Bundesweite Mobilisierung zum Protest der Corona-Leugner*innen – 2800 Teilnehmende kamen nach Dortmund

Kundgebung von Verschwörungsideolog*innen und Corona-Leugner*innen in Dortmund. Foto: Klaus Hartmann

Es berichten David Peters (Text), Leopold Achilles und Klaus Hartmann

Nachdem die Begeisterung und der Zulauf zu den Dortmunder Protesten gegen die Corona-Beschränkungen in den vergangenen Wochen fast zum Erliegen kam, hat die „Bewegung“ von außen neue Impulse bekommen. „Querdenken“, die auch die umstrittene Demo in Berlin organisiert hatte, hatte bundesweit für eine Kundgebung in Dortmund getrommelt und so für eine Professionalisierung des Protests gesorgt. Die Teilnehmenden waren aus vielen Städten angereist, wie man an den Plakaten und teils auch an den Kennzeichen sehen konnte. 

„Festival für Frieden und Freiheit“ verbreitet Verschwörungsideologien und hetzt gegen Presse und Politik

Aluhut als Sonnenschutz. Foto: Klaus Hartmann

„Es gab keine Corona-Toten in Deutschland“, erklärt ein Redner auf dem Dortmunder Hansaplatz.  Angesichts der 9.196 Todesfälle, die das Robert-Koch-Institut meldet, ein Schlag ins Gesicht der Hinterbliebenen. Ein anderer Redner behauptete sogar, dass es überhaupt keine Pandemie gegeben hätte – die Zahl der rund 215.000 Infizierten in Deutschland widerspricht dem deutlich. 

Nach der Demonstration in Berlin am 1. August stand an diesem Wochenende Dortmund im Fokus der Verschwörungsgläubigen und Coronaleugner*innen. In der Spitze hatten sich 2.800 Menschen in der Innenstadt versammelt, um ein „Festival für Frieden und Freiheit“ abzuhalten. Tatsächlich ging es aber hauptsächlich darum Verschwörungsideologien zu verbreiten und gegen Presse und Politik zu hetzen. 

Organisiert wurde die Veranstaltung von einer Gruppierung, die sich „Querdenken“ nennt. Diese war ebenfalls an der Demonstration in Berlin beteiligt, die von der Polizei aufgelöst wurde, da die Teilnehmenden sich den Auflagen und Corona-Schutzmaßnahmen verweigerten. Weder wurden Abstände eingehalten, noch Schutzmasken getragen – trotz 17.000 Menschen auf engstem Raum. 

Missachtung der Schutzmaßnahmen sorgt für verspäteten Start 

Bundesweit war unter den Corona-Leugner*innen  nach Dortmund mobilisiert worden. Foto: Klaus Hartmann

Dieses Szenario sollte sich in Dortmund angesichts der erneut steigenden Infektionszahlen nicht wiederholen, kündigte die Polizei im Vorfeld der Demonstration an. „Die Beachtung der Hygiene- und Infektionsschutzregelungen ist auch auf öffentlichen Versammlungen alternativlos. Gegen gesundheitsgefährdendes Verhalten werden wir entschlossen und konsequent einschreiten“, so der Leitende Polizeidirektor Udo Tönjann. 

Weil der Platz am geplanten Veranstaltungsort am Phönixsee nicht ausreichte, um die nötigen Abstände einzuhalten, wurde die Veranstaltung bereits im Vorfeld auf den Hansaplatz verlegt. Eigentlich sollte die Kundgebung der Coronaleugner*innen um 15 Uhr beginnen, doch die Polizei untersagte vorerst den Start. Die Teilnehmenden hielten die vorgeschriebenen Mindestabstände nicht ein. Mehrfach mussten die Beamt*innen Kontakt zum Versammlungsleiter aufnehmen, um die Auflage durchzusetzen. 

Das Tragen eines Mund-Nasenschutzes war zwar nicht Teil der Auflagen, wurde von den Teilnehmenden aber ohnehin abgelehnt. Auf Plakaten und in mehreren Reden wurden Schutzmasken als „Bürgermaulkorb“ oder als „Symbol der Unterdrückung“ bezeichnet. Auch der Nutzen der Schutzmasken wurde bestritten. Eine wirkliche Begründung für ihre Thesen blieben die Demonstrierenden aber schuldig.

Der russische Staatssender RT und der rechtsextreme Youtuber „Volkslehrer“ waren willkommen

Klare Feindbilder. Foto: Klaus Hartmann

Doch nicht nur zu den Infektionsschutzmaßnahmen hatten die selbsternannten „Corona-Rebellen“ ein schwieriges Verhältnis. Journalist*innen waren auf der Kundgebung immer wieder Beleidigungen und Anfeindungen ausgesetzt. Man selbst wollte zwar nicht fotografiert werden, im Gegenzug wurden aber immer wieder Aufnahmen der Pressevertreter*innen angefertigt und Schilder mit Parolen wie „GroKo und Lügenpresse kriegen heute auf die Fresse“ hochgehalten.

Lediglich der russische Staatssender RT und die eigenen „Alternativen Medien“ waren erwünscht. Darunter auch Nikolai Nerling, der sich selbst den „Volkslehrer“ nennt. Der extrem rechte Youtuber wurde bereits wegen Volksverhetzung verurteilt und war Gast auf mehreren Demonstrationen der Neonazi-Kleinstpartei „Die Rechte“, so auch bei den Herbstdemonstrationen im vergangenen Jahr. 

Neben Nerling besuchten Mitglieder der kameradschaftsähnlichen, neonazistischen Gruppierung „Bruderschaft Deutschland“ aus Düsseldorf die Kundgebung. Auch Dominik Roeseler, Mitiniator der rechten Hooligan-Bewegung „HoGeSa“ (Hooligans gegen Salafisten) suchte den Austausch mit den Besucher*innen und Organisator*innen der Kundgebung. 

Eine Abgrenzung der Organisator*innen von Rechtsextremen und Neonazis befand sich zwar auf dem Veranstaltungsflyer, die Praxis sah allerdings anders aus. Dazu passen auch die unterschwelligen und teils unverhohlenen Drohungen. So betonte einer der Redner: „Wer eine friedliche Revolution verhindert, macht eine gewaltsame unausweichlich.“

Applaus für Polizisten aus Niedersaschsen, der fehlende Gewaltenteilung kritisierte

Der Feind ist für viele Teilnehmende klar: Der Staat und seine Regierung. Foto: Leopold Achilles

Bereits bei vergangenen Demonstrationen der Coronaleugner*innen traten Neonazis in Erscheinung. „Es wäre zu einfach, alle Teilnehmer*innen als extrem Rechte zu bezeichnen. Doch eine Distanzierung von rechten Ideologien bleibt aus. So werden rechte Äußerungen, Personen oder Lieder geduldet. Damit stellen sie sich selbst in die rechte Ecke“, erklärte Kim Schmidt von der Autonomen Antifa 170.

Von der Bühne wurden die üblichen Verschwörungsideologien verbreitet, „Eliten“, die mit ihrem Geld die Welt beherrschen würden oder ein Staat, der Corona nutze, um Grundrechte außer Kraft zu setzen. 

Für besonders großen Applaus bei den Coronaleugner*innen sorgte unter anderem ein niedersächsischer Kriminalhauptkommissar. Der Polizist aus Hannover, Michael Fritsch, „erklärte“ auf der Bühne, dass es in Deutschland keine Gewaltenteilung mehr gebe und setzte den Coronavirus mit einem Schnupfen gleich. 

Auch sollten sich Polizist*innen den Corona-Protesten anschließen. Von den anwesenden Beamt*innen machte allerdings niemand auch nur annähernd Anstalten, seinem Ruf Folge zu leisten. 

Die Dortmunder Polizei zieht ein positives Fazit und sieht die Demonstrationsfreiheit gewahrt

Mund-Nase-Schutz war für eine Teilnahme nicht vorgeschrieben worden. Foto: Leopold Achilles

Die bis zu 2.800 Demonstrant*innen waren aus dem ganzen Bundesgebiet angereist. Es war die größte Demonstration von Coronaleugner*innen in Dortmund. Zuletzt waren zu den Kundgebungen der Dortmunder Gruppe „Nicht ohne uns“ nichtmal 100 Menschen erschienen. Das Interesse hatte deutlich nachgelassen. 

Der Polizeiführer des Einsatzes Udo Tönjann, zog ein positives Fazit:„Wir haben im Vorfeld der Demonstration betont, dass die Beachtung der Hygiene- und Infektionsschutzregelungen auch auf öffentlichen Versammlungen alternativlos ist.“ Dies habe die Polizei bereits vor Beginn der Demonstration in die Tat umgesetzt. 

Polizeipräsident Gregor Lange, der sich vor Ort selbst ein Bild der Lage gemacht hatte, ergänzte: „Die Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut und eine wesentliche Aufgabe der Polizei ist es, sie bei friedlichem Verlauf zu schützen. Ich bin Herrn Tönjann und allen Einsatzkräften dankbar für den konsequenten und dennoch besonnenen Umgang mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. So konnten diese unter Einhaltung der Abstandsregeln ihr Grundrecht ausüben.“  

 

Print Friendly, PDF & Email

Reaktionen

  1. CDU- Pressemeldung zum Demonstrationsgeschehen der Coronaleugner in Dortmund auf dem Hansaplatz

    CDU- Pressemeldung zum Demonstrationsgeschehen der Coronaleugner in Dortmund auf dem Hansaplatz

    „Erst treffen sie sich in Stuttgart und Berlin und jetzt sind sie in Dortmund. Wer? Die sogenannten Corona-Gegner und/oder Kritiker. Unter ihnen mischen sich Verschwörungstheoretiker und jene, die sonst kein Gehör finden.

    Am Sonntag demonstrierten mehr als 2500 Menschen auf dem Dortmunder Hansaplatz und machen ihrem Frust Luft. Die Corona-Pandemie hat uns alle hart getroffen und vor allem die damit einhergehenden Maßnahmen sind für unser wirtschaftliches und soziales Leben sehr einschneidend. Wenn die Angst vor dem Virus sinkt, schwindet auch die Akzeptanz der Schutzmaßnahmen. Was wir zurzeit in Dortmund aber auch in anderen Teilen der Bundesrepublik erleben ist, dass die Menschen sich ihrer Freiheit beraubt fühlen und Verbotenes stärker in die Wahrnehmung rutscht.

    Alarmierend ist es für uns als CDU, wenn Nöte und Ängste der Menschen ausgenutzt und zur Stimmungsmache und Hetze instrumentalisiert werden! In die Reihen der heute demonstrierenden Menschen haben sich viele Rechte- und Rechtsradikale gedrängt, die den Staat und seine Behörden ohnehin ablehnen! Das dürfen wir als Dortmunder Gesellschaft nicht zulassen!

    „Durch Aufklärung und ein gesellschaftliches Miteinander müssen wir die Menschen mitnehmen und wir müssen dafür sorgen, dass alle den Sinn der Schutzmaßnahmen begreifen. Nur weil wir das Virus nicht sehen können, heißt es nicht, dass es nicht da ist! Das Virus ist gegenwärtig und die Zahlen steigen!“, so Ratsherr und Innenpolitiker Thorsten Hoffmann.

    Thorsten Hoffmann beobachtet mit Sorge die Entwicklung: „Wir dürfen nicht zulassen, dass die Bürger auf diese falschen Menschenfänger hereinfallen! Und allen die unsere freiheitlich demokratische Grundordnung ablehnen sage ich: Wir sind auch dafür da, damit ihr gegen uns sein könnt! Meinen Kolleginnen und Kollegen der Polizei wünsche ich bei diesen hohen Temperaturen ein schnelles Einsatzende!“.

    Thorsten Hoffmann
    stellvertretender Kreisvorsitzender der CDU Dortmund

  2. Coronavirus: Neun weitere positive Testergebnisse (Pressemitteilung Stadt Dortmund)

    Coronavirus: Neun weitere positive Testergebnisse

    Am heutigen Montag sind 9 positive Testergebnisse hinzugekommen. Somit liegen seit dem ersten Auftreten der Erkrankung in Dortmund insgesamt 1382 positive Tests vor. 1170 Patient*innen haben die Erkrankung bereits überstanden und gelten als genesen. Insgesamt sind derzeit in Dortmund 195 Menschen infiziert.

    Drei der Neuinfektionen betreffen Reiserückkehrer*innen, zwei stehen in einem familiären Zusammenhang.

    Zurzeit werden in Dortmund 24 Corona-Patient*innen stationär behandelt, vier von ihnen intensivmedizinisch und beatmet.

    In Dortmund gibt es bislang elf Todesfälle im ursächlichen Zusammenhang mit Covid-19. Weitere sechs mit SARS-CoV-2 infizierte Patient*innen verstarben aufgrund anderer Ursachen.

      • Nordstadtblogger-Redaktion

        Bislang müssen den Gesundheitsämtern nur die positiven Tests gemeldet werden, nicht aber die Gesamtzahl der Tests. Daher gibt es diese Information (noch) nicht. Bei den Reiserückkehrer*innen aus Risikogebieten werden alle Zahlen gemeldet und so der Prozentwert der Infektionen angeben.

  3. M.Weik

    Es ist eine Unverschämtheit, das ein Hauptkommissar als Redner für die Corona Leugner auftritt.
    Und dann noch die Kollegen aufhetzen, die für solche Spinner , Ihre Arbeitskraft aufbringen müssen , das nichts aus dem Ruder läuft.
    Wie weit sind wir gekommen.
    Seid doch alle froh das wir in einem Staat leben, wo im Grunde jeder aufgefangen wird.
    Gerade jetzt , wo viele, wie auch ich ,sich in Kurzarbeit befinden ,und meinen Job noch habe.
    Und in den Schulen sich aufregen wegen dem Mund Nasenschutz.
    Denn jeder, und besonders wir in den Bäckereien leiden auch darunter, aber es nützt nichts.
    Alle müssen an einem Strang ziehen.
    Für alle Opfer.
    R.I.P

    • Rene Hary

      „Alle müssen an einem Strang ziehen“… DASS ist richtig!
      Allerdings ist Ihr „Strang“ nicht der richtige, da Sie sich von den Medien und der Regierung „weich kochen“ haben lassen… Dies ist sehr bedenklich, da es UNS aufzeigt, wie leicht sich die Menschen beeinflussen lassen… und DA ist ein direkter Vergleich zu den frühen 30iger Jahren „durchaus“ angebracht…

  4. Martin H.

    Wenn ein gestandener Polizeihauptkommissar wie Michael Fritsch auseinandersetzt, warum er die Gewaltenteilung nicht mehr gewährleistet und damit die Demokratie in Gefahr sieht, sollte man schon genau hinhören. Schließlich war er sich sehr wohl bewusst, dass er mit seiner abweichenden Auffassung seine Karriere auf‘s Spiel setzt. Und nein, er hat nicht Covid19 mit einem Schnupfen verglichen, sondern gesagt, dass das Pandemiegesetz so formuliert ist, dass ein Schnupfen genügen würde, um die Pandemie auszurufen.

  5. Ralf Urlass

    Ich empfinde, dass hier mehr Hetze gegen die Demonstranten passiert.
    Immer die gleichen Sätze dagegen. Wer jemand als Menschenfänger einfach so vorverurteilt, hat sich selbst die Begründung gestrickt, diesen nicht anhören zu müssen. Ich finde, man sollte sich mal die Rede von Michael Fritsch anhören. Was ich hier lese, sieht für mich danach aus, dass getroffene Hunde immer lauter bellen.
    Diese Demonstration ist für die Verfassungsrechte und wird als rechte Leugnermasse denunziert, das ist beängstigend.

  6. Gabi

    Oh ja, das sehe ich genauso!!! Es sind keine Verschwörungstheoretiker, es sind beunruhigte Bürger, deren Rechte verfassungswidrig eingeschränkt werden! Wer jetzt nicht aufsteht und für unsere Demokratie kämpft, wird es in einigen Jahren bitter bereuen!!!

  7. Schlafschaf

    Ich teile die Aussagen der Demonstrierenden nicht. Sie dennoch alle als Coronaleugner in einen Topf zu schmeißen, ist etwas zu undifferenziert. Andere Bezeichnungen, wie Maßnahmenkritiker/Coronakritiker wäre angemessener, auch wenn sich vielleicht auch Leugner unter ihnen befinden. In der Sache kann man sie dann immer noch kritisieren. So wirkt der Bericht sehr einseitig und nicht neutral. Schade. Ist nur Wasser auf die Mühlen der Spalter und „Rattenfänger“.

Reaktion schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert