ProtagonistInnen ist eine junge Frau.

Drei SchauspielerInnen und die entscheidende Frage: „Wer ist der beste Hitler?“

Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm
„Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm“ wurde in Mannheim mit großem Erfolg uraufgeführt.

Zwei alte, gestandene Schauspielhasen und eine junge, frisch aus der kürzlich absolvierten Schauspielschule, treffen in einem Warteraum zu einem gemeinsamen Interview in einem TV Sender zusammen – Die Verortung wird dem Zuschauer durch Satzfetzen und Durchsagen aus dem Off klar. Dialoge, Blicke und Körpersprachen zeigen den Machtkampf untereinander, in jederzeit sich wechselnden Koalitionen dargestellt. Die zuweilen an Slapstick erinnernden Bewegungen, gepaart mit den Dialogen, führen zwangsläufig zu einem sehr heiteren Abend. – Lachsalven, bittere und heitere, sind garantiert.

Der bittersüße Beigeschmack der Figur Hitlers, welche die beiden älteren Schauspieler unterschiedlich – einmal realistisch, einmal surrealistisch – dargestellt hatten, und von der jungen Schauspielerin als Traumrolle angesehen wird, dräut düster über der Komödie. „Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm“ wurde bei seiner Uraufführung in Mannheim von der Presse und dem Publikum gefeiert.

Uwe Rohbeck spielt den Hitler-Darsteller Franz Prächtel, der sich mit Ekkehard Freye, dem Hitler-Darsteller Peter Soest, um die richtige Interpretation des weithin als Teufel in Menschengestalt gesehenen Hitlers streitet. Alexandra Sinelnikova stellt die junge Schauspielabsolventin Ulli Lerch dar, welche es „leider“ nur zur Darstellung des Goebbels gebracht hat.

Ritt durch Untiefen der Schauspielkunst und chaotische Landschaften des deutschen Gewissens

Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm
Wer ist der bessere Hitler? Granden der Bühne vs. Nachwuchskraft ist eine Konstellation der Revierkämpfe.

In rasanten Dialogen, schnellen slapstickartigen Bewegungen, Blicken in angewandter Situationskomik und von Mona Ulrich „traschig, grotesk überzeichneten Kostümen“, so Regisseur Thorsten Bihegue, erlebt der Zuschauer im Studio einen geradezu burlesquen Geschlechter- und Machtkampf mit seinen diversen Entgleisungen. Das Stück ist ein wilder und hochkomischer Par-Force-Ritt durch die Untiefen der Schauspielkunst und die chaotischen Landschaften des deutschen Gewissens.

Prächtel (dargestellt von Rohbeck) und Soest (dargestellt von Freye), alte Hasen des Schauspiels, hatten beide den Hitler gespielt. Die Schauspiel-Granden streiten sich trefflich in dieser Totalkomödie darum, wer den „besten Hitler“ gespielt habe. Lerch (dargestellt von Sinelnikova), welche es in den Augen der alten Granden „nur zum Göbbels“ gebracht hat, wirft bei den alternden Haudegen die Frage auf: „Dürfen Frauen eine(n) Hitler spielen?“

Lerch, geradezu naiv, frisch von der Schauspielschule, hat provozierend neue Ideen, welche die Granden in ihrer unterschiedlichen Herangehensweise, der eine texttreu, der andere im Sinne des chaotischen Theaters der 1960er und -70er Jahre, ablehnen. „Dabei schwingt die aktuelle #MeToo Debatte im Theaterraum mit“, erklärt Bihegue die Umbesetzung des „Theaterneulings“ mit einer Frau im Gegensatz zur Originalfassung.

Theresia Walser: Autorin der abgründig, bitterbösen Komödie

Die Vorlage zu dem Stück lieferte Theresia Walser, Tochter von Martin Walser, Autorin von Theaterstücken, die als Gegenentwurf zum gängigen Bühnen-Realismus gedacht sind und deren ungewöhnliche, poetische Sprachkunst von der Kritik einhellig gelobt wird.

Werke von ihr wurden ins Französische, Spanische, Polnische und Griechische übersetzt. Sie wurde 1998 von der Jury der Zeitschrift „Theater heute“ zur Nachwuchsautorin des Jahres gewählt; im gleichen Jahre erhielt sie den Förderpreis des Schiller-Gedächtnispreises des Landes Baden-Württemberg. Im Wintersemester 2011/2012 war sie, gemeinsam mit Karl-Heinz Ott, Inhaberin der Poetikdozentur der Universität Koblenz-Landau.

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