Ein Offener Brief fordert: „Sicherheit und Gerechtigkeit für Alle“

Antidiskriminierungs-Berater:innen aus NRW kritisieren Ungleichbehandlung von Geflüchteten

Einen „Zug mit Hoffnung“ haben die Jugendlichen auf die Hauswand gebracht.
Einen „Zug mit Hoffnung“ haben Jugendliche auf die Hauswand gebracht (um die Ecke geht er in mehreren Sprachen weiter). Archivfoto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

In einem Offenen Brief an die Landesregierung NRW beschreiben Antidiskriminierungs-Berater:innen aus NRW – darunter auch zwei Dortmunder Einrichtungen – die Ungleichbehandlung von geflüchteten Menschen in Deutschland. Sie benennen dabei den Rassismus, welcher der Ungleichbehandlung zugrunde liegt und der sich vor dem Hintergrund des Umgangs mit ukrainischen Geflüchteten sehr deutlich zeigt. Sie fordern die Landesregierung auf, aktiv diese Missstände abzubauen.

„Wir spalten nicht, wir machen die Ungleichbehandlung sichtbar“

Demonstration am 26. September: Solidarität mit ALLEN Geflüchteten, Refugees Welcome Dortmund
Den Verein „Train of Hope Dortmund“ gibt es seit 2015. Seit dem hat er diverse Integrationspreise bekommen. Archivfoto: Klaus Hartmann für Nordstadtblogger.de

„Stellen Sie sich vor, Sie sind Berater:in in einer Beratungsstelle“, bitten die Verfasser:innen des Briefes die Landtagsabgeordnetenbzw. die Landesregierung. Sie mögen sich in die Situation hineinversetzen, einen Menschen zu beraten, der in einer Unterkunft leben muss, der nicht arbeiten darf, der keine angemessene Gesundheitsversorgung bekommt und dessen Kinder nicht beschult werden.

„Nun sieht er, wie Menschen aus der Ukraine fliehen. Genau wie er damals aus Afghanistan. Er sieht, wie sie unmittelbar eine Arbeitserlaubnis bekommen, in Wohnungen ziehen dürfen, ihre Universitätsabschlüsse anerkannt werden, ihre Kinder in die Schule schicken können und wie stark sich die Politik solidarisiert„, heißt es weiter.

Der Geflüchtete sitzt vor Ihnen und fragt: Warum werden wir nicht auch so behandelt? Warum gelten für uns andere Regeln? Sind wir nicht genauso Menschen? – Sie sitzen vor ihm, sollen ihn beraten. Was antworten Sie? Welche Antwort können Sie geben, die Sie mit Ihrem Gewissen vereinbaren können?“, heißt es in den ersten Zeilen des Briefes.

Selda İlter-Şirin ist ist Beraterin beim Train of Hope e.V. in Dortmund.
Selda İlter-Şirin ist ist Beraterin beim Train of Hope e.V. in Dortmund.

„Wir wollen ausdrücklich nicht unterschiedliche Gruppen von Geflüchteten gegeneinander ausspielen. Wir spalten nicht, wir machen die Ungleichbehandlung sichtbar. Die Spaltung wird durch eine Politik betrieben, die Geflüchtete in unterschiedliche Gruppen aufteilt und sie ungleich behandelt. Wir fordern Sicherheit und Gerechtigkeit für Alle“, erklärt Selda İlter-Şirin, eine der Autor:innen des Briefes.

Selda İlter-Şirin ist beschäftigt beim Train of Hope e.V. in Dortmund, der gemeinsam mit der Kurdischen Gemeinschaft Rhein/Sieg e.V. in Siegburg, ARIC NRW e.V. in Duisburg, Planderladen GgmbH in Dortmund, rubicon e.V. in Köln, Plan B Ruhr e.V. in Bochum und dem Gleichbehandlungsbüro in Aachen den Brief herausgegeben hat.

In der Beratung wird ein umfassendes Bild der Ungleichbehandlung deutlich

Das Logo der Internetseite Train of Hope Dortmund
Das Logo der Internetseite Train of Hope Dortmund Nordstadtblogger-Redaktion | Nordstadtblogger

In den Anlagen zu ihrem Offenen Brief zeigen die Antidiskriminierungs-Berater:innen konkret auf, in wie vielen Bereichen eine Ungleichbehandlung stattfindet: auf der Flucht, bei der Unterbringung, beim Zugang zu Arbeit, Bildung, Sozial- und Gesundheitsleistungen, sowie im Alltag und im gesellschaftspolitischen Diskurs.

Damit berührt der Offene Brief nicht nur landespolitische Aufgaben, sondern auch europa-, bundes- und kommunalpolitische Zuständigkeiten. „Wir wollen ein möglichst umfassendes Bild der Ungleichbehandlung zeigen, die sich in unserem Beratungsalltag zeigt. Zudem wirken sich all diese politischen Ebenen unmittelbar auf unsere Arbeit in den Beratungsstellen in NRW aus“, erläutert İlter-Şirin.

Antidiskriminierungs-Berater:innen aus NRW beklagen eine Ungleichbehandlung.
Antidiskriminierungs-Berater:innen aus NRW beklagen eine Ungleichbehandlung.

Mehrere Wissenschaftler:innen und Prominente unterstützen den Brief öffentlich; darunter auch Prof. Dr. Karim Fereidooni (Ruhr-Universität Bochum), Prof. Dr. Claus Melter (Fachhochschule Bielefeld), Prof.’in Dr.’in Susanne Spindler (Hochschule Düsseldorf), Prof.’in Dr.’in Schahrzad Farrokhzad (TH Köln), die Schriftstellerin Mithu Sanyal, die Journalist:in und Autor:in Şeyda Kurt sowie einige Vereine und Organisationen.

„Wir wünschen uns, dass der Brief viel Aufmerksamkeit erfährt und in der Folge politische Praxen hinterfragt und geändert werden, denn die aktuelle massive Ungleichbehandlung verletzt Menschenrechte“, erläutert İlter-Şirin.

Hier gibt es den gesamten Brief als PDF zum Download: 

Offener_Brief_Ungleichbehandlung-Geflüchteter

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Reaktionen

  1. hayek

    Die Ungleichbehandlung ist leicht zu erklären und politisch nachvollziehbar, denn ukrainische Geflüchtete reisen nicht um den halben Erdball, um in ihrem Lieblingsland Asyl zu beantragen. Dass es sich hierbei um eine andere Art/Qualität von Flucht handelt, erkennt man auch an den umgekehrten Geschlechterverhältnissen, die die unterschiedlichen Fluchtgründe gut widerspiegeln: aus Afghanisten, Syrien und Irak kommen in der Mehrheit Männer, während bei den Ukrainern mehrheitlich Frauen Asyl beantragen.

  2. Icke

    Alle Geflüchtete fliehen dahin wo sie sich bessere Bedingungen vorstellen. Auch die Ukrainer fliehen schwerpunktmäßig in die EU Staaten und nicht nach Moldawien, Mazedonien, nicht-EU Balkan etc.

    Dass keine Männer aus der Ukraine fliehen, liegt daran, dass 1. Männer im kampffähigen Alter das Land nicht verlassen dürfen und für diese die Grenzen dicht sind. Außerdem ist es 2. kein Bürgerkrieg sondern ein Nachbarland ist massiv in das Land einmarschiert. Und 3. in allen Kriegssituationen sind finanzielle Ressourcen ein Hauptfaktor für Mobilität, und dort wo es fehlt investieren die meisten Familien ihr Erspartes in die jungen Männer die diese harte Reise auf sich nehmen und anschließend aus einer besseren Situation heraus ihre Familien in der alten Heimat unterstützen können. Das war im Westen auch nicht anders in ähnlichen Situationen.

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