1700 Jahre jüdisches Leben auf dem Gebiet des heutigen Deutschland

„Deutscher Antisemitismus“: Digitale Veranstaltungsreihe in Dortmund startet

„Antisemitismus - Dagegen habe ich was.“ Aufkleber in der Nordstadt. Foto: Alex Völkel
„Antisemitismus – Dagegen habe ich was.“ Aufkleber in der Nordstadt. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Im Jahr 2021 werden 1700 Jahre jüdisches Leben auf dem Gebiet des heutigen Deutschland gefeiert. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn die Geschichte jüdischen Lebens in Deutschland ist neben positiven Facetten auch geprägt von Diskriminierung, Verfolgung und Vernichtung. Aus diesem Anlass haben sich die Auslandgesellschaft.de, die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache, das Projekt Quartiersdemokraten und die Antidiskriminierungsberatungsstelle ADIRA zusammengeschlossen und eine Veranstaltungsreihe unter dem Titel „Deutscher Antisemitismus. Bestandsaufnahme, Analysen, Perspektiven“ geplant, die ab 21. Oktober in digitaler Form in Dortmund stattfinden wird.

Geschichte des Antisemitismus wird in vier Veranstaltungen nachgezeichnet

In vier Veranstaltungen werden mit Experten und Expertinnen die Geschichte des Antisemitismus nachgezeichnet, aktuelle Erscheinungsformen analysiert, Betroffenenperspektiven beleuchtet und Handlungsmöglichkeiten in verschiedenen Feldern diskutiert.

Ausgehend von einem christlichen Judenhass war der Antisemitismus in Deutschland ab dem 19. Jahrhundert ein populäres Ressentiment. Seine völkische Variante bildete das Kernelement des Nationalsozialismus.

Daher wird die Reihe am 21. Oktober mit einem Vortrag von Prof. Dr. Lars Rensmann, Professor für Europäische Politik und Gesellschaft an der Universität Groningen eröffnet, der zu Antisemitismus als Phänomen im Kontext deutscher Geschichte sprechen wird.

Ideologie des Antisemitismus verbreitete sich auch nach der NS-Zeit

Israelbezogener Antisemitismus ist auch im Wahlkampf zu entdecken. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Auch nach dem Ende des Nationalsozialismus ist die Ideologie des Antisemitismus weiterhin verbreitet und hat in der Gegenwart neue Erscheinungsformen angenommen, in denen Ressentiments gegen Jüdinnen und Juden mitunter auf Umwegen artikuliert werden.

Um die Betroffenperspektive hierauf zu thematisieren, wird am 28. Oktober Prof. Dr. Julia Bernstein von der Frankfurt University of Applied Science über jüdische Perspektiven auf Antisemitismus in Schulen und im Alltag berichten. Hierbei spielen auch offene Formen des Antisemitismus bis hin zur Gewalt eine Rolle.

Passend hierzu wird am 04. November Dr. Ronen Steinke, Redakteur der Süddeutschen Zeitung, sein 2020 erschienenes Buch „Terror gegen Juden. Wie die antisemitische Gewalt erstarkt und der Staat versagt“ vorstellen.

Die Reihe abschließen wird eine Podiumsdiskussion, bei der Sophie Brüss (Referentin für Antidiskriminierungsberatung bei SABRA), Alexander Sperling (Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe K.d.ö.R.) und Daniel Poensgen (Wissenschaftlicher Referent beim Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus) unter Moderation von Micha Neumann (Mitarbeiter bei ADIRA) über die lange Kontinuität des Antisemitismus und die Möglichkeit ihrer Brechung diskutieren werden.

„Netzwerk zur Bekämpfung von Antisemitismus in Dortmund“

Die organisierenden Akteure der Veranstaltungsreihe sind allesamt Mitglieder im „Netzwerk zur Bekämpfung von Antisemitismus in Dortmund“.

Mit den Vorträgen und Diskussionen wollen sie einen Beitrag zur Sensibilisierung hinsichtlich des Themas Antisemitismus leisten und die stadtweite Debatte hierzu anregen.

Die Veranstaltungsreihe wird komplett digital über Zoom stattfinden. Um an den Veranstaltungen teilzunehmen, ist eine vorherige Anmeldung per Mail unter mertes@auslandsgesellschaft.de erforderlich.

Alle Termine im Überblick:

  • 21. Oktober 2021 – 18 Uhr: Antisemitismus als Phänomen im Kontext deutscher Geschichte Vortrag von Prof. Dr. Lars Rensmann
  • 28. Oktober 2021 – 18 Uhr: Jüdische Perspektiven auf Antisemitismus an Schulen und im Alltag Vortrag von Prof. Dr. Julia Bernstein
  • 04. November 2021 – 18 Uhr: Terror gegen Juden. Wie die antisemitische Gewalt erstarkt und der Staat versagt Buchvorstellung mit Dr. Ronen Steinke
  • 11. November 2021 – 18 Uhr: Die Kontinuitäten brechen?! Podiumsdiskussion mit Sophie Brüss, Daniel Poensgen und Alexander Sperling, moderiert von Micha Neumann

Hintergrund zu den Veranstaltern:

  • Die Auslandsgesellschaft.de ist eine Organisation, die sich für die sich für Völkerverständigung und internationalen Dialog einsetzt.
  • Die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache befindet sich im ehemaligen Polizeigefängnis und bietet neben der ständigen Ausstellung „Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933-1945“ regelmäßig Abendvorträge, Sonderausstellungen und unterschiedliche pädagogische Formate an.
  • Das Projekt Quartiersdemokraten ist eine Fach- und Netzwerkstelle für Rechtsextremismusprävention in Dortmund-Dorstfeld.
  • ADIRA (Antidiskriminierungsberatung und Intervention bei Antisemitismus und Rassismus) ist eine Beratungsstelle für antisemitische Vorfälle in Trägerschaft der Jüdischen Gemeinde Dortmund.
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Reaktionen

  1. Antisemitismus – Eine deutsche Geschichte: Vortrag von Peter Longerich im Stadtarchiv (PM)

    Der Anschlag auf die Synagoge in Halle 2019 hat nicht nur gezeigt, wie gefährlich die Lage für Juden in Deutschland geworden ist – die Debatte hat auch offengelegt, dass antijüdische Einstellungen schon lange in der Mitte der Gesellschaft existieren.

    Prof. Peter Longerich, renommierter Historiker und Mitautor des 2012 veröffentlichten ersten Antisemitismusberichts des Deutschen Bundestags, zeigt in seinem Vortrag am Dienstag, 23. November, 19 Uhr im Stadtarchiv Dortmund (Märkische Str. 14), dass der gegenwärtige Antisemitismus in Deutschland nicht nur als Sündenbock-Phänomen verstanden werden darf. Denn der Blick in die Geschichte offenbart, dass das Verhältnis zum Judentum bis heute vor allem ein Spiegel des deutschen Selbstbildes und der Suche nach nationaler Identität geblieben ist. Sein brisantes Buch stößt mitten in die aktuelle Debatte.

    Peter Longerich, geboren 1955, lehrte als Professor für moderne Geschichte am Royal Holloway College der Universität London und war Gründer des dortigen Holocaust Research Centre. Von 2013 bis 2018 war er an der Universität der Bundeswehr in München tätig. Er war einer der beiden Sprecher des ersten unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus des Deutschen Bundestags und Mitautor der Konzeption des Münchner NS-Dokumentationszentrums.

    Seine Bücher über die „Politik der Vernichtung“ (1998) und ihre Resonanz in der deutschen Bevölkerung, „Davon haben wir nichts gewusst!“ (2006), sind Standardwerke. Seine Biographien über Heinrich Himmler (2008), Joseph Goebbels (2010) und Hitler (2015) fanden weltweit Beachtung.

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